John Langshaw Austin

John Langshaw Austin

John Langshaw Austin (* 26. März 1911 in Lancaster; † 8. Februar 1960 in Oxford) war ein englischer Philosoph und der Begründer der Sprechakttheorie.

Inhaltsverzeichnis

Leben

John Langshaw Austin studierte seit 1924 Klassische Philologie in Shrewsbury. 1929 erhielt er ein Stipendium für das Balliol College der Universität Oxford, wo er sich zunehmend mit griechischer Philosophie beschäftigte, insbesondere mit Aristoteles. Eine Prägung erfuhr Austin auch durch den Moralphilosophen Harold Arthur Prichard. 1933 wurde Austin Fellow am All Souls College und 1935 Tutor am im Magdalen College. Vor dem Zweiten Weltkrieg hielt er Vorlesungen über die Nikomachische Ethik, und er arbeitete zur Philosophie von Platon, Leibniz und Kant. Zwischen 1936 und 1939 führten Austin und Alfred Jules Ayer regelmäßige Diskussionen. Während des Zweiten Weltkriegs diente Austin als Offizier im britischen Geheimdienst.[1]

Nach dem Krieg richtete Austin die Samstag-Vormittag-Seminare ein, in denen u.a. Ludwig Wittgensteins Philosophische Untersuchungen, Gottlob Freges Grundlagen der Arithmetik und Noam Chomskys Syntactic Structures diskutiert wurden. Von 1952 bis zu seinem plötzlichen Tod war Austin White´s Professor für Moralphilosophie an der Universität Oxford[2], dazwischen hatte er von 1958–59 eine Gastprofessur an der University of California, Berkeley.

Austin starb im Alter von 48 Jahren an Lungenkrebs.

Positionen

Begründung der Sprechakttheorie

In How to Do Things with Words (1962) wirft Austin den Verifikationisten und anderen Philosophen vor, dass sie irrtümlicherweise dächten, sprachliche Bedeutung beschränke sich auf Wahrheitsbedingungen. Seine Kritik zielt darauf ab, dass Sprachphilosophen in der Regel übersähen, dass eine Äußerung immer zugleich eine Handlung darstelle. In einer ersten Theorie unterscheidet Austin zunächst zwischen performativen und konstativen Äußerungen. Performative Äußerungen können gelingen oder misslingen, während konstative wahr oder falsch sind. Später verwirft er diese Theorie zugunsten einer Theorie, nach der jede Äußerung simultan drei Dimensionen haben kann:

  1. Lokution - die Äußerung von Worten, die einem Vokabular angehören und einer Grammatik folgen. Auf dieser Ebene kann man die Äußerung auf ihre Wahrheit prüfen.
  2. Illokution - die Rolle der Äußerung, z. B. eine Entschuldigung, ein Befehl oder eine Feststellung.
  3. Perlokution - die unmittelbare Folge der Äußerung, z. B. die Tatsache, dass man ein Versprechen einhalten muss.

Austin behauptet, dass es für illokutionäre Akte Gelingensbedingungen gibt, die für den Vollzug des Aktes bestimmte Vorbedingungen fordern, und die den Vollzug des Aktes mit bestimmten konventionalen Konsequenzen verbinden.

Kritik am Phänomenalismus

In Sense and Sensibilia, der posthum erschienenen Mitschrift einer Vorlesungsreihe, kritisiert Austin detailliert die damals gängige erkenntnistheoretische Theorie der Sinnesdaten (Phänomenalismus), derzufolge nicht materielle Gegenstände Objekt der Sinneswahrnehmung sind sondern Sinnesdaten, über die der Wahrnehmende absolut sicheres Wissen besitzt. In erster Linie argumentiert er dabei gegen Alfred Jules Ayer.

Rezeption

John Langshaw Austin zählt zu den Begründern der Philosophie der normalen Sprache (engl. Ordinary Language Philosophy). Dieser Einfluss ergibt sich keineswegs aus seinen Veröffentlichungen, sondern er ist eine Folge seiner Lehrtätigkeit. Austin veröffentlichte nur wenige Aufsätze und die beiden Bücher sind erst postum erschienen. Sie sind Bearbeitungen seiner Vorlesungen. Hieraus können sich unvollständige und widersprüchlie Darstellungen seiner Entwicklung der sprachphilosophischen Theorie der Sprechakte ergeben.[3]

Da die von Austin vertretene Art des Philosophierens vor allem von seiner Persönlichkeit und Lehre getragen wurde, verlor die Oxforder Schule nach seinem Tod schnell an Bedeutung. Erhalten geblieben ist Austins Einfluss auf die Entwicklung der Sprechakttheorie in Sprachphilosophie und Linguistik. Diese Untersuchungen sprachlicher Handlungen nahm Paul Grice bereits 1957 in seine Bedeutungstheorie auf. Beide Ansätze hat Peter Strawson im Begriff der Illukationshandlung miteinander verbunden. John Searle arbeitete Austins Theorie zur eigentlichen Sprechakttheorie aus, die dann Eike von Savigny weiterentwickelte. Donald Davidson und Arthur C. Danto griffen Austins Untersuchungen zu sprachlichen und nichtsprachlichen Handlungen auf und systematisierten sie.[4] Trotzdem gelangt Wolfgang Stegmüller zu folgendem Urteil:

"Eigentlich ist es ein Skandal. Und zwar ein beschämender Skandal für alle diejenigen, welche sich in den letzten 2500 Jahren in irgendeiner Weise mit Sprachen beschäftigten, daß sie nicht schon längst vor J.L. Austin dessen Entdeckung machten, deren Essenz man in einem knappen Satz ausdrücken kann: Mit Hilfe von sprachlichen Äußerungen können wir die verschiedensten Arten von Handlungen vollziehen."[5]

Veröffentlichungen

Autor
  • Ifs and Cans. Oxford University Press, London 1956.
  • Performatif-Constatif. In: La Philosophie analytique, Les Editions de Minuit, Paris 1962, S. 271-304.
    • Englische Übersetzung Performative-constative in: Charles E. Caton (Hrsg.): Philosophy and Ordinary Language. Urbana, Ill., 1963.
    • Deutsche Übersetzung in: Rüdiger Bubner (Hrsg.) Sprache und Analysis. Göttingen 1968.
  • Philosophical Papers. Postum herausgegeben von James Opie Urmson u. Geoffrey James Warnock. Clarendon Press, Oxford 1961.
    • Deutsche Ausgabe: Gesammelte philosophische Aufsätze. Übersetzt und herausgegeben von Joachim Schulte. Reclam, Ditzingen 1986 ISBN 3-15-008278-1. Deutsche Erstausgabe unter dem Titel Wort und Bedeutung. List, München, 1975.
  • How to Do Things with Words. The William James Lectures delivered at Harvard University in 1955.[6] Postum herausgegeben von James Opie Urmson u. Marina Sbisa. Zweite, verbesserte Auflage Harvard University Press, 1975 [1. Auflage Clarendon Press, Oxford 1962].
  • Sense and Sensibilia. Vorlesungsmanuskripte der Jahre 1947-1949. Postum herausgegeben von Geoffrey James Warnock, Oxford University Press, 1962.
    • Deutsche Ausgabe: Sinn und Sinneserfahrung. Herausgegeben von Eva Cassirer. Reclam, Ditzingen 1984 ISBN 978-3-15-029803-9
Herausgeber
  • Horace W.B. Joseph: Lectures on Leibniz. Oxford 1949.
Übersetzer

Literatur

  • Verena E. Mayer: John Langshaw Austin. In: Julian Nida-Rümelin: Philosophie der Gegenwart in Einzeldarstellung von Adorno bis v. Wright. Kröner, Stuttgart 1991, S. 41–49 ISBN 3-520-42301-4
  • Wolfgang Stegmüller: Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie. Band II. Kröner, Stuttgart 1987/8. Aufl., S. 64–85 ISBN 3-520-30908-4
  • Geoffrey James Warnock: J. L. Austin. Routledge, 1989.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Verena E. Mayer: John Langshaw Austin. In: Julian Nida-Rümelin: Philosophie der Gegenwart in Einzeldarstellung von Adorno bis v. Wright. Kröner, Stuttgart 1991, S. 41f.
  2. Verena E. Mayer: John Langshaw Austin. In: Julian Nida-Rümelin: Philosophie der Gegenwart in Einzeldarstellung von Adorno bis v. Wright. Kröner, Stuttgart 1991, S. 42
  3. John L. Austin: Zur Theorie der Sprechakte (How to do things with Words. Deutsche Bearbeitung von Eike von Savigny. Reclam, Stuttgart 1972, S. 7.
  4. Verena E. Mayer: John Langshaw Austin. In: Julian Nida-Rümelin: Philosophie der Gegenwart in Einzeldarstellung von Adorno bis v. Wright. Kröner, Stuttgart 1991, S. 47f.
  5. Wolfgang Stegmüller: Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie. Band II. Kröner, Stuttgart 1987/8. Aufl., S. 64.
  6. Austin's Manuskripte in: Bodleian Library, MS. Eng. misc. c. 394/5.

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