Orgel der Basilika St. Martin (Weingarten)

Orgel der Basilika St. Martin (Weingarten)
Ansicht von der Empore
Prospekt, Stich von 1766 (Dom Bédos)
Registerzüge (links)
Registerzüge (rechts)
Spieltisch
Pedalglocken hinter dem Spieltisch

Die Orgel der Basilika St. Martin (Weingarten), der Klosterkirche der Abtei Weingarten, wurde in den Jahren 1737 bis 1750 von Joseph Gabler erbaut.

Inhaltsverzeichnis

Baugeschichte

Neubau durch Gabler 1737–1750

Am 6. Juli 1737 wurde ein erster Vertrag mit Gabler geschlossen. Die Orgelweihe fand am 24. Juni 1750 statt.

Vom Orgelbau wird folgende Sage erzählt:

Gabler arbeitete jahrelang daran, die menschliche Stimme nachzuahmen. Doch trotz aller Anstrengungen misslangen alle seine Versuche. Er bearbeitete die verschiedensten Holzarten und Metallmischungen, jedoch ohne den gewünschten Erfolg. Da flüsterte ihm der Böse bei Nacht ins Ohr, dass er ihm helfe, wenn er ihm seine Seele verschreibe.

Gabler ging darauf ein und in einer stürmischen Nacht schlich sich Gabler aus dem Kloster fort an den vereinbarten Platz. Und der Leibhaftige erschien tatsächlich, Gabler verschrieb dem Teufel mit seinem Blut die Seele und erhielt dafür ein Stück Metall, das er zum Pfeifenguss verwenden sollte.

Die Pfeife wurde gegossen und tatsächlich erklang die Vox humana wie eines Menschen Stimme. Doch sein Glück währte nicht lange. Die Mönche waren von dem Gesang so verwirrt, dass sie den Gottesdiensten nicht mehr mit Andacht folgen konnten. Der Abt lässt Gabler vorführen und der gesteht die Tat. Es wird Gabler der Prozess gemacht und er soll samt dem Teufelsregister verbrannt werden. Vorher sollte er aber einen würdigen Ersatz herstellen. Dieser gelang Gabler so gut, dass der Abt ihm gnädig das Leben schenkte.

Die Prinzipalpfeifen sind generell eng mensuriert, was den Klang leise, aber auch herb macht. Joseph Gabler wollte die Mensuren nicht erweitern, um mehr Klangkraft zu bekommen, sondern er wendete mehrere Pfeifen pro Ton an. Trotzdem ist die Orgel für ihren milden, kammermusikalischen Charakter bekannt.

Die Orgel besitzt vielleicht einen der ersten freistehenden Spieltische überhaupt.

Joseph Gabler baute die Orgel geschickt um die sechs Fenster herum und gewährte so, dass trotz der Orgel noch Licht in die Kirche fällt.

Restaurierung durch Kuhn 1981–1983

1983 wurde die Orgel durch Orgelbau Th. Kuhn AG (Männedorf am Zürichsee) restauriert. Die Orgel wurde dabei größtenteils auf den Stand von 1750 zurückversetzt. Lediglich der Pedalumfang wurde von C–g1 auf C–d1 erweitert und die ungleichschwebende Temperatur entschärft.

Disposition

I Hauptwerk
Praestant 16′
Principal 8′
Rohrflaut 8′
Octav I-II 4'
Superoctav II 2′+1′
Hohlflaut 2′
Mixtur IX-X 2′
Cimbalum XII 1′
Sequialter VIII-IX 2′
Piffaro V-VII 8′
Trombetten 8′


II Oberwerk
Borduen II-III 16′
Principal Tutti 8′
Violoncell I-III 8′
Coppel 8′
Hohlflaut 8′
Unda maris 8′
Solicinale 8′
Mixtur IX-XII 4′


II Kronpositiv
Octav douce 4′
Viola II 4′+2′
Cimbali II 2′+1′
Nasat 2′
III Echowerk
Borduen 16′
Principal 8′
Flauten 8′
Quintatön 8′
Viola douce 8′
Octav 4′
Hohlflaut I-II 4′
Piffaro doux II 4′
Superoctav 2′
Mixtur V-VI 2′
Cornet V-VI 1′
Hautbois 8′


IV Brustpositiv
Principal doux 8′
Flaut douce 8′
Quintatön 8′
Violoncell 8′
Rohrflaut 4′
Querflaut 4′
Flaut travers II 4′
Flageolet 2′
Cornet VIII-XI 2′
Vox humana 8′
Hautbois 4′
Carillon 2′
Tremulant
Hauptpedal
Contrabaß II 32′+16′
Subbaß 32′
Octavbaß 16′
Violonbaß II 16′+8′
Mixturbaß V-VIII 8′
Posaunenbaß 16′
Bombard 16′
La force IL 4′[Anm. 1]
Carillon ped. 2′[Anm. 2]


Brustpedal
Quintatönbaß 16′
Superoctavbaß 8′
Flaut douce 8′
Violoncellbaß 8′
Hohlflautbaß 4′
Cornetbass X-XI 4′
Sesquialter VI-VII 3′
Trombetbaß 8′
Fagottbaß 8′
  • Cuculus (Kuckuck: vier Holzpfeifen mit Windantrieb)
  • Rossignol (Nachtigall: drei Pfeifen in einem Wasserbecken)
  • Tympan (Pauke: drei Holzpfeifen (16') schwebend auf den Ton G gestimmt)
  • Cymbala (drei Glöckchen mit Windantrieb (zusammen mit Cuculus))
Anmerkungen
  1. (Frz. „die Kraft“) Ein Register, bei dem nur der tiefste Pedalton (C) durch 49-fache Mixtur verstärkt wird. Es erinnert in Aufbau und Funktion an ein Hornwerk.
  2. Glockenspiel) für das Pedal (C-g) und das Manual (f–c3). Die Glocken des Manual-Carillons (Schalenglocken aus Bronze) befinden sich im Spieltisch, die Glocken des Pedal-Carillons sind in Weintraubenform (dem Klosternamen „Weingarten“ entsprechend) über dem Spieltisch angeordnet.

Technische Daten

  • 63 Register, 6890 Pfeifen (der Sage nach 6666 Pfeifen, Pedalerweiterung 6631 Pfeifen).
  • Windversorgung:
    • Froschmaul- oder Faltenbälge.
  • Windlade: Schleifladen.
  • Spieltisch(e):
    • Freistehend.
    • 4 Manuale, Tasten auf Elfenbein.
    • Pedal.
    • Registerzüge aus Elfenbein.
  • Traktur:
    • Tontrakur: Mechanisch
    • Registertraktur: Mechanisch.

Organisten

  • 1954–1999: Heinrich Hamm (* 1934)
  • Seit 2000: Stephan Debeur (* 1965)

Literatur

  • Franz Bärnwick: Die grosse Orgel im Münster zu Weingarten in Württemberg, erbaut von Josef Gabler. 4 Auflage. Ehrat u. Bärenreiter, Ravensburg u. Kassel 1948. 
  • Karl-Heinz Göttert: Orgelführer Deutschland. Bärenreiter, Kassel 1998, ISBN 3-7618-1347-3. 
  • Heinrich Hamm: Die Gabler-Orgel der Basilika Weingarten. Kunstverlag Peda, Passau 2000, ISBN 3-927296-82-1 (Peda-Kunstführer, Bd. 75). 
  • Maria Müller-Gögler: Die Magd Juditha. Thorbecke, Sigmaringen 1980, ISBN 3-7995-1602-6 (Original: See-Verlag, Friedrichshafen 1935 (Roman vor dem Hintergrund des Basilika- und Orgelbaus um das Schicksal des jungen Mädchens Juditha, die - von einem Baumeister verführt - von dem Maler Cosmas Damian Asam und dem Orgelbauer Joseph Gabler beschützt wird und schließlich Gablers Ehefrau wird)). 
  • Friedrich Jakob: Die grosse Orgel der Basilika zu Weingarten. Geschichte und Restaurierung der Gabler-Orgel. Orgelbau Kuhn, Männedorf 1986, ISBN 3-927296-82-1 (Veröffentlichungen der Gesellschaft der Orgelfreunde, Bd. 113). 
  • Johannes Mayr: Joseph Gabler Orgelmacher. Biberacher Verlagsdruckerei, Biberach 2000, ISBN 3-933614-06-6. 
  • Paul Smets: Die große Gabler-Orgel der Abtei Weingarten. Rheingold-Verl., Mainz 1940. 

Aufnahmen/Tonträger

  • Die Königin der süddeutschen Barockorgeln. 2000, Ed. Clarino, CD (Günther Fetz an der Orgel zu Weingarten).
  • Gabler-Orgel, Weingarten.' 1994, Coronata COR 2213, CD (Ewald Kooiman spielt Orgelwerk von Johann Sebastian Bach).
  • Die große Gabler-Orgel der Basilika der Benediktinerabtei zu Weingarten. 1975, Christophorus-Verl. SCY 75 110, LP (Hermann Feifel spielt Werke von Bach, Buxtehude und Haydn).
  • Die Gabler-Orgel in der Basilika Weingarten. 1985, Motette 10801, CD (Heinrich Hamm spielt Werke Süddeutscher Meister und Orgelmusik der Klassik).

Weblinks

Siehe auch


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