Pablismus

Pablismus

Pablismus (oder auch Pabloismus) ist die Bezeichnung für eine politische Strömung innerhalb der trotzkistischen Vierten Internationale unter der Führung von Michel Pablo (1911–1996).

Ursprünge

Während des Zweiten Weltkrieges erlebte die europäische trotzkistische Bewegung unter Einwirkung von massenhaften Ermordungen und Verfolgungen durch faschistische Regime und stalinistische Agenten eine erhebliche Dezimierung (diesen Ermordungen fiel schließlich auch Leo Trotzki 1940 zum Opfer). Durch diese Schwächung der europäischen Trotzkisten wurde die Vierte Internationale fast ausschließlich von den amerikanischen Trotzkisten in der Socialist Workers Party dominiert. Nach dem Krieg förderte die SWP die Entwicklung einer neuen Führung um Pablo und Ernest Mandel, der damals unter dem Pseudonym Ernest Germain tätig war, in Konkurrenz mit der Führung der Britischen Revolutionary Communist Party, die nicht unter ihrem Einfluss stand. Pablo wurde zum Sekretär des Internationalen Sekretariats der Vierten Internationale (ISVI) ernannt.

In der damaligen trotzkistischen Bewegung gab es große theoretische Unsicherheit, weil die Vorhersagen, die Trotzki im Übergangsprogramm dargestellt hatte, nicht eingetroffen waren. Vor allem ging die Sowjetunion und der Stalinismus gestärkt aus dem Zweiten Weltkrieg heraus, obwohl Trotzki den Zusammenbruch des Stalinschen Regimes vorhergesagt hatte. Eine heftige Debatte entbrannte über den Klassencharakter der neuen von der UdSSR dominierten Staaten in Osteuropa.

Trotzki hatte dem Stalinismus alle revolutionäre Möglichkeiten abgesprochen, obwohl er noch die UdSSR als Arbeiterstaat bezeichnet hatte. Jetzt entstanden neue Regimes, die strukturell mit dem sowjetischen fast identisch waren. Die Streitfrage lautete: War es dem Stalinismus gelungen, revolutionäre Veränderungen in Osteuropa durchzuführen? Zuerst leugnete die Mehrheit der Vierten Internationale diese Möglichkeit, aber dann nach der Spaltung zwischen Tito und Stalin 1948 kam die Mehrheit zum Schluss, dass die stalinistischen Parteien in Osteuropa „deformierte Arbeiterstaaten“ geschaffen hätten. Diese Bezeichnung wurde auch den neuen unter der Führung von Kommunistischen Parteien entstandenen Regimes in Asien verliehen.

Mit der weiteren Entwicklung der Blockkonfrontation und des Kalten Kriegs, die auch in Korea Anfang der 1950er Jahre heiß entbrannte, kam Pablo zum Schluss, dass ein Dritter Weltkrieg bevorstehe, der zur weltweiten sozialen Revolution über den Umweg von Jahrhunderten von deformierten Arbeiterstaaten entstehen werde (Theorie der „Kriegsrevolution“). Die Rolle der Trotzkisten bestünde darin, sich in die Massenparteien der Arbeiterklasse, vor allem in die Kommunistischen Parteien, zu integrieren und da um die Führerschaft zu kämpfen. Die Führung der SWP schreckte vor dieser Schlussfolgerung zurück, besonders nachdem eine Fraktion in der eigenen Partei um Bert Cochrane anfing, ähnliche Thesen zu benutzen, um für die Auflösung der Partei zu argumentieren.

Spaltung der Vierten Internationale

Zusammen mit Gerry Healys Organisation in Großbritannien und einer Fraktion in der französischen trotzkistischen Organisation, die in Opposition zu Pablo stand, spaltete sich die SWP von der ISVI ab und gründete das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI). Nach der Spaltung blieb die Mehrheit der Vierten Internationale unter der Führung von Pablo und seinen Verbündeten.

Nach der kubanischen Revolution gab es aber ab 1960 eine Annäherung zwischen der Führung der SWP und der ISVI auf der Grundlage der gemeinsamen Analyse der kubanischen Ereignisse. Ein anderer Annäherungespunkt bildete die Bewertung der kolonialen Revolution in der „Dritten Welt“. Bei der Vereinigung zum Vereinigten Sekretariat der Vierten Internationale (VSVI) 1963 wurde Pablo als Hindernis betrachtet; er wurde aus der Führung versetzt und schließlich gründete er die eigene Strömung Tendance marxiste révolutionnaire internationale (Internationale Marxistisch-Revolutionäre Tendenz) außerhalb der Vierten Internationale.

Trotz der Trennung zwischen der VSVI und Pablo Mitte der 1960er Jahre bezeichnen bis zum heutigen Tag viele Kritiker der VSVI die Organisation als „pablistisch“.

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