Ost-Oberschlesien

Ost-Oberschlesien

Als Ostoberschlesien wurde das Gebiet Oberschlesiens bezeichnet, das nach dem Ersten Weltkrieg, z.T. nach einer Volksabstimmung und Aufständen, kraft des Versailler Vertrags vom Deutschen Reich an Polen abgetreten wurde. Es umfasste einen wesentlichen Teil der oberschlesischen Industrie. In ihm lagen unter anderem die Städte und Industriestandorte Kattowitz, Königshütte, Laurahütte, Myslowitz, Ruda, Schwientochlowitz, Tarnowitz und Pless.

Geschichte

Volksabstimmung in Oberschlesien 1921:
durchgezogen = Reichsgrenze von 1918 und oberschlesische Kreise,
gepunktet = niederschlesische Kreise,
lila = Tschechoslowakei einschl. von Deutschland erhaltenem Gebiet,
grün = Polen einschl. von Deutschland ohne Volksabstimmung erhaltenem Gebiet,
gelbgrün = aufgrund der Abstimmung an Polen gekommenes Gebiet,
orange = aufgrund der Abstimmung bei Deutschland gebliebenes Gebiet

Infolge der Aufstände in Oberschlesien, bei der sich zahlreiche polnische Insurgenten in den Truppen Wojciech Korfanty beteiligten, die „nicht in Schlesien beheimatet waren“, beteiligten sich.[1] Dabei begann die Besetzung des Teils Oberschlesiens, der nach Korfantys Vorstellungen an Polen abgetreten werden sollte. Am 20. März 1921 wurde ein Plebiszit abgehalten. Dieses erbrachte für das Abstimmungsgebiet insgesamt eine 60%-Mehrheit für Deutschland (Stimmenverhältnis: 700.605 für Deutschland, 479.359 für Polen). Daraufhin wurde das Abstimmungsgebiet durch das Deutsch-polnische Abkommen über Ostschlesien (Genfer Abkommen)[2] vom 15. Mai 1922 im Flächenverhältnis 2 : 1 geteilt. Beim Deutschen Reich verblieb Westoberschlesien, der zwar flächen- und bevölkerungsmäßig größere, vor allem jedoch eher agrarisch strukturierte, dünner besiedelte Teil des Abstimmungsgebiets. Mit Ostoberschlesien ging der Großteil des Oberschlesischen Industriegebietes an Polen. Im abgetretenen Gebiet hatte insgesamt eine 60%-Mehrheit für Polen votiert, wobei viele Städte und Industrieorte, vor allem Kattowitz und Königshütte teils deutliche Mehrheiten für Deutschland aufwiesen.

Durch die neue Grenzziehung wurde das einheitlich gewachsene Oberschlesische Industriegebiet durchschnitten. Die Grenze trennte Hochofenanlagen von ihren weiterverarbeitenden Betrieben und umgekehrt. Von 67 Steinkohlengruben gingen 53 an Polen sowie die Mehrheit der Zinkerzgruben und die gesamte kohlechemische Industrie. Die 22 großen Unternehmen der Montanindustrie waren zur Hälfte durch die Zerreißung ihres Besitzstandes betroffen. Dies betraf vor allem die Oberschlesische Eisenbahnbedarfs-AG und die Oberschlesische Eisenindustrie AG, deren Betriebe nun teilweise im deutschen West-, teilweise im polnischen Ostoberschlesien lagen. Von den rund 3.000 km2 umfassenden ostoberschlesischen Steinkohlenvorkommen gingen 2.200 km2 an Polen. Von geschätzten 80 bis 90 Mio. Tonnen oberschlesischen Kohlevorräten bekam Polen 90%. Von insgesamt acht oberschlesischen Eisenhüttenwerken mit 37 Hochöfen verblieben drei mit 18 Hochöfen bei Deutschland.

Ostoberschlesien bildete im Zwischenkriegspolen zusammen mit dem Teschener Schlesien die Autonome Woiwodschaft Schlesien. Im September 1939 eroberte die Wehrmacht Ostoberschlesien, das dem „Großdeutschen Reich“ angeschlossen wurde und somit wieder in Oberschlesien, bzw. dem Gau Oberschlesien, aufging.

Literatur

  • Erle Bach, Oberschlesien. Vom Sudetenland zur Oberschlesischen Platte, Flechsig 1998, ISBN 3881892184
  • Schriften der Stiftung Haus Oberschlesien / Stiftung Haus Oberschlesien <Ratingen>, Berlin 1990
  • Pelka Daniela, Der deutsch-polnische Sprachkontakt in Oberschlesien am Beispiel der Gegend von Oberglogau, Berlin 2006, ISBN 3-89626-524-5

Einzelnachweise

  1. Hans Roos Geschichte der polnischen Nation 1918-1978, S.91, Kohlhammer, Stuttgart Berlin Köln Mainz 1979
  2. Vgl. Das Genfer Abkommen im Bundesarchiv

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