Organstreit

Organstreit

Mit dem Rechtsbegriff Organstreit oder Organstreitigkeit werden im öffentlichen Recht in Deutschland verfassungsrechtliche Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten oberster Verfassungsorgane oder ihrer Mitglieder bezeichnet. Bei einem Organstreit handelt es sich um die Frage der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen, die organisatorische Wirkungen zwischen Verfassungsorganen oder auch nur ihren Mitgliedern betreffen. Es gibt vergleichbare Streitigkeiten auf allen Ebenen der Organe der öffentlich-rechtlichen Körperschaften, bis hin zum Kommunalverfassungsstreit.

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen

Das Organstreitverfahren hat seine Grundlage im Gewaltenteilungsprinzip und im Minderheitenschutz. Allerdings sind Organstreitverfahren wegen der parteipolitischen Verbindungen eher selten. Der Minderheitenschutz spielt hingegen eine erhebliche Rolle. Durch das Organstreitverfahren hat die Opposition die Möglichkeit, ihre Minderheitsrechte vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht geltend zu machen und durchzusetzen. Das Organstreitverfahren ist in Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 Grundgesetz genannt und in § 13 Nr. 5, § 63 ff. BVerfGG konkretisiert.

  • Beispiele:
    • Der Bundestag wendet sich gegen den Bundespräsidenten, der sich weigert, ein jedenfalls formell verfassungsgemäßes Gesetz zu unterzeichnen.
    • Der Bundeskanzler wendet sich gegen den Bundespräsidenten, der sich weigert, eine vom Bundeskanzler vorgeschlagene Person zum Bundesminister zu ernennen.
    • Die Bundesregierung oder der Bundesrat wendet sich gegen den Bundestag, der sich mit der Beschlussfassung über eine Gesetzesvorlage „Zeit lässt“.
    • Der Bundesrat, der ein Gesetz für zustimmungsbedürftig hält, wendet sich gegen den Bundestag, der dasselbe als Einspruchsgesetz ansieht und die Ablehnung des Bundesrates zurückweist.
    • Ein Abgeordneter wendet sich gegen die vom Präsidium des Bundestags beschlossene Begrenzung der Redezeit und sieht sich hierdurch in seiner Eigenschaft als Mitglied des Bundestages und damit zugleich Verfassungsorgan unzulässig beschränkt.
    • Ein Abgeordneter beanstandet die Lage des ihm von seiner Fraktion zugewiesenen Sitzplatzes im Plenum.

Zulässigkeitsvoraussetzungen

Um vor dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen eines Organstreitverfahrens klagen zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Die Voraussetzungen für Organstreitigkeiten vor den Verfassungsgerichten der Länder sind weitgehend vergleichbar:

Parteifähigkeit

Antragsberechtigt sind Oberste Bundesorgane im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG. Dazu zählen der Bundespräsident, der Bundestag, Bundesrat und die Bundesregierung, sowie die gemeinsamen Ausschüsse (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG i.V.m. § 13 Nr. 5, § 63 BVerfGG).

Antragsberechtigt sind auch Teile dieser Organe, sofern sie unter „andere Beteiligte“ im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG fallen. Organteile können etwa der Bundestagspräsident, der einzelne Abgeordnete (als Teil des Organs Bundestag), Bundesminister (In-Sich-Streit zwischen einzelnen Bundesministern ist unzulässig), Fraktionen sowie politische Parteien, sofern diese in ihrer (organschaftlichen) Stellung als Mitwirkende am Verfassungsleben betroffen sind, sein.

Streitgegenstand

Zulässig sind nur Entscheidungen über Streitfälle, welche die gegenseitigen Rechte und Pflichten, die aus dem Grundgesetz herleitbar sind, betreffen. Es müssen also darauf bezogene rechtserhebliche Handlungen oder Unterlassungen des Antragsgegners geltend gemacht werden.

Antragsbefugnis

Ein zulässiger Antrag liegt nach diesem Kriterium nur dann vor, wenn der Antragssteller die Verletzung eigener, aus der Verfassung herleitbarer Rechte hinreichend geltend macht. An dieser Stelle wird jedoch nur festgestellt, ob ein solches Recht verletzt sein könnte (Möglichkeitstheorie). Die konkrete Frage, ob die Verletzung tatsächlich vorliegt, wird im Rahmen der Begründetheit (siehe unten) geklärt.

  • Das konkrete Recht muss sich aus der Verfassung ableiten lassen
  • Der Antragssteller selbst oder das Organ, dem er angehört (gesetzliche Prozessstandschaft), muss in diesem Recht verletzt oder unmittelbar gefährdet sein.
  • Die Rechtsverletzung muss hinreichend plausibel geltend gemacht werden.

Form und Frist

Ein Antrag auf ein Organstreitverfahren hat schriftlich zu erfolgen (§ 23 Abs. 1 BVerfGG). Der Antrag ist zu begründen (§ 64 Abs. 2 BVerfGG). Die Frist beläuft sich auf sechs Monate nach Bekanntwerden der fraglichen Handlung oder Unterlassung (§ 64 Abs. 3 BVerfGG).

Rechtsschutzbedürfnis

Das Rechtsschutzbedürfnis ist bei Organstreitverfahren in der Regel gegeben. Ausnahmsweise fehlt es, wenn der Antragssteller die dargelegte Verletzung durch eigenes politisches Handeln hätte vermeiden können.

Begründetheit

Ist die Zulässigkeit gegeben, prüft das Bundesverfassungsgericht schließlich, ob die angezeigte Maßnahme tatsächlich das Recht des Antragstellers verletzt oder unmittelbar gefährdet hat. Zudem wird ermittelt, ob sich die Maßnahme des Antragsgegners durch eine verfassungsmäßige Grundlage rechtfertigen lässt. Als Entscheidung stellt das Gericht fest, ob die Handlung oder Unterlassung gegen eine Bestimmung des Grundgesetzes verstößt (§ 67 Satz 1 BVerfGG).

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