- Astabiler Multivibrator
-
Ein Multivibrator (auch astabile Kippstufe genannt) ist eine elektronische Schaltung, die sich in zwei Zuständen befinden kann, zwischen denen sie selbstständig oder von außen gesteuert hin und her schaltet.
Der Begriff Multivibrator wird aber oft auch synonym zum allgemeineren Begriff Kippstufe benutzt.
Der (astabile) Multivibrator besteht im Prinzip aus zwei wechselseitig gekoppelten elektronischen Schaltern, die sich gegenseitig umschalten (Mitkopplung). Nach einer frequenzbestimmenden Verzögerungszeit wird immer wieder automatisch ein erneutes gegenseitiges Umschalten ausgelöst, sodass ein periodisches Verhalten entsteht. Damit gehört die Schaltung zu den Relaxationsoszillatoren.
Inhaltsverzeichnis
Astabile Kippstufe (astabiler Multivibrator)
Typische Schaltung mit diskreten Bauelementen
R1 und R2 sind Widerstände, K1 und K2 sind die Kopplungsglieder mit Verzögerungsfunktion, sie können Widerstände oder Kondensatoren sein. Die beiden Zustände des Multivibrators sind:
- S1 eingeschaltet und S2 ausgeschaltet,
- S1 ausgeschaltet und S2 eingeschaltet.
Beide Koppelglieder sind Kondensatoren, die sich je nach Kapazität und der Widerstandsbeschaltung schneller oder langsamer umladen. Somit ist jeder der beiden Zustände nicht stabil und die Schaltung kippt abwechselnd zwischen den beiden Zuständen hin und her. Durch die Größe von R1, K1 und R2, K2 kann man die Zeiten verändern, die die Schaltung jeweils in den beiden Zuständen verbringt. Ist R1 · K1 = R2 · K2, so ist sie in beiden gleich lang.
Die entstehenden nahezu idealen Rechteckschwingungen haben einen hohen Anteil an Oberwellen. Bei dieser Schaltung hängt die erzeugte Frequenz stark von der verwendeten Betriebsspannung ab.
Schaltungsbeschreibung
In der stromlosen Schaltung sind die Transistoren T1 und T2 nicht leitend.
Die Kondensatoren C1 und C2 sind entladen.
Die Platten eines ungeladenen Kondensators haben stets das gleiche Potential.
Mit dem Anlegen der Betriebsspannung Ub fließen über die Widerstände R2 und R3 Ströme in die Basen von T1 und T2. Einer der Transistoren wird ab einem bestimmten Basisstrom zuerst leitend (z. B. T1) und zieht über den kollektorseitig angeschlossenen Kondensator die Basis des anderen Transistors auf Null. T2 sperrt, und die Spannung über T2 springt auf Ub. Dieses Potential findet sich auch auf der anderen Platte von C2 und damit auch an der Basis von T1, der jetzt maximal aufgesteuert und leitend wird.
Die Schaltung befindet sich jetzt in einem klar definierten quasi stabilen Zustand, willkürlich Zustand 1 genannt.
T1 ist durchgeschaltet und T2 sperrt.
C2: In diesem Zustand wird C2 über R4, D2 und die Basis-Emitter-Strecke von T1 recht schnell aufgeladen, da an der rechten kollektorseitigen (an T2) Platte von C2 ca. +Ub anliegt und an der linken Platte (an Basis von T1) ca. +0,7 V. (Die Animation im unteren Bild gibt dieses Verhalten nicht wieder.)
C1: Die Platten von C1 liegen nach dem ersten Kippen auf Null und C1 wird über R2 solange geladen, bis an der rechten Platte (an der Basis von T2) ca. 0,7 V anliegen und T2 leitend wird. Dann springt das Potential am Kollektor von T2 von Ub nach Null und damit auch das Potential von C2 rechts (am Kollektor von T2). Wegen der Aufladung von C2 springt damit das Potential auf der linken Seite von C2 (an der Basis von T1) von zuvor +0,7 V auf ca. –Ub, sodass T1 augenblicklich sperrt. (Die Entladung von C1 über R1 und D1 in die Basis von T2, zusätzlich zum Strom durch R2, sorgt für ein schnelles vollständiges Durchschalten von T2; Mitkopplung.)
Die Schaltung befindet sich jetzt im zweiten quasi stabilen Zustand 2.
T2 ist durchgeschaltet und T1 sperrt.
C1: Die linke Seite von C1 (am Kollektor von T1) liegt nun über R1 und D1 auf etwa +Ub, die rechte Seite an der Basis von T2 auf 0,7 V (typische Basis-Emitter-Spannung von Si-Transistoren). C1 wird daher (ähnlich zuvor C2) über R1, D1 und die Basis von T2 auf nahezu Ub aufgeladen (genauer: abzüglich der T2-Basisspannung von 0,7 V und speziell für die nebenstehende Schaltung mit LED noch abzüglich der LED-Spannung (D2) von etwa 2 V, je nach LED). (Auch dies gibt die Animation nicht wieder)
C2: In diesem Zustand liegt die rechte Seite von C2 etwa auf 0,2 V, die linke Seite liegt zu Beginn auf etwa –Ub, ist aber über den Widerstand R3 mit +Ub verbunden. C2 entlädt sich über R3 langsam (bis die linke Seite ebenfalls auf 0,2 V liegt) und wird umgepolt noch ein wenig geladen, bis die linke Seite auf etwa +0,7 V liegt. Insgesamet dauert es also eine gewisse Zeit, bis die Basis-Emitter-Spannung an T1 von anfangs ca. –Ub den Wert +0,7 V erreicht hat, T1 leitend wird und die Schaltung in den Zustand_1 zurückkippt (mit dem Unterschied zum ersten Kippen, dass C1 nun auf etwa Ub aufgeladen ist).
Die Dauer bis zum Umkippen hängt davon ab, wie schnell sich C2 über R3 entlädt. Die linke Seite von C2 liegt zu Beginn auf etwa –Ub und soll nach +Ub umgeladen werden; der Zustand kippt bei etwa 0 V (genauer 0,7 V), also etwa bei der Hälfte dieses Umladevorgangs. Das Auf-/Ent- oder Umladen eines Kondensators über einen Widerstand erfolgt nach einem exponentiellen Zeitgesetz: . Die Dauer für die Hälfte des Umladens entspricht gerade der Halbwertszeit , siehe auch bei Zeitkonstante.
Die Schaltung kippt ständig zwischen Zustand 1 und Zustand 2 hin und her und heißt deshalb astabil.
Schaltfrequenz des astabilen Multivibrators
Die Schaltfrequenz eine astabilen Multivibrators berechnet sich wie folgt:
dabei gilt
- f ist die Frequenz (in Hertz)
- R2 und R3 sind Widerstands-Werte (in Ohm)
- C1 und C2 sind Kapazitäts-Werte (in Farad)
- T ist die Periodendauer (in diesem Fall die Summe der beiden Phasendauern; in Sekunden)
Schaltung mit integriertem Baustein
Auch die folgende Schaltung erzeugt eine Rechteckspannung, ist aber einfacher aufgebaut als der oben gezeigte Multivibrator und besitzt den Vorteil, dass die Frequenz fast nicht von der Betriebsspannung abhängt. Diese kann im Bereich 0,1 Hz bis 500 kHz liegen und kann mit nur einem einzigen Potentiometer sehr stark variiert werden. Die Funktion des verwendeten Bausteins NE555 lässt sich so beschreiben: Solange die Spannung am Kondensator C kleiner ist als 66 % der Betriebsspannung, wird er über R (Serienschaltung aus Potentiometer und 1-kΩ-Widerstand) aufgeladen. Die Ausgangsspannung an Pin 3 ist während dieser Zeit etwa die Betriebsspannung. Wird dieser 66-%-Wert überschritten, kippt intern ein Flipflop um, die Ausgangsspannung sinkt auf 0 Volt und der Kondensator wird über R entladen. Sobald 33 % der Betriebsspannung unterschritten werden, kippt das Flipflop in die ursprüngliche Position zurück und das Spiel beginnt von vorn. Die Spannung am Kondensator hat annähernd die Form eines Dreiecks, kann aber nur schwach belastet werden.
Mit einem 20-kOhm-Potentiometer lässt sich die erzeugte Frequenz etwa im Verhältnis 1:20 ändern. Eine Verdopplung der Kapazität halbiert die erzeugte Frequenz. Durch eine kleine Änderung der Spannung am Pin 5 (Sollwert: 66 % der Betriebsspannung) kann man die Frequenz elektronisch ändern (Voltage controlled Oscillator). Durch eine Wechselspannung an diesem Anschluss kann man eine Frequenzmodulation erzielen („Kojak-Sirene“).
Anwendungen
- als Signalgenerator zur Erzeugung von Rechteck-Schwingungen: Durch Ändern der zeitbestimmenden Glieder kann die Frequenz und/oder das Tastverhältnis geändert werden.
- in der Telemetrie: Werden für die frequenzbestimmenden Widerstände und Kondensatoren Bauformen verwendet, deren Wert von einer physikalischen Größe abhängt, kann man auf diese Weise Impulsfolgen erzeugen, deren Impulslänge oder Impulspausenlänge von dieser Größe abhängt. Solche Pulse können z. B. auf ein Hochfrequenzsignal aufmoduliert werden, um sie zu senden. Im Empfänger können anhand der Impulsparameter die physikalischen Größen (z. B. Temperatur, Luftdruck) bestimmt werden.
- als Blinkgenerator in Signallampen oder als Tongenerator in Signalhörnern (z. B. piezoelektrische Schallgeber)
Sonderformen
Astabile Kippstufen gibt es auch in Sonderformen, bei denen drei oder mehr aktive Komponenten im Spiel sind (mehrphasige Multivibratoren).
Siehe auch
Weblinks
- http://www.elektronik-kompendium.de/public/schaerer/pvtest.htm - Beispielschaltungen
- Eine Erklärung (Javascript erforderlich)
Wikimedia Foundation.