Papiercomputer (Vester)

Papiercomputer (Vester)

Ein Papiercomputer (unter anderem auch als Vester'sche Einflussmatrix, Vernetzungsmatrix, oder Vernetzungsgitter bekannt) ist ein 1970 von Frederic Vester[1] entwickeltes grafisches Hilfsmittel zur Herstellung von Verbindungen zwischen verschiedenen Begriffen nach vermuteter Ursache-Wirkung-Beziehung. Vester nennt dieses Hilfsmittel später Einflussmatrix. Ziel ist es dabei, zu erarbeiten, welche Einflüsse verändert werden müssen, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen. Ein Anwendungsbeispiel für die Lehrerfortbildung wäre die Fragestellung, welche Faktoren verändert werden müssen, um die Lernmotivation zu erhöhen.

Inhaltsverzeichnis

Die alleinige Urheberschaft von Frederic Vester ist umstritten, die Grundlagen seiner Arbeit gehen aber auf die Cross-Impact-Analyse zurück, die in den 1960er Jahren von der Rand Corporation veröffentlicht wurde, die Hauptautoren waren Theodore Gordon und Olaf Helmer. Im Gegensatz zur RAND Corporation wählte Vester einen deutlich simpleren Namen und nutzt für die Auswertung auch nur einfachste Zahlen.

  Wirkung auf Auswertung
Wirkung von F1 F2 F3 F4 F5 F6 F7 F8 AS V
F1 - 0 0 0 0 0 0 0 0 0
F2 0 - 0 0 0 0 0 0 0 0
F3 0 0 - 0 0 0 0 0 0 0
F4 0 0 0 - 0 0 0 0 0 0
F5 0 0 0 0 - 0 0 0 0 0
F6 0 0 0 0 0 - 0 0 0 0
F7 0 0 0 0 0 0 - 0 0 0
F8 0 0 0 0 0 0 0 - 0 0
PS 0 0 0 0 0 0 0 0
A 0 0 0 0 0 0 0 0
Papiercomputer mit 8 Faktoren
(hier noch ohne Daten)

Aufbau

Angelegt wird er als zweidimensionale Matrix. Dabei werden die einzelnen Positionen sowohl waagerecht als auch senkrecht eingetragen (ähnlich den Entfernungstabellen in Atlanten). Bewertet werden die einzelnen Positionen nach Beeinflussung und Beeinflussbarkeit. Als Werte werden dann Zahlen zwischen null und drei eingetragen. Null steht dabei für Positionen, die sich nicht gegenseitig beeinflussen, drei für solche mit großem Einfluss. Entscheidend für die nachfolgende Auswertung ist es, dass hier die richtigen Faktoren gefunden und benannt werden und auch die richtige Bewertung erhalten.

Auswertung

Die Auswertung selbst ist wiederum recht einfach, da nur addiert (bei Aktiv- und Passivsumme) und multipliziert wird.

Von links nach rechts wird in jeder Zeile die Aktivsumme (AS) gebildet, sie soll angeben, wie stark ein Faktor auf andere Faktoren wirkt.

Von oben nach unten wird in jeder Spalte die Passivsumme (PS) gebildet, die aussagen soll, wie stark ein Faktor von anderen Faktoren beeinflusst wird.

Peter Gomez und Gilbert Probst haben die Methodik 1987 nach Vester ebenfalls angewandt. In Frederic Vesters professionellem Planungs- und Managementwerkzeug „Sensitivitätsmodell Prof.Vester®“ ist die „Einflussmatrix“ einer von neun Schritten bei der umfassenden Systemanalyse nach Vester. Dabei wird in dem Schritt der Einflussmatrix zusätzlich das Produkt P bzw. der Quotient Q aus Aktivsumme und Passivsumme gebildet und in der Rollenverteilung abgebildet. Aktive Elemente zeichnen sich durch einen großen Q-Wert aus, passive Elemente haben einen kleinen Q-Wert. Kritische Elemente haben einen großen P-Wert und träge Elemente einen kleinen P-Wert.

Falko Wilms hat die Methodik 2001 in ein konsistentes Gesamtkonzept des systemorientierten Managements integriert, das aus einer metatheoretischen Verankerung, einem theoretischen Begründungszusammenhang und einer praxisnahen Umsetzung mit konkreten Tools besteht. Darin wurde u. a. die Idee des zunächst Papiercomputer und dann Einflusmatrix genannten Tools anhand der Prioritätenmatrix konsequent weitergeführt.

Einsatz und Anwendung

Der Papiercomputer kann von einer einzelnen Person oder auch in Gruppen angewendet werden. In Gruppen wird der Zeitaufwand deutlich größer. Angesetzt werden Zeiten ab einer Stunde für eine Person mit einer einfachen Aufgabenstellung bis zu mehrtägigen Durchläufen bei komplexen Themen in Gruppen.

In Seminaren, Symposien und Workshops, bei Fortbildungen und Coachings wird die Methode zunehmend eingesetzt, da sie einfach auf Flipcharts durchgeführt werden kann.

Zwar erfolgen die Anwendungen aufgrund als plausibel eingeschätzer Werte im Wertebereich von 0, 1, 2 und 3. Aber wie bei allen Rating-Skalen mit mindestens vier unterscheidbaren Werten gilt die These, dass die Anwender implizit von einer Intervallskalierung ausgehen.[2] Bejaht man diese These, dann kann man die in einen ausfgefüllten Papiercomputer angegebenen Werte als intervallskaliert interpretieren und in einem weiteren Schritt auch quantitative Verfahren einsetzen.

Nach dem Prinzip des Papiercomputers funktioniert auch das 1980 von Frederic Vester entworfene Spiel Ökolopoly und dessen Nachfolger, das multimediale Simulationsspiel „ecopolicy®“.

Literatur

  • Vester, Frederic: Die Kunst vernetzt zu denken. dtv, 6. Aufl. 2007
  • Vester, Frederic: Ballungsgebiete in der Krise. 1976
  • Ossimitz, Günther: Materialien zur Systemdynamik. 1990
  • Ossimitz, Günther; Lapp, Christian: Das Metanoia-Prinzip. Eine Einführung in systemgerechtes Denken und Handeln. 2006
  • Gomez, P.; Probst, G.: Vernetztes Denken im Management. Eine Methodik des gesamheitlichen Problemlösens. 1987, in Die Orientierung
  • Wilms, F. E. P.: Systemorientiertes Management. 2001, ISBN 3-8006-2389-7.
  • Ninck, A. et al.: Systemik – Vernetztes Denken in komplexen Situationen. Verlag Industrielle Organisation, 4. Aufl. 2004
  • Mayer, Horst O.: Interview und schriftliche Befragung, 5. überarb. u. erw. Aufl., Oldenbourg Verlag, München/Wien 2009, ISBN 978-3-486-59070-8.

Einzelnachweise

  1. Vester, Frederic: Die Kunst vernetzt zu denken, 1970, S. 165
  2. Mayer, Horst O.: Interview und schriftliche Befragung, 5. überarb. u. erw. Aufl., Oldenbourg Verlag, München/Wien 2009, S. 83

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