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Gemeiner Wirbeldost Gemeiner Wirbeldost (Clinopodium vulgare)
Systematik Euasteriden I Ordnung: Lippenblütlerartige (Lamiales) Familie: Lippenblütler (Lamiaceae) Unterfamilie: Nepetoideae Gattung: Wirbeldost (Clinopodium) Art: Gemeiner Wirbeldost Wissenschaftlicher Name Clinopodium vulgare L., 1753 Der Gemeine Wirbeldost (Clinopodium vulgare [=Calamintha clinopodium]; früher Satureja vulgaris (L.) Fritsch) ist eine Pflanzenart der Gattung Wirbeldost in der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae).
Inhaltsverzeichnis
Merkmale
Die ausdauernde Pflanze wird zwischen (20) 30 und 60 cm hoch. Sie hat einen holzigen Wurzelstock, von dem Ausläufer ausgehen. Der aufsteigende Stängel ist mehr oder minder ästig und abstehend behaart. Die Blätter sind kreuzgegenständig, kurz gestielt, eiförmig und schwach gekerbt bis ganzrandig. Die 1-4 Scheinquirle werden von einer Hülle umgeben, die aus lang-bewimperten borstigen Blättern besteht und von den tragenden Laubblättern überragt wird. Die Blüten sind zu 10-20 in dichten Scheinquirlen zusammengefasst. Die purpurnen (bzw. gelegentlich weißen) Kronblätter sind 10-15 mm lang, außen flaumig behaart, mit leicht gekrümmter Röhre. Die kastanienbraunen Nüsschen sind kugelig und ca. 1 mm lang. Die Pflanze blüht von Juli bis Oktober[1]. Meist blühen nur wenige Blüten eines Quirls gleichzeitig. Der Wirbeldost ist schwach aromatisch.
Verwechslungsmöglichkeit
Nichtblühende Pflanzen ähneln dem Oregano [2]. Im Unterschied zum Origano (Origanum vulgare) sind beim Wirbeldost die Laubblätter unterseitig nicht punktiert.
Unterarten
Der Gemeine Wirbeldost kommt in zwei Unterarten vor:
- Clinopodium vulgare L. subsp. vulgare
- Clinopodium vulgare L. subsp. arundanum (Boiss.) Nyman
Die in Südeuropa vorkommende Unterart C. vulgare ssp. arundanum unterscheidet sich von der Nominatform durch die dichteren Zymen und einen längeren Kelch. Während der Kelch bei ssp. vulgare 7-9,5 mm lang ist, wobei die unteren Kelchzähne eine Länge von 2-4 mm, die oberen Kelchzähne eine Länge von 1,5-2,5 mm haben, hat der Kelch bei der Unterart arundanum eine Länge von 9,5-12 mm, und die unteren Kelchzähne eine Länge von 4-5,5 (-7) mm, die oberen Kelchzähne sind 2,5-4 mm lang[3].
Die Chromosomenzahl beider Unterarten beträgt 2n=20.
Ökologie
Der Gewöhnliche Wirbeldost ist ein Hemikryptophyt (Schaftpflanze). Die Blüten sind „Eigentliche Lippenblüten und stehen in vielblütigen Scheinquirlen (Zymen) in den Blattachseln. Ihre Narben und Staubbeutel sind nur von oben bedeckt. Nektar ist reichlich vorhanden, aber wegen der langen Kronröhre ist er nur Hummeln der Gattung Bombus und Schmetterlingen zugänglich; auch Selbstbestäubung ist erfolgreich. Neben Zwitterblüten kommen auch kleinere weibliche Blüten vor oder auch rein weibliche Pflanzen. Blütezeit ist von Juli bis Oktober. Die Früchte sind Klausen, die als Windstreuer und Klebhafter verbreitet werden.
Vorkommen
Der Gemeine Wirbeldost kommt in ganz Europa (in Norwegen bis zum 66. Breitengrad), in Nordafrika, im gemäßigten Asien sowie in Nordamerika vor. Nach Hegi[4] hängt die zirkumpolare Verbreitung dieser Art mit ihren geringen Standortansprüchen und ihrem starken vegetativen Ausbreitungsvermögen zusammen.
Der Wirbeldost wächst in Staudenfluren und an Säumen trockener Standorte (Klasse Trifolio-Geranietea sanguinei [5] vom Meeresniveau bis in die montane Höhenstufe (Wallis 2000 m, Türkei 2500 m Seehöhe)[4][6].
Geschichte und Etymologie
Eine Pflanze Clinopodium wird bereits im 1. Jahrhundert nach Christus vom römischen Arzt und berühmtesten Pharmakologen des Altertums Pedanios Dioscurides im 99. (109.) Kapitel Περὶ κλινοπόδιου (=Über Clinopodium) des III. Buches beschrieben. Dioscurides schreibt: Das Klinopodium ... hat Blätter ähnlich denen des Quendels und Blüten, die Bettfüßen in gewisser Weise gleichen. ... Das Kraut und die Abkochung davon wird gegen die Bisse giftiger Tiere, gegen Krämpfe, innere Rupturen und Harnzwang genommen. Einige Tage hindurch genommen, befördert es die Monatsblutung, treibt den Embryo hinaus und vertreibt auch gestielte Warzen.. Der Name Clinopodium leitet sich daher von griechisch κλίνη = das Lager, Bett, πούς-ποδός = Fuß ab: die Form der Blüten des Wirbeldostes ähnelt den Knäufen antiker Bettfüße.
Medizinische Verwendung
Der Wirbeldost wird in der Volksmedizin als stopfendes, herzstärkendes, wind- und schweißtreibendes, schleimlösendes Mittel eingesetzt[7]. In der bulgarischen Volksmedizin wurde der Wirbeldost zur Wundheilung verwendet. Opalchenova und Opreshkova[8] untersuchten seine antibakteriellen Wirkungen. Ein anderes bulgarisches Team, Dzhambazov, Daskalova, Monteva und Popov[9] untersuchte die Wirkungen eines Clinopodium vulgare-Extraktes zur Hemmung des Tumorwachstums. Junge Triebe vom Wirbeldost enthalten Betulin[10]. Betulin ist
- antientzündlich
- antibakteriell
- antiviral
- hepatoprotektiv und
- antitumoral.
Damit wird der Wirbeldost zu einer interessanten Heilpflanze.
Wirtspflanze
Die Raupen der Grasminiermotte Stephensia brunnichella [11] leben (nur) am Wirbeldost. Außerdem ist die Wanzenart Eysarcoris melanocephalus [12] auf den Wirbeldost spezialisiert.
Der Wirbeldost wird manchmal vom Pfefferminzrost Puccinia menthae befallen.
Sonstiges
Die frischen oder getrockneten Blätter können als Gewürz Speisen zugegeben werden, sie helfen bei der Verdauung. Die frischen Blätter können Salaten beigefügt werden. Außerdem kann das Kraut als Teerersatz und zur Gewinnung von gelben und braunen Farbstoffen verwendet werden.
Literatur
- David Aeschimann, Konrad Lauber, Daniel Martin Moser, Jean-Paul Theurillat: Flora alpina. Band 2. Haupt Verlag, Bern, Stuttgart, Wien 2004, ISBN 3-258-06600-0.
- Dietmar Aichele / Hans-Werner Schwelger: Die Blütenpflanzen Mitteleuropas, Band 4, Stuttgart 2000
- Pedanios Dioscurides: De materia medica, ed. M. Wellmann, 3 Bde., Berlin 1906/14 (ND 1958).
- Manfred A. Fischer, Karl Oswald, Wolfgang Adler: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol. Dritte Auflage, Land Oberösterreich, Biologiezentrum der OÖ Landesmuseen, Linz 2008, ISBN 978-3-85474-187-9.
- Gustav Hegi: Illustrierte Flora von Mitteleuropa, Band V Teil 4, Zweite Auflage, Carl Hanser Verlag, München 1958, ISBN 3-8263-3383-7.
- Thomas Gaskell Tutin u.a. (Hrsg.): Flora Europaea. Vol. 3: Diapensiaceae to Myoporaceae, Cambridge University Press, Cambridge (UK) 1973, ISBN 0-521-08489-X
- R. Düll/ H. Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands. 7. Auflage, Quelle & Meyer-Verlag, 2011, ISBN 978-3-494-01424-1
Einzelnachweise
- ↑ vgl. Aichele / Schwelger 2000, S. 256f.
- ↑ Manfred A. Fischer, Karl Oswald, Wolfgang Adler: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol. Dritte Auflage, Land Oberösterreich, Biologiezentrum der OÖ Landesmuseen, Linz 2008, ISBN 978-3-85474-187-9, S. 794
- ↑ Flora Europea, Band 3, S. 167.
- ↑ a b siehe Hegi, Band V/4, S. 2297.
- ↑ Flora Alpina, Band 2, S. 142
- ↑ Vorkommen von C. vulgare in der Türkei.
- ↑ Plants for a future: Clinopodium vulgare
- ↑ G. Opralchenova und D. Opreshkova: Antibacterial action of extracts of Clinopodium vulgare L. curative plant. Drug Development and Industrial Pharmacy, Band 25, 1999, S. 323-328, ISSN 0363-9045.
- ↑ B. Dzhambazov, S. Daskalova, A. Monteva und N. Popov: In vitro screening for antitumor activity of Clinopodium vulgare L. (Lamiaceae) Extracts, Biol. Pharm. Bull. Band 25, 2002, S. 499-504.
- ↑ GRIN Datenbank
- ↑ | Grasminiermotte Stephensia brunnichella
- ↑ C.W.Hahn: Die wanzenartigen Insekten. C.H.Zeh’sche Buchhandlung, Nürnberg, Band 2, S. 130, Fig. 211.
Weblinks
Commons: Clinopodium vulgare – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
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