- Paralever
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Der Paralever sorgt bei neueren BMW-Motorrädern mit Kardanantrieb dafür, dass die störenden Reaktionskräfte des Kardanantriebs gemindert werden.
Inhaltsverzeichnis
Kardan-Reaktionskräfte
Die längs angeordnete Kardanwelle benötigt eine Umlenkung des Antriebs-Drehmomentes um neunzig Grad, um das quer angeordnete Hinterrad anzutreiben. Diese Umlenkung geschieht durch ein Kegelradgetriebe am Hinterrad, bestehend aus Gehäuse, Ritzel an der Kardanwelle und Tellerrad zum Antrieb des Hinterrades.
Bei sehr vielen Kardan-Motorrädern befindet sich das Tellerrad des Kegelradgetriebes innen zum Rad, siehe Skizze. Bei BMW-Motorrädern ist dies seit 1995 der Fall; ältere BMWs hatten das Tellerrad noch außen.
Das Beschleunigen des Motorrades führt bei dieser Bauweise der Kraftübertragung zum Anheben des Hecks. Der Grund: Ein mehr oder minder starkes „Aufklettern“ der Kardanwelle mittels des Ritzels auf dem Tellerrad.
Beim Gaswegnehmen sinkt die Maschine hinten ab. In Kurven kann dies zum Aufsetzen der seitlich angeordneten Teile (Zylinderköpfe, Fußrasten) auf die Straße und, bei mangelnder Übung, auch zum Sturz führen.
Dieses besonders den BMWs eigene Verhalten, das durch komfortable, lange Federwege mit weicher Federung verstärkt wurde, führte zu Hinweisen in Büchern und Zeitschriftenartikeln, in Kurven für noch mehr Seitenneigung besser noch leicht zu beschleunigen, um am Kardan quasi „kletternd“ die sonst aufsetzenden Teile des Motorrads etwas anzuheben - aber in jedem Falle ein Gaswegnehmen in engen Kurven "aus Angst" unbedingt zu vermeiden.
Konzept eines Kräfte-Parallelogramms
Das Konzept einer 'winkelkonstanten' Hinterradaufhängung in Zusammenhang mit einem Kardanantrieb und zwei Kreuzgelenken wurde schon 1909 bei einer Wilkinson TMC verwendet.[1]
Der Paralever vermeidet größtenteils diese - für BMW-Motorrad-Neulinge sonst äußerst gewöhnungsbedürftigen - Fahrwerksreaktionen: Die hebenden Kräfte sind in der Art eines Parallelogramms mittels der zusätzlichen Strebe nahezu aufgefangen. Die Strebe vermeidet somit das "Aufklettern" des Ritzels auf dem Tellerrad.
Konkurrenz-Konstruktionen
Eine ähnliche, jedoch einfachere Konstruktion führte auch der italienische Konkurrent Moto Guzzi ein: wie bei BMW eine zusätzliche Strebe zum Kraftausgleich in einem Parallelogramm, jedoch ohne Knickgelenk. Die Strebe verhindert das Anheben des Kardanrohres als Reaktion auf die beim Beschleunigen entstehende Umfangskraft des Ritzels. Das komplexe Knickgelenk ist eine Komplikation, manche bezeichnen es auch als "over engineered" - als Ergebnis idealisierter Kräfte-Rechnungen, die in der Fahrzeug-Längsrichtung einen kürzeren Gelenkabstand ergibt als den Abstand vom Schwingendrehpunkt bis zur Hinterradachse. Um das Knickgelenk stabil zu führen, sind ein breites und somit schweres Rohr sowie eine zusätzliche, stabile Lagerung erforderlich.
Gelenk-Probleme
Mit dem hinteren Kardanwellen-Knickgelenk zeigten sich bei BMW-Motorrädern in den ersten Jahren nach der Einführung teils Schäden: Erste Exemplare fielen teils schon frühzeitig aus, manchmal nach nur 30.000 Kilometern, mit schweren Gelenkschäden bis hin zu Wellenbrüchen. Die Kardanwellen der Paralever-BMWs liefen wieder, wie vor 1955, trocken und nicht wie bisher in einem Ölbad. Die modernere Paralever-Konstruktion der zweiten Generation, mit Schiebegelenk und aus der Kardanmitte verlegtem Drehpunkt, erwies sich dagegen als zuverlässiger.
Siehe auch: Gummikuh
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Hugo Wilson: Das Lexikon vom Motorrad, S.197, MotorBuchVerlag, ISBN 3-613-01719-9
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