Pedanios

Pedanios
Autorenbild des Dioscurides aus dem Kodex Medicina Antiqua (um 1250) fol. 133 recto
Linke Titelblattseite einer arabischen Abschrift der de materia medica

Pedanios Dioscurides (Πεδανιός Διοσκουρίδης) aus Anazarba in Kilikien (Kleinasien) (1. Jahrhundert) war ein griechischer Arzt, der als Militärarzt unter den Kaisern Claudius und Nero im römischen Dienst stand. Er ist der berühmteste Pharmakologe des Altertums.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ausgebildet wohl in Tarsos, dem bedeutendsten Zentrum botanisch-pharmakologischen Forschung im römischen Reich und weitgereist, verfasste er als Praktiker aufgrund von Autopsie und unter Heranziehung umfangreicher älterer Literatur in griechischer Sprache sein Hauptwerk, PERÍ HÝLES IATRIKÉS (lat. De materia medica) in fünf Büchern, eine Arzneimittellehre, die bereits Galenus (129-199) nach Vollständigkeit und Gründlichkeit als maßgebliches Handbuch anerkannte. Das zweite unter dem Namen Dioscurides überlieferte Werk, PERÍ HAPLÔN PHARMÁKÔN (Über die einfachen Heilmittel) wird nun meist als echt betrachtet; weitere unter Dioscurides’ Namen firmierende Texte verdienen eine eingehendere Prüfung auf ihre Echtheit.

Die Materia Medica, die ca. 1.000 Arzneimittel umfasst (813 pflanzlichen, 101 tierischen, 102 mineralischen Ursprungs) und 4.740 medizinische Anwendungen bietet, gliedert sich in fünf Hauptteile:

  1. Genussmittel und pflanzliche Nahrungsmittel
  2. tierische Stoffe
  3. unmittelbare Arzneistoffe
  4. Getränke (Weine)
  5. Mineralien.

Anders als die zuvor übliche alphabetisch oder nach äußerlichen Merkmalen geordnete Behandlung des gesamten Arzneistoffs verwendet Dioscurides erstmals eine Systematik nach der qualitativen Verwandtschaft, der medizinischen Wirksamkeit der einzelnen Arzneimittel (wobei auch Magisches nicht fehlt). Vorbildcharakter für spätere Kräuterbücher bis in die frühe Neuzeit hatte mehr noch Dioscurides’ Methode der Pflanzenbeschreibung: der Name der Pflanze und Synonyme, Herkunft, botanische Beschreibung, medizinische Eigenschaften, Zubereitung und Anwendung, gegebenenfalls auch Hinweise auf Lagerung, Aufdeckung von Fälschungen usw. Bereits die älteste und wichtigste überlieferte Dioscurides-Handschrift, der prachtvoll illustrierte „Wiener Dioskurides“ (Cod.med.gr.1, ÖNB) von 512/3 n. Chr., bietet zudem (ebenso wie spätere Handschriften) kunsthistorisch wichtige Abbildungen der besprochenen Heilpflanzen. Strittig ist aber, ob Dioscurides selbst seinem Werk schon Illustrationen beigab, ein Verfahren, das auf Krateuas (ca. 100 v. Chr.) - neben Sextius Niger (ca. 30 n. Chr.), Hauptquelle von Dioscurides - zurückgeht und den Erfolg des Dioscurides in Mittelalter und Renaissance entscheidend mitbestimmte. Unabhängig davon wirft die moderne Identifikation der von Dioscurides beschriebenen Pflanzen erhebliche Probleme auf.

Die Arzneimittelkunde des Dioscurides, in zahllosen, immer wieder neuen Bearbeitungen, Paraphrasen und Übersetzungen (lateinisch, syrisch, arabisch, englisch, hebräisch, türkisch und mehr) verbreitet, behauptete für über 1.600 Jahre uneingeschränkt ihre autoritative Geltung in Abendland und Orient auf dem Gebiet der Pharmazie, der Pflanzen- und Drogenkunde und ist als eines der einflussreichsten Werke in der Geschichte der Medizin und Pharmakologie überhaupt zu betrachten. Der Aufstieg der organischen Chemie im 19. Jahrhundert verdrängte seine Nutzung auch aus der Alltagspraxis von Kräuterkunde, pharmazeutischer Herstellung und Anwendung.

Ehrentaxon

Charles Plumier benannte ihm zu Ehren die Gattung Dioscorea[1] der Pflanzenfamilie der Yamswurzelgewächse (Dioscoreaceae). Linné übernahm später diesen Namen.[2]

Literatur

  • Baumann, Felix Andreas, Das Erbario Carrarese und die Bildtradition des Tractatus de herbis. Ein Beitrag zur Geschichte der Pflanzendarstellung im Übergang von Spätmittelalter zu Frührenaissance. (Berner Schriften zur Kunst 12) Bern: Benteli 1972.

Text

  • Pedanii Dioscuridis Anazarbei De materia medica, ed. M. Wellmann, 3 Bde, Berlin 1906/14 (ND 1958);

Faksimile/Kommentar

  • Der Wiener Dioskurides. Codex [palatinus] Vindobonensis medicus graecus 1 [Juliana-Anicia-Kodex], hrsg. von Hans Gerstinger, I: Faksimile, II: Kommentarband, Graz 1970 (= Codices selecti, 12)
  • Otto Mazal: Pflanzen - Wurzeln - Säfte - Samen. Antike Heilkunst in Miniaturen des Wiener Dioskurides, Graz 1981

Übersetzung

  • Des Pedanios Dioskurides aus Anazarbos Arzneimittellehre in fünf Büchern, übersetzt und mit Erklärungen versehen von J[ulius] Berendes, Stuttgart 1902, Neudrucke München 1970 sowie Vaduz/Liechtenstein 1983 und 1987
  • Jutta Kollesch und Diethard Nickel: Antike Heilkunst - Ausgewählte Texte, 1994 Philipp Reclam jun., Stuttgart, ISBN 978-3-15-009305-4

Sekundärliteratur

  • C.E. Dubler: La 'Materia Medica' de Dioscórides. Transmisión medieval y renacentista, 6 Bde, ¨¨¨ 1952/59;
  • J.M. Riddle: Dioscurides, in: F.E. Kranz (ed.), Catalogus Translationum et Commentariorum, Washington 1980, IV: 1-143;
  • M.M. Sadek: The Arabic Materia Medica of Dioscorides, 1983;
  • J.M. Riddle: Dioscorides on Pharmacy and Medicine, Austin 1985;
  • F. Daxecker: Heilpflanzen bei Augenerkrankungen im Wiener Dioskurides (Codex Constantinopolitanus, Codex Julianae Anikiae), Mitteilungen der Julius-Hirschberg-Gesellschaft zur Geschichte der Augenheilkunde, Bd. 5, 2003, S. 9-17 (2006);
  • F. Daxecker: Medicinal Herbs in the Viennese Dioscurides, Klin Mbl Augenheilkunde 2007; 224: 611-612.
  • F. Daxecker: Heilpflanzen der Augenheilkunde in der Handschrift Macer floridus und ein Vergleich mit De Materia medica des Dioskurides, Codex medicina antiqua und Wiener Dioskurides, Klin Mbl Augenheilk 2008; 225: 308-311.

Einzelnachweise

  1. Charles Plumier: Nova Plantarum Americanarum Genera. Leiden 1703, S. 9
  2. Carl von Linné: Genera Plantarum. Leiden 1742, S. 479

Weblinks


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