- Basilika Weingarten
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Die Basilika St. Martin ist die frühere Stiftskirche der ehemaligen gefürsteten Reichsabtei der Benediktiner in Weingarten. Heute ist die Basilika Pfarrkirche der Pfarrei St. Martin in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Mit ihren Ausmaßen von 106 Metern Länge und einer Kuppelhöhe von 66 Metern gehört die von Papst Pius XII. 1956 zur Basilica minor erhobene Kirche zu den größten Kirchenbauten im Stile des Barocks nördlich der Alpen. Sie steht auf dem Martinsberg, hoch über dem Tal der Schussen, die in den Bodensee mündet, im südlichen Oberschwaben.
Inhaltsverzeichnis
Baugeschichte
Die 1124 begonnene Abteikirche der Abtei Weingarten, eine dreischiffige Säulenbasilika, war schon ein für die damalige Zeit monumentaler Bau von über 80 Metern Länge, der einen kleineren Vorgängerbau ablöste. Vom 1182 geweihten romanischen Münster hat sich allein die Wand des südlichen Seitenschiffes mit den anschließenden Resten des Querhauses und des südlichen Turmes erhalten, der noch seitlich seines barocken Nachfolgers zu sehen ist. Bauliche Veränderungen folgten nach Bränden 1215 und 1477. Vorbilder des Kirchenbaus waren die Münster von Reichenau-Mittelzell und Konstanz.
Im 17. Jahrhundert regte sich wiederum der Wunsch nach einer zeitgemäßen Erneuerung der romanischen Basilika, wobei man zunächst nur an eine umfassende frühbarocke Umgestaltung dachte. Abt Franz Dietrich (1627–1637) gewann den genuesischen Malerarchitekten Giulio Benso für den Plan, das Münster durch Gewölbe, Stuckdekorationen und neue Altaraufbauten auszuschmücken, doch unterblieb der Umbau aufgrund des Dreißigjährigen Krieges. Erst Abt Sebastian Hyller (1697–1730), einem Pfullendorfer Bäckersohn, gelang es, ein umfassendes Gesamtkonzept zu verwirklichen. Er ordnete Wirtschaft und Finanzen und koordinierte die verschiedenen Entwürfe unterschiedlicher Architekten. Sein Porträt in der Äbtegalerie zeigt ihn daher mit Zirkel und Grundriss. Diese Leistung wird noch beeindruckender, wenn man sich vor Augen führt, dass das Kloster kurz zuvor 1695–1702 das Priorat in Hofen vollständig neu errichtete. Er baute die Basilika auch für die von Jahr zu Jahr stärker anwachsende Wallfahrt zum Heiligen Blut.
Pläne für Weingarten lieferten 1712 der Füssener Baumeister Johann Jakob Herkommer und der Vorarlberger Franz Beer von Bleichten. 1717 zeichnete der Württembergische Hofbaudirektor Donato Giuseppe Frisoni Risse für Türme, Kuppel, Fassadengiebel und den Hochaltar. Die oberste Bauleitung vor Ort übernahm der Weingartener Brudermönch Andreas Schreck, der beim Neubau in Hofen schon reiche Erfahrungen gesammelt hatte. Baumeister war Joseph Schmuzer (1683–1752).
Der Neubau ging außerordentlich rasch voran. 1715 brach man die alte Kirche ab. Noch im gleichen Jahr wurde durch den päpstlichen Nuntius in der Schweiz, Giacomo Caracciolo, der Grundstein gelegt. Schon 1717 konnten die Gewölbe eingezogen werden, so dass im folgenden Jahr der Wessobrunner Franz X. Schmuzer mit der Ausstuckierung und Cosmas Damian Asam mit den Fresken beginnen konnten. 1720 vollendeten beide ihren Auftrag, so dass sich nun die weiteren Arbeiten auf die Ausstattung konzentrieren konnten, die bis zur Weihe 1724 weitgehend fertig gestellt war. Nicht fehlende Finanzmittel behinderten den Ausbau, sondern ständige Querelen und Prozesse mit der vorderösterreichischen Landvogtei, deren Territorium unmittelbar an das Kloster angrenzte und die nicht zum Abtreten des notwendigen Geländes bereit war. Die Abteikirche sollte noch durch zwei große dreiflügelige Trakte um weite Innenhöfe eingefasst werden. Am 10. September 1724, nach nur achtjähriger Bauzeit, vollzog der Fürstbischof von Konstanz, Johann Franz Schenk von Stauffenberg, die feierliche Kirchweihe.
Baubeschreibung
Auf Wunsch des Bauherrn sollten die Ausmaße der Kirche etwa der Hälfte des Petersdomes in Rom entsprechen. Somit ist die Kirche 106 Meter lang und die Kuppel 66 Meter hoch. Vom Typus her ist sie dem weitverbreiteten Vorarlberger Wandpfeilerschema verpflichtet. Segelartig leicht eingespannte Emporen, die Durchbrechung der Pfeiler mit hohen Durchgängen in beiden Geschossen und die zarten Regence-Stuckaturen Franz X. Schmuzers mildern die Monumentalität des Hallenraumes auf belebende Weise ab.
Die Fresken
Für Cosmas Damian Asam brachte dieser erste Großauftrag den endgültigen Durchbruch als Kirchenmaler. Für die barocke Deckenmalerei ist entwicklungsgeschichtlich höchst bedeutsam, dass in Weingarten nicht mehr eng begrenzte Bildfelder, sondern das ganze Gewölbejoch der Malerei zur Verfügung stand, was von Asam meisterhaft zur illusionistischen Raumerweiterung genutzt wurde. Dem Freskenzyklus liegt ein ausgeklügeltes theologisches Programm zugrunde, das vom Kloster vorgegeben wurde. Als deutliche Spitze gegen die Ansprüche der vorderösterreichischen Landvogtei ersetzt im Deckenfresko "Bekehrung des Longinus" einer der göttlichen Lichtstrahlen das übliche Schwert am Klosterwappen, das Hoheitszeichen der von Österreich abgestrittenen Reichsunmittelbarkeit. Dem Kirchenschiff weiter in Richtung Altar folgend, stellt ein zweites großes Fresko das Wirken des Heiligen Benedikt dar, gerade hier kommt Asams Meisterschaft in der illusionistischen Malerei voll zur Geltung. Das dritte große Bild stellt Mariä Himmelfahrt dar.
Die zentrale Kuppel zeigt eine überwältigende Himmelsvision. Hunderte von Heiligen umziehen im Lobpreis die Dreieinigkeit mit der Taube des Heiligen Geistes in der lichten Laterne. Am unteren Rand thront in der Blickachse als Allegorie der Mutter Kirche eine weibliche Papstfigur, begleitet von den Symbolfiguren Glaube, Liebe und Hoffnung. In den Feldern zwischen Kuppel und Vierungspfeiler sitzen die vier Evangelisten. Über dem Chor ist als abschließendes der monumentalen Fresken die Aussendung des Heiligen Geistes abgebildet.
Eine deutlich kleinere, künstlerisch aber ebenso vollendete Komposition ist die Anbetung des Lammes. Dieses Fresko war der Erstauftrag und Prüfstein für den Maler gewesen, bevor er mit dem gesamten, monumentalen Zyklus beauftragt worden war.
In den seitlichen Tonnengewölben befinden sich nach mittelalterlichen Vorlagen geschaffene Stifterbilder der Welfen.
Heilig-Blut-Reliquie
Der Heilig-Blut-Altar erhielt bis 1731 die Blutreliquie. Wegen der vielen Wallfahrer wurde die Reliquie in einem besonderen Altar unter der Vierung zugänglich gemacht. Die Heilige-Blut-Legende nimmt ihren Anfang in der Bibel. Laut einer Beschreibung sticht der römische Soldat Longinus bei der Kreuzabnahme in die Seite Jesu Christi. Es fließen Blut und Wasser aus der geöffneten Seite. Dieses Blut fing Longinus auf, macht einen Brei daraus und bestreicht sich damit die Augen. Dieser Flüssigkeitsbrei heilte sein Augenleiden. Er sammelte das mit Erde vermischte Blut, lässt sich taufen, verlässt Palästina und verkündet in Mantua das Evangelium. Um einer Christenverfolgung zu entgehen, flieht er nach Caesarea in Kappadozien und stirbt dort als Märtyrer. Vor seiner Abreise aus Mantua vergräbt er das Blut Christi.
Fast 1000 Jahre später, im Jahre 1048, träumt ein blinder Adalbert aus Mantua von dem verborgenen Schatz und benachrichtigt die Behörden Mantuas. Diese senden einen Boten zu Kaiser Heinrich III. Ein großes Aufgebot an weltlicher und geistlicher Macht bestehend aus Papst, Herzog und Kaiser lassen sich von Adalbert zu der Stelle führen, die er im Traum gesehen hat. Sie finden tatsächlich die Reliquie, die nun dreigeteilt wird: Die neue Kirche San Andrea in Mantua erhält einen Teil, Papst und Kaiser die anderen beiden Teile.
Kaiser Heinrich III. schenkt sterbend seinem Vasallen Graf Balduin von Flandern seine Reliquie, seine Stieftochter Judith erhält sie wiederum kurz vor dessen Tod. Als Judith den Herzog Welf IV. von Bayern heiratet kommt dieses Heiratsgut an die Hauptresidenz der Welfen in Altdorf. Alt und fromm geworden, vermacht Judith kurz vor ihrem Tod das Blut Christi 1094 dem 1056 gegründeten Benediktinerkloster Altdorf.
Jeden Sonntag nach der Vesper besteht im Rahmen der Krankensegnung die Möglichkeit, die Heilige Blut Reliquie zu küssen. Dazu wird das Reliquiar von dem Zelebrant aus dem Altar herausgenommen. Die Kranken knien sich vor dem Altar nieder und der Zelebrant reicht ihnen das zu küssende Reliquiar mit der Heilig Blut Reliquie.
Orgeln
→ Siehe Hauptartikel: Orgel der Basilika St. Martin (Weingarten)
Die 1737–1750 von Joseph Gabler erbaute Hauptorgel gehört zu den berühmtesten historischen Orgeln Deutschlands und gilt als Meisterwerk der barocken Orgelbaukunst. Der Orgelprospekt schmiegt sich in ungewöhnlicher Weise um die sechs Fenster der Westfassade. Die Orgel wird für ihren feinen Klang gerühmt; von Beginn an wurde jedoch kritisiert, dass ihre Lautstärke für den riesigen Raum zu gering ist.
Die Chororgel, 1737–1743 ebenfalls von Joseph Gabler anstelle einer älteren Orgel errichtet. Nach zahlreichen Reparaturen wurde 1900 eine neue Orgel unter Verwendung von Gablers Pfeifenwerk erbaut, die 1923/1924 durch eine fast völlig neue Orgel der Fa. Gebr. Späth, Ennetach, ersetzt wurde. 1934–1937 wurde diese Orgel wiederum durch eine fast völlig neue Orgel der Fa. Reiser ersetzt.
Von Mai bis Oktober finden an jedem Sonntagnachmittag zwei Orgelkonzerte mit süddeutscher Orgelmusik an der Gablerorgel statt, an jedem Donnerstagabend ein Konzert mit symphonischer Orgelmusik an der Chororgel.
Glockengeläut
Das Geläute der Abteikirche besteht aus folgenden Glocken: h (Hosanna, 1484, 6190 kg), a (Gloriosa 1993, 4442 kg), cis (1519, 2270 kg), e (1957, 1250 kg), fis (1957, 858 kg), gis (1748, 460 kg), h (1957,366 kg), cis (1747, 245 kg), c' (1788, 170 kg), fis (1957, 83 kg) und h (1624, 40 kg).
Geschichte im 20. Jahrhundert und Gegenwart
1940 wurde das aufstrebende Kloster von den Nationalsozialisten abermals zwangs aufgehoben und die Benediktiner zum Verlassen des Monasteriums gezwungen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges begann ein mühevoller Neuanfang, wobei die Mönche in den Konventbau mit spätgotischem Kreuzgang umsiedelten, der zuvor grundlegend saniert worden war. Neben dem feierlichen Gotteslob zählen zu den heutigen Aufgaben der Abtei die Seelsorge in der Klosterpfarrei St. Martin, die Wallfahrt zum kostbaren Blut, die geistliche Betreuung der Klostergäste sowie die Ökumene mit den Ostkirchen (Moto proprio: Equidem verba. Pius XI. 1924).
Literatur
- Gebhard Spahr: Die Basilika Weingarten. Ein Barockjuwel in Oberschwaben. (= Bodensee-Bibliothek; Bd. 19). Thorbecke, Sigmaringen 1974, ISBN 3-7995-4007-5
Weblinks
- Homepage der röm.-kath. Pfarrgemeinde Basilika St. Martin
- Homepage Kloster Weingarten
- Webcam Basilika Weingarten
47.809239.64478Koordinaten: 47° 48′ 33″ N, 9° 38′ 41″ O
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