Performativ

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Performativität ist ein Begriff der Sprechakttheorie, der von John Langshaw Austin geprägt wurde und in verschiedenen Zusammenhängen auch verschiedene Deutungen erlebt.

Inhaltsverzeichnis

Sprachphilosophischer Ansatz

Performative Äußerungen sind laut Austin Sätze, mit denen illokutionäre Akte vollzogen werden. Eingehend wird dies von Austin in seiner Vorlesungsreihe zur Sprechakttheorie „How to do things with words“ behandelt.

Beispiele: "Hiermit erkläre ich Euch zu Mann und Frau" (geäußert von einem Pfarrer, um zwei Menschen zu verheiraten, 'explizites' Performativum ) "Ich befehle dir, die Tür zu schließen!" (geäußert, um etwas zu befehlen, 'explizites' Performativum) "Ich warne dich, der Stier kommt!" (geäußert, um jemanden zu warnen, 'explizites' Performativum) "Der Stier kommt." (geäußert, um jemanden zu warnen) "Hau ab!" (geäußert, um jemanden aufzufordern, zu gehen)

Im Gegensatz zu den konstativen Äußerungen, die wahr oder falsch sind und sich darauf beschränken, 'etwas zu sagen', sind performative Äußerungen nicht wahr oder falsch und dienen dazu, etwas zu tun (was über das reine Sagen hinausgeht).

Austins Theorie der illokutionären Akte wurde von John Searle in dessen Sprechakttheorie weiterentwickelt.

Literaturwissenschaftlicher Ansatz

Judith Butler verwendet Austins Begriff in dem ihr eigenen gesellschaftstheoretischen Diskurs: Durch Zeichen und Sprechakte wird diese Identität markiert als weiblich oder männlich. "Der Ausruf der Hebamme „Ein Mädchen!“ ist demnach nicht nur als konstative Feststellung zu verstehen, sondern auch als direktiver Sprechakt: „Werde ein Mädchen!“ Die Performativität der Geschlechter resultiert also aus dem Zusammenspiel von politischen performatives und theatralen performances."

In der Literatur wird der Begriff als Gegenbegriff zur sogenannten écriture, der Schrift, verwendet. Performativität ist an einen Körper gebunden, während die écriture körperlos ist. Performativ steht also im engen Zusammenhang mit dem literarischen Thema "Durchstreichung des Subjekts" oder spezifischer "Der Tod des Autors" bei Roland Barthes.

Kulturwissenschaftlicher Ansatz

Seit 1999 widmet sich der Sonderforschungsbereich der DFG 447 "Kulturen des Performativen" der Untersuchung des Phänomens Performativität aus kulturwissenschaftlicher Sicht. Dabei stehen insbesondere das Verhältnis von Performativität und Textualität sowie die Funktionen und Bedeutungen des Performativen in den großen europäischen Kommunikationsumbrüchen im Mittelalter, in der Frühen Neuzeit und in der Moderne im Zentrum. Der SFB "Kulturen des Performativen", angesiedelt an der Freien Universität Berlin (Sprecherin: Erika Fischer-Lichte, Institut für Theaterwissenschaft), besteht aus zahlreichen interdisziplinär tätigen Teilprojekten und Forschungsschwerpunkten. Beteiligte Fächer sind u.a. Theaterwissenschaft, Philosophie, Erziehungswissenschaften, Soziologie, Deutsche Philologie, Romanische Philologie, Kultur-, Musik- und Filmwissenschaft.

Sonstiges

Der Sprachphilosoph Bruno Liebrucks weist in seinem umfangreichen Werk Sprache und Bewusstsein darauf hin, dass, wer zu einem anderen spricht, auch immer zu sich selbst spricht. Das Sprechen zu anderen kann somit nicht nur performativ auf jene, sondern auch auf den Sprecher selbst wirken. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass der Sprechende durch die Rezeption des Diskurses (durch seine Wortwahl) jenen verinnerlicht und sich zu eigen macht. Der Gelegenheitsphilosoph Günther Anders prägte hierfür in seinen Ketzereien den Satz: Wie man spricht, so wird man.

In der Literatur ist jene Performativität bereits seit Jahrzehnten bekannt. Als Beispiel sei der Roman Stiller von Max Frisch genannt, in dem der Hauptcharakter sich weigert, Ich zu sagen, um sich nicht mit der Rolle, die die anderen Personen durch ihr Verhalten und Anrufen ihm aufzudrücken versuchen, zu identifizieren.

Literatur

  • Austin, John L. (1962): How to Do Things with Words (dt. Zur Theorie der Sprechakte, Stuttgart 1972)
  • Bachmann-Medick, Doris (2009): Performative Turn, in: D.B.-M.: Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, 3. neu bearb. Aufl. Reinbek: Rowohlt, S. 104-143.
  • Butler, Judith (1997): Excitable Speech: A Politics of the Performative (dt. Haß spricht. Zur Politik des Performativen, Berlin 1998)
  • Derrida, Jacques (1988): Signatur Ereignis Kontext, in: Engelmann, Peter (Hg.): Randgänge der Philosophie, Wien 1988
  • Fischer-Lichte, Erika/Wulf, Christoph (Hg., 2001): Theorien des Performativen (Paragrana Bd. 10/1)
  • Fischer-Lichte, Erika (2004): Ästhetik des Performativen, Frankfurt/M.: Suhrkamp.
  • Fischer-Lichte, Erika/Wulf, Christoph (Hg., 2004): Praktiken des Performativen (Paragrana Bd. 13/1)
  • Wirth, Uwe (Hg., 2002): Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften, Frankfurt am Main 2002

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise


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Synonyme:

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