Orientierungsstörung

Orientierungsstörung

Orientierung ist allgemein der Begriff für die Ausrichtung in einem Bezugsrahmen.

Inhaltsverzeichnis

Wortherkunft

Das Wort Orientierung ist in der Bedeutung „Ausrichtung, Kenntnis von Weg und Gelände, geistige Einstellung“ im Deutschen seit dem 19. Jahrhundert belegt.

Das zugrundeliegende Verb orientieren wurde bereits im 18. Jahrhundert aus dem französischen orienter entlehnt und geht auf das lat. oriens (Sonnenaufgang, siehe Orient) zurück, also die (Aus)Richtung nach Osten. [1]
Bis spät ins Mittelalter hinein wurden die Karten der Seefahrer nach Osten, nach dem "Orient", ausgerichtet. Der Begriff Orientierung wird heute im Sinne einer „Ortsbestimmung“ [2] in unterschiedlichen Sachzusammenhängen verwendet. Für sein weites Bedeutungsspektrum spielt die Schrift Was heißt: sich im Denken orientieren? (1786) von Immanuel Kant eine zentrale Rolle.[3]

Physikalische Ausrichtung in Bezugssystem

Allgemein ist die Orientierung – die Beschreibung der Lage – neben dem Ort der zweite Hauptfaktor im Bezugssystem.

Bei der Orientierung (Mathematik) innerhalb der Mathematik werden die Begriffe rechts und links (in der Ebene) sowie Rechtsschraubung und Linksschraubung (im Raum) mathematisch definiert.

In der Architektur versteht man unter Orientierung (Architektur) die Ausrichtung eines Baukörpers nach den Himmelsrichtungen und damit vor allem der Sonne, aber auch die Ausrichtung auf einem Grundstück im Verhältnis zur Umgebung. Ostung meint in diesem Zusammenhang die Ausrichtung nach Osten, insbesondere bei Sakralbauten.

Bei einer photogrammetrischen Bildaufnahme beschreiben die Daten der Orientierung die Lage des Projektionszentrums der Kamera relativ zur Bildebene (innere Orientierung) sowie die Lage des Projektionszentrums und der Aufnahmerichtung relativ zum Aufnahmeobjekt (äußere Orientierung). Bei der Rekonstruktion der Lage zweier Bilder während der Aufnahme eines Objektes unterscheidet man zwischen relativer und absoluter Orientierung.

Kognitive Fähigkeit: Orientierungsstörung, Desorientiertheit

In der Medizin und der Allgemeinen Psychologie gilt die Orientierung (mental) als die kognitive Fähigkeit, sich bezüglich Zeit, Ort, Situation und der eigenen Person (autopsychische Orientierung) zurechtzufinden. Als Voraussetzungen für eine normgerechte Orientierung gelten ein ungestörtes Bewusstsein, eine leistungsfähige Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Zeitsinn und Gedächtnis.[4]

Eine inkonstante Orientierung wird auch als Orientierungsstörung bezeichnet, eine fehlende Orientierung als Desorientiertheit. Sie betreffen zunächst vorrangig die zeitliche, dann die situative und örtliche, schließlich die autopsychische Orientierung. Orientierungsstörungen finden sich beispielsweise im Zusammenhang mit Bewusstseinsstörungen, Gedächtnisstörungen, Psychosen, organischem Psychosyndrom, Demenz oder Wahrnehmungsstörungen[4] (ICD-10-Code R41 - Sonstige Symptome, die das Erkennungsvermögen und das Bewusstsein betreffen). Schwere Orientierungsstörung wie Schlafwandeln und andere psychogene Orientierungsstörung werden dem Symptomkomlex F44 Dissoziative Störungen (Konversionsstörungen) zugerechnet. Desorientiertheit tritt auch als Akute vorübergehende psychotische Störung (ICD-10 F23) oder als Reaktion auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen (F43) auf.

Psychologisch-pädagogische Aspekte

Unter dem Begriff Orientierungsverhalten werden in der Verhaltensbiologie die Mechanismen zusammengefasst, mit deren Hilfe sich Tiere mit ihrer Umwelt auseinandersetzen.

In der Psychologie (und Pädagogik) bezeichnet die Orientierung auch die Verarbeitung von Reizen (Wahrnehmung) zu einer abschließenden Bewertung (abgeschlossener Orientierungsprozess), die wiederum die Wahl von angemessenen Varianten des Verhaltens als bestmögliche oder geeignete Reaktion ermöglicht. Man spricht auch von der pädagogischen Orientierung; das ist die Art und Weise, wie man Erziehungswirklichkeit wahrnimmt, sie interpretiert und welche Konsequenzen für Handlungen man daraus ableitet, vergl. hierzu Orientierung (mental). Eine pädagogische Orientierung beinhaltet ebenfalls den Aspekt der Schwerpunkte erzieherischen Arbeitens und Argumentierens. Diese Schwerpunkte hängen in der Regel mit Norm- oder Wertvorstellungen zusammen, die ein Erziehender im Laufe seiner Sozialisation gebildet hat. Gelegentlich natürlich auch mit den Einflussfaktoren einer Situation; Stress-Situationen haben einen anderen Einfluss als entspannte. Erziehende mit unterschiedlichen Orientierungen handeln auch unterschiedlich oder setzen unterschiedliche Schwerpunkte ihrer Arbeit. Es geht selten darum, ob eine pädagogische Orientierung richtig oder falsch genannt werden kann, sieht man von extremen Konstellationen wie Prügelstrafe, Kindesmisshandlung usw. ab. Meist diskutiert man über Unterschiede in der Setzung von Schwerpunkten; die Bewertung von unterschiedlichen Schwerpunkten ist eine Tätigkeit gesellschaftlicher Relevanz und hängt zusammen mit sozialen und individuellen Normen und Werten. Träger von Erziehungsinstitutionen favorisieren meist bestimmte pädagogische Orientierungen. Das kann dazu führen, dass diese bei der Einstellung neuer Mitarbeiter eine Rolle spielen. Erziehende, die nicht die gefragten Orientierungen aufweisen, sind weniger als potentielle Mitarbeiter gefragt.

Daneben spricht man von sexueller Orientierung (F66 - Psychische und Verhaltensstörungen in Verbindung mit der sexuellen Entwicklung und Orientierung). Sie beschreibt z. B., auf welches Geschlecht das nachhaltige Interesse einer Person bei der Partnerwahl gerichtet ist.

Siehe auch

Einzelnachweise und Fußnoten

  1. nach Duden «Etymologie» – Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache, 2. Auflage, Dudenverlag, 1989
  2. Mackensen - Großes Deutsches Wörterbuch, 1977
  3. vgl. die Definition in Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm 16 Bde. [in 32 Teilbänden]. Leipzig: S. Hirzel 1854-1960
  4. a b Pschyrembel, Medizinisches Wörterbuch, 257. Auflage, 1993

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