Atomkonsens

Atomkonsens

Mit dem prägenden Schlagwort Atomkonsens wurde in der deutschen Öffentlichkeit verschiedene Versuche bezeichnet, das gesellschaftlich höchst umstrittene Problem der Atomenergie-Nutzung im „Konsens“ zwischen den betroffenen Wirtschaftsunternehmen und der Politik, vertreten durch die Bundesregierung, zu lösen.

Die Zustimmung zu den erreichten Vereinbarungen schließt dabei in der Regel nur die an den Verhandlungen beteiligten Gruppen, jedoch nicht die parlamentarische Opposition oder andere außerparlamentarische Gruppen mit ein; es handelt sich also nicht um einen gesamtgesellschaftlichen Konsens.

Inhaltsverzeichnis

Vereinbarungen und Gesetze

1993-95

Bereits in der 12. und 13. Wahlperiode hatten unter der Regierung Helmut Kohl sogenannte Energiekonsensgespräche stattgefunden. Hierbei waren Vertreter der Bundes- und Landesregierungen sowie der sie tragenden Parteien und Vertreter der Wirtschaft eingebunden. Die Gespräche, die 1993 bis 1995 erfolgten, führten zu keinem Konsens.[1]

2000

Am häufigsten wird der Begriff Atomkonsens im Zusammenhang mit der „Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen vom 14. Juni 2000“ (kurz: „Vereinbarung vom 14. Juni 2000“) benutzt, mit dem die damalige erste rot-grüne Regierung auf Bundesebene den Atomausstieg in Deutschland und damit eines ihrer zentralen politischen Anliegen in die Wege leitete. Der Vertrag wurde im Jahr 2002 durch die Novellierung des Atomgesetzes rechtlich abgesichert.[2]

Für das Energieunternehmen Viag führte der ehemalige, und später erneut ins Amt berufene Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit des Bundesumweltministeriums Gerald Hennenhöfer die Verhandlungen mit der rot-grünen Bundesregierung zum Atomausstieg.[3]

2010

Mit Bezug auf die ursprüngliche Vereinbarung und im Prinzip als deren Fortschreibung, wenn auch unter anderen Vorzeichen („Ausstieg aus dem Ausstieg“[4]), wurde als „Atomkonsens“ auch der neue Vertrag zwischen der seit 2009 amtierenden schwarz-gelben Koalition und den vier großen Energieunternehmen um die Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke vom 5. September 2010 bezeichnet.[5] Erneut kam es zur rechtlichen Absicherung zu einer Novellierung des Atomgesetzes, die schon am 14. Dezember 2010 in Kraft trat.

2011

Nach der Atomkatastrophe vom März 2011 im Kernkraftwerk Fukushima wurde von atomkraftkritischer Seite als zukünftige Vereinbarung ein „neuer Atomkonsens zwischen Regierung und Opposition“ gefordert mit dem Ziel, die „ältesten Reaktoren sofort vom Netz“ zu nehmen,[4] was die Vereinbarung vom 14. Juni 2000 für 2011 ursprünglich vorgesehen hatte. Im Mai 2011 geriet die Bundesregierung immer mehr unter Druck, sodass sie sich schließlich auf einen Atomausstieg bis 2022 einigte, bis der letzte Meiler vom Netz gehen soll. Über ein entsprechendes Gesetz wurde am 30. Juni 2011 im Bundestag abgestimmt, wobei außer der Linksfraktion alle Parteien bereits im Vorfeld ihre Zustimmung angekündigt hatten.[6] In der in namentlicher Abstimmung durchgeführten Abstimmung wurde mit großer Mehrheit (513 Stimmen)[7] das „13. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes“ beschlossen, das die Beendigung der Kernenergienutzung und Beschleunigung der Energiewende als Inhalt hat.


Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Bärbel Höhn, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/1382
  2. BMWI: Wortlaut der Vereinbarung vom 14. Juni 2000. 14. Juni 2000, abgerufen am 15. März 2011.
  3. Energie und Macht Berliner Zeitung vom 3. Juli 2007
  4. a b Veit Medick: SPD-Vordenker Eppler verlangt neuen Atomkonsens (Interview). In: Spiegel online. 14. März 2011, abgerufen am 15. März 2011.
  5. Röttgen war an Atomkonsens nicht beteiligt. In: Die Zeit. 15. September 2010, abgerufen am 15. März 2011.
  6. Die Zeit, 30. Juni 2011: Parlament will Atomausstieg besiegeln.
  7. bundestag.de: wer stimmte wie ab Abgerufen am 28. August 2011.

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