Original antigenic sin

Original antigenic sin

Die Antigenerbsünde (eng.: original antigenic sin) bezeichnet ein Phänomen der antiviralen Immunantwort. Kommen Individuen, die zuvor schon einmal mit einer Virusvariante infiziert wurden, mit einer zweiten Variante diese Virus in Kontakt, so besteht eine starke Tendenz des Immunsystems, Antikörper nur gegen solche Epitope zu bilden, die schon auf der ursprünglichen Variante des Virus vorhanden waren.

Inhaltsverzeichnis

Beispiel

Infiziert sich z. B. ein zweijähriges Kind erstmals mit einem Influenza-Virus, wird sein Immunsystem versuchen, Antikörper gegen alle Epitope der Virusproteine (insb. Antigene der Virusoberfläche) zu erzeugen. Infiziert sich dieselbe Person Jahre oder sogar Jahrzehnte später erneut mit einer Variante des Influenza-Virus, so wird die Immunantwort präferenziell gegen diejenigen Epitope gerichtet sein, welche in beiden Virusvarianten vorkommen. Dagegen werden neue Epitope, selbst wenn diese hochimmunogen sind, wenn überhaupt eine sehr viel schwächere Antikörper-Reaktion hervorrufen (zur Illustration siehe Abb. im Janeway).

Physiologische Grundlagen

Auf zellulärer Ebene spielt sich – nach heutigem Kenntnisstand – folgendes Szenario ab: Während einer Primärinfektion gehen aus bestimmten aktivierten B-Zellen langlebige Gedächtniszellen (Memoryzellen) hervor, welche im Körper zum Schutz vor nachfolgenden Infektionen verbleiben („immunologisches Gedächtnis“). Diese Gedächtniszellen sprechen auf bestimmte Epitope viraler Proteine an und produzieren gegen diese Antigen-spezifische Antikörper.

Es ist nun möglich, dass die immunitätsbildenden Oberflächenstrukturen (Antigene) bestimmter Viren (z. B. Influenzaviren oder HI-Viren) in der Zeit zwischen einer Primärinfektion und einer nachfolgenden sekundären Infektion Veränderungen erfahren (Antigendrift). Wenn dies geschieht, kann das veränderte Virus weiterhin Epitope aufweisen, die in der Lage sind Gedächtnis-B-Zellen zu aktivieren und eine Antikörperproduktion hervorzurufen.

Die von diesen B-Lymphozyten produzierten Antikörper werden aber mit hoher Wahrscheinlichkeit an die veränderten (mutierten) Epitope des neuen Virus mit sehr viel geringerer Effizienz (Affinität) binden. Zudem scheinen die schon vorhandenen, gegen das initiale Virus gerichteten Antikörper die Immunantworten naiver B-Zellen, die eine Spezifität für die auf Virusvarianten vorhandenen neuen Epitope haben, zu unterdrücken (das ist die eigentliche „Antigenerbsünde“ ).

Man nimmt an, dass diese naiven B-Zellen aktiv in ihrer Entfaltung gehemmt werden, sodass keine Antikörper gegen die neuen Determinanten gebildet werden können. Dies kann in Folge zu einer Abschwächung der Immunantwort und einer langwierigeren Krankheitsphase führen, da eine möglicherweise effektivere Antwort (gegen neue Epitope) unterbleibt.

Dennoch kann dieses Reaktionsmuster sinnvoll und nützlich sein, da Gedächtnis-B-Zellen als Teil des immunologischen Gedächtnisses sehr viel schneller und effizienter auf die erneute virale Attacke reagieren können als naive B-Zellen, die im Gegensatz zu den unverzüglich ansprechenden Gedächtniszellen erst nach einigen Tagen ausreichende Mengen an Antikörper zur Verfügung stellen können. Darüber hinaus steigt bei wiederholtem Kontakt mit einem bekannten Antigen sowohl die Affinität, als auch die Menge der Antikörper an. Dies liegt daran, dass die DNA der B-Zellen nach der Primärantwort der sogenannten somatischen Hypermutation unterliegt, bevor die Zellen zu antikörperbildenden Plasmazellen werden. Weiterhin findet eine Selektion durch Antigene in den Keimzentren statt.

Die Antigenerbsünde kommt nur dann nicht zum tragen, wenn eine zuvor infizierte Person einer neuen Virusvariante ausgesetzt ist, der sämtliche Epitope des ursprünglichen (Influenza-) Virus fehlen. Es existieren keine bereits vorhandenen Antikörper, die an das Virus binden könnten, sodass nun die naiven B-Zellen reagieren können.

Neue Erkenntnisse

Wrammert et. al. konnten zeigen, dass bei jährlichen Aufrischimpfungen mit einem aktuellen Virusstamm, die induzierten Influenza-Virus-spezifischen Antikörper die stärkste Affinität zum dem im Impfstoff enthaltenen Virusstamm zeigten und nicht etwa zur ursprünglichen Variante des Virus, wie es im Falle des Wirkens der Antigenerbsünde zu erwarten wäre. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass die Antigenerbsünde bei normalen, gesunden Erwachsenen, die eine Influenzavakzinierung erhalten, kein übliches Phänomen ist.[1]

Anwendung in der Diagnostik

Das Phänomen der Antigenerbsünde kann in bestimmten Fällen von Nutzen für die serologische Diagnostik von Virusinfektionen sein.

Siehe auch

Erbsünde

Literatur & Quellenangaben

Einzelnachweise

  1. Wrammert et. al. (2008): Rapid cloning of high-affinity human monoclonal antibodies against influenza virus. In: Nature Bd. 453(7195), S. 667-71. Epub 2008 Apr 30. PMID 18449194

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