Perserschutt

Perserschutt
Perserschutt, Akropolis von Athen, 1866

Als Perserschutt werden die Schutt- und Planierungsschichten bezeichnet, die durch die Aufräumarbeiten nach Plünderung und Zerstörung der Heiligtümer auf der Akropolis in Athen während der persischen Besetzung 480/479 v. Chr. entstanden sind.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Im zweiten Krieg der Griechen gegen die Perser zog der Perserkönig Xerxes I. mit einem Heer von über 100.000 Mann nach Griechenland. Als es zur ersten Schlacht bei den Thermopylen und zeitgleich zur Seeschlacht von Kap Artemision kam, fielen auf Seite der Griechen der Spartanerkönig Leonidas und seine 300 Mann starke Leibgarde samt Hilfstruppen bei der Sicherung des Thermopylenpasses, die den Rückzug des griechischen Bündnisheeres und die Lösung der griechischen Flotte vom Feind gewährleisten sollte. Dies gelang auch, bis die Spartaner durch Verrat vernichtet wurden, weil den Persern ein weiterer Weg gezeigt wurde, über den das gesamte persische Heer einströmte. In Folge dessen kam es zur vorläufigen Eroberung und Plünderung Attikas und Athens durch die Perser.

Athen wurde nach der Schlacht bei den Thermopylen evakuiert, die meisten Athener flohen nach Salamis. Athen selbst ging mit seinen Bauten und Kunstwerken in Flammen auf. Auch die Tempel wurden nicht geschont, sondern verwüstet oder völlig zerstört. Nach dem Abzug der Perser versuchten die Athener nicht das Wenige an Architekturresten und Weihgeschenken auf der Akropolis, das übrig geblieben war, wieder instand zu setzen oder zu reparieren. Als Besitz der Gottheit wurden die entweihten Kultgegenstände und Kunstwerke vielmehr feierlich in den mächtigen Auffüllschichten niedergelegt, mittels derer die zuvor unregelmäßige Oberflächenstruktur der Akropolis auf ein deutlich höheres, einheitliches Niveau für die neue Bebauung gehoben wurde. Diese Füllschichten stellen den sogenannten Perserschutt dar. Viele der später errichteten Tempel und Bauwerke wurden auf dieser Auffüllung errichtet, sofern man für sie nicht – wie vermutlich beim Parthenon – die Fundamente der Vorgängerbauten wiederverwandte.

Auch wenn sich die Verwüstungen auf die Akropolis konzentrierten, so waren dennoch weitere wichtige Stadtbezirke betroffen. Dazu zählen die Zerstörung des Telesterions und der meisten Gebäude auf der Agora, unter anderem des Tempels für Apollon Patroos, die Stoa Basileios und das alte Bouleuterion, um nur einige zu nennen.

Ausgrabungen

Die ersten archäologischen Befundaufnahmen des 'Perserschutts' der Akropolis erfolgten zwischen 1863 und 1866 durch den französischen Archäologen Charles Ernest Beulé. Wirkliche Tiefgrabungen erfolgten 1885–1890 unter dem Archäologen Panagiotis Kavvadias, unterstützt von den Architekten und Bauforschern Wilhelm Dörpfeld und Georg Kawerau. Es fanden sich bei den Untersuchungen viele Werke und Fragmente der plastischen Kunst. Zahlreich waren unter den Funden die Mädchenstatuen, Koren, die einst als Weihgeschenke auf der Akropolis aufgestellt wurden. Die Giebelskulpturen mehrerer archaischer Tempel, die vermutlich auf der Akropolis gestanden haben, waren ebenso unter den Funden aus den freigelegten Schuttschichten. Auch der Torso des Kritios-Knaben, der berühmte Kalbsträger und die sogenannte Angelitos-Athena, eine archaische Athenastatue im Peplos mit Ägis, gehören zu den bedeutenden Funden der entsprechenden Ausgrabungen.

Die Ausgräber und in der Folge die Archäologen glaubten lange Zeit, mit den Funden aus dem Perserschutt fest datierte Monumente vor sich zu haben. Schließlich mussten sie ja vor 480/479 v. Chr., dem Zeitpunkt der Zerstörung der Akropolis, fertiggestellt gewesen sein, so die Argumentation. Nachuntersuchungen und kritische Sichtung der Ausgrabungsdokumentation ergaben jedoch, dass die Ausgrabungen erstens recht hastig durchgeführt und zweitens schlecht dokumentiert wurden. Insbesondere für den Kritios-Knaben wurde in der Folge die Zugehörigkeit zur Zerstörungsschicht in Frage gestellt; eine Frage, die bislang nicht beantwortet werden konnte, zumal die eigentliche Zerstörungsschicht im archäologischen Befund aufgrund der späteren Aufräumarbeiten nur stellenweise zu fassen ist. Hinzu kommt der Umstand, dass nicht einzuschätzen ist, woher all das Material stammte, das für Aufschüttung und Terrassierung eingesetzt wurde. Denn die Zerstörungen hatten ja alle Teile der Stadt erfasst, und allein auf der Agora wurden unter anderen der Tempel des Apollon Patroos, die Stoa Basileios und das alte Bouleuterion ersetzt, ihre Trümmer folglich entsorgt.

In Angriff genommen wurden die Terrassierungsarbeiten auf der Akropolis, die mit einer Erweiterung des Burgareals unter Kimon einher ging, wahrscheinlich nicht vor 468 v. Chr., nachdem in der Schlacht am Eurymedon auch die Spätphase der Perserkriege beendet wurde. Jetzt konnten die finanziellen Mittel freigestellt werden, um ein derart ehrgeiziges Vorhaben umzusetzen. Die Arbeiten scheinen sich dem archäologischen Befund nach bis in die fünfziger Jahre des 5. Jahrhunderts v. Chr. hingezogen zu haben. Als die Bauarbeiten am Parthenon im Jahr 447 v. Chr. aufgenommen wurden, mussten die Nivellierungsarbeiten spätestens abgeschlossen gewesen sein. Erst dieses Datum stellt also den eigentlichen festen Datierungspunkt dar, vor dem alle im sogenannten Perserschutt gefundenen Kunstwerke entstanden sein müssen. Wie viele Jahrzehnte vorher, lässt sich anhand des Perserschutts jedoch nicht ermitteln.

Literatur

  • Panagiotis Kavvadias – Georg Kawerau: Die Ausgrabung der Akropolis vom Jahre 1885 bis zum Jahre 1890. Athen 1906.
  • Jens Andreas Bundgaard, The Excavation of the Athenian Acropolis 1882-1990. The Original Drawings edited from the papers of Georg Kawerau. Kopenhagen 1974.
  • Astrid Lindenlauf: Der Perserschutt auf der Athener Akropolis. In: Wolfram Hoepfner (Hrsg.), Kult und Kultbauten auf der Akropolis. Internationales Symposion vom 7. bis 9. Juli 1995 in Berlin. Berlin 1997, S. 45–115
  • Martin Steskal: Der Zerstörungsbefund 480/79 der Athener Akropolis. Eine Fallstudie zum etablierten Chronologiegerüst. Antiquitates – Archäologische Forschungsergebnisse, Bd. 30. Verlag Dr. Kovač, Hamburg 2004, ISBN 978-3-8300-1385-3

Weblinks


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