Orgel der Martinikerk (Groningen)

Orgel der Martinikerk (Groningen)
Arp-Schnitger-Orgel in der Martinikerk Groningen, 1692/1729/1740

Die Orgel der Martinikerk (Groningen) geht auf das Jahr 1450/80 zurück und erreichte ihren Höhepunkt im 18. Jahrhundert, als sie durch Arp Schnitger, seinen Sohn Franz Caspar Schnitger und Albertus Antonius Hinsz erweitert wurde. Sie verfügt heute über 52 klingende Register auf drei Manualen und Pedal und ist eine der größten und bekanntesten Barockorgeln Nordeuropas.

Inhaltsverzeichnis

Baugeschichte

  • Um 1450 wurde die erste Orgel der Martinikerk in Groningen erbaut (möglicherweise von Meister Harmannus, der auch mit der Orgel der Rysumer Kirche (1457) in Verbindung gebracht wird).
  • Um 1482 wurde das Werk vermutlich von Meister Johan ten Damme (= aus Appingedam) eingreifend umgebaut, mit einem Rückpositiv versehen und auf eine neue Empore platziert, wobei 1479 der Syndikus der Stadt Groningen und Humanist Rudolf Agricola als Berater hinzugezogen wurde. Vom diesem spätgotischen Instrument haben sich bis heute etliche Pfeifen erhalten.
  • 1542 - die Jahreszahl ist noch im Prospekt erhalten - erweiterte ein unbekannter Orgelbauer (vermutlich Andreas de Mare) das Instrument im Stil der Renaissance, das nun über drei Werke verfügte. Das Gehäuse von Haupt- und Oberwerk stammt noch aus dieser Zeit.
  • 1564 reparierte und erweiterte Andreas de Mare die Orgel.
  • 1627-28 fanden weitere Änderungen und Erweiterungen fanden durch Anthoni und Adam Verbeeck statt, u.a. wurde die Orgel mit sieben neuen Bälgen versehen.
  • 1685-90 versuchte Jan Helman vergeblich die 1672 entstandenen Kriegsschäden an der Orgel zu reparieren und versah das Werk mit neuen Bälgen, Klaviaturen und Springladen. Er verstarb 1690, ohne die Arbeit vollendet zu haben.
  • 1691 schloss Arp Schnitger die Wiederherstellungsmaßnahmen ab, erniedrigte die Tonhöhe durch Aufrücken der Pfeifen, nahm 1692 Änderungen an der Disposition vor und erweiterte das Instrument um die mächtigen Pedaltürme. Der Principal 32′ (24′) ist der einzige, der von Schnitger erhalten ist. Er wurde in der Kirche mithilfe von Schiffsmasten hergestellt. Das Pedal-Gehäuse und insgesamt etwa sechs Register von Schnitger sind noch erhalten.
  • 1728-29 baute Frans Caspar Schnitger ein neues Rückpositiv unter Verwendung einiger älterer Register und erstellte eine neue Spielanlage. Als er 1729 starb, wurde seine Arbeit 1730 von Albertus Antonius Hinsz vollendet.
  • 1739-40 ersetzte Hinsz im Rückpositiv sieben Register. Die Orgel verfügte nun über 47 Register. Die Initiative zu diesen Erweiterungen ging von Jacob Wilhelm Lustig aus, der von 1728 bis zu seinem Tode (1796) fast sieben Jahrzehnte Organist an der Martinikerk war.
  • 1781-82 reparierte Hinsz die Orgel.
  • 1793 sind Reparaturen durch Frans Caspar Schnitger jr. und Heinrich Herman Freytag belegt.
  • 1806 wurden die heutigen Säulen unter das Rückpositiv gesetzt.
  • 1808 und 1816 führte Nicolaus Anthony Lohman, Sohn von Dirk Lohmann, Reparaturen und Dispositionsänderungen durch.
  • 1831 reparierte Petrus van Oeckelen die Orgel und veränderte die Disposition.
  • 1854-55 erweiterte und veränderte van Oeckelen nach dem damaligen Zeitgeschmack das Instrument.
  • 1867 sind weitere Reparaturen durch van Oeckelen nachgewiesen.
  • 1904 wurde die Pedal-Traktur durch Jan Doornbos pneumatisiert.
  • 1912 hat man die acht originalen Keilbälge durch einen Magazinbalg ersetzt.
  • 1939 nahm J. de Koff Veränderungen vor und griff tief in die historische Substanz ein. Er versah die Orgel mit einem neuen elektrischen, frei stehenden Spieltisch. Der Winddruck wurde erniedrigt, neue Register eingebaut, die Klaviaturumfänge erweitert, das Pfeifenwerk im romantischen Stil umintoniert und die Spiel- und Registertraktur elektro-pneumatisch eingerichtet. Glücklicherweise blieb der alte Spieltisch von Hinsz erhalten.
  • Im Zuge der Kirchensanierung wurde die Orgel 1971 ausgelagert und unter Beratung des Orgelexperten Cornelius H. Edskes ein Konzept für die Orgelrestaurierung entworfen. Der Zustand von 1740 sollte zum Ausgangspunkt der Restaurierung genommen, allerdings einige spätere Register beibehalten werden, die sich in den gewachsenen Zustand einfügten.
  • Der führende Orgelrestaurator Jürgen Ahrend wurde mit der schwierigen Aufgabe betraut und führte diese in zwei Schritten erfolgreich durch: 1976-77 wurden Gehäuse, Rückpositiv und Oberwerk, 1983-84 Hauptwerk und Pedal restauriert bzw. rekonstruiert. Die Instandsetzung des Principal 32′ geschah direkt vor Ort.

Disposition seit 1984

I Rückpositiv C–c3
Praestant 8′ F
Quintadena 16′ D/F
Bourdon 8′ U/F
Roerfluit 8′ F
Octaaf 4′ A
Speelfluit 4' A
Gedektquint 3′ F
Nasard 3′ A
Octaaf 2′ F
Fluit 2′ D/U/F
Sesquialtera II 11/3 A
Mixtuur IV-VI 1′ F/A
Cimbel III 1/5 A
Basson 16′ A
Schalmei 8′ A
Hobo 8′ H/A
II Hauptwerk C–c3
Praestant 16′ D/U
Octaaf 8′ D/U/JH
Salicet 8′ L
Quintadena 8' U/V
Gedekt 8′ JH
Octaaf 4′ F
Gedektfluit 4′ L
Octaaf 2′ A
Vlakfluit 2′ L
Tertiaan III 4/5 A
Mixtuur IV-VI 2/3 S/A
Scherp IV A
Trompet 8′ S
Viola da Gamba 8′ A
III Oberwerk C–c3
Praestant I-III 8′ U/JH/S
Holfluit 8′ M
Octaaf 4′ U/JH
Nasard 3′ S/A
Sesquialtera II 11/3 A
Mixtuur IV-VI 11/3 A
Trompet 16′ A
Vox Humana 8′ A
Pedal CD–d1
Praestant 32′ S
Praestant (HW) 16′
Subbas 16′ A
Octaaf 8′ D/U/S
Gedekt 8′ H
Roerquint 6′ O
Octaaf 4′ U
Octaaf 2′ A
Nachthoorn 2′ H
Mixtuur IV 11/3 A
Bazuin 16′ S
Dulciaan 16′ A
Trompet 8′ S
Cornet 4′ S
Cornet 2′ A

Orgelbauer:

D = Unbekannt (Johan ten Damme?) (1482)
U = Unbekannt (1542)
M = Andreas de Mare (1564)
V = Anthoni und Adam Verbeeck (1627)
JH = Jan Helmman (1685)
S = Arp Schnitger (1692)
F = Frans Caspar Schnitger/Albertus Anthonius Hinsz (1729)
H = Albertus Anthonius Hinsz (1740)
L = Nicolaus Anthony Lohman (1808/16)
O = Petrus van Oeckelen (1855)
A = Jürgen Ahrend (1976-77, 1983-84)

Technische Daten

  • 52 Register (53, wenn man die Transmission im Pedal hinzuzählt)
  • 3.500 Pfeifen
  • Traktur:
    • Tontraktur: Mechanisch
    • Registertraktur: Mechanisch
  • Windversorgung:
    • 85 mmWS Winddruck
  • Stimmung:
    • Höhe a1= 465 Hz
    • Temperatur nach Neidhardt I

Literatur

  • 40 Jahre Orgelbau Jürgen Ahrend 1954-1994. Hrsg. Günter Lade. Selbstverlag, Leer-Loga 1994.
  • Arie Bouman: De orgels in de groote of Martinikerk te Groningen. H. J. Paris, Amsterdam 1941.
  • Cornelius H. Edskes: Het orgel van de Martinikerk te Groningen. In: Het Orgel, Jg. 81, Nr. 6, 1985, S. 282–286.
  • Gustav Fock: Arp Schnitger und seine Schule. Ein Beitrag zur Geschichte des Orgelbaues im Nord- und Ostseeküstengebiet. Bärenreiter, Kassel 1974, ISBN 3-7618-0261-7.
  • Maarten A. Vente: Die Brabanter Orgel. Zur Geschichte der Orgelkunst in Belgien und Holland im Zeitalter der Gotik und der Renaissance. H. J. Paris, Amsterdam 1963.
  • Bert Wisgerhof: Die Orgel der Martinikirche in Groningen. In: Ars organi. Jg. 33, Nr. 1, 1985.

Diskografie

Weblinks

53.2191666666676.56833333333337Koordinaten: 53° 13′ 9″ N, 6° 34′ 6″ O


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