Gerald Hennenhöfer

Gerald Hennenhöfer

Gerald Hennenhöfer (* 1947[1]) ist ein deutscher Jurist. Das Abitur machte er 1966 am Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium Bonn. Er arbeitete während dem Kabinett Kohl V als leitender Ministerialdirektor der Abteilung Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium[2] und war anschließend als Generalbevollmächtigter für Wirtschaftspolitik des Energiekonzerns Viag tätig. Nach der Bundestagswahl 2009 und dem Amtsantritt der schwarz-gelben Koalition (Kabinett Merkel II) wurde er erneut Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit im Umweltministerium und damit Nachfolger von Wolfgang Renneberg.

Inhaltsverzeichnis

Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit 1994 bis 1998

Hennenhöfer war von 1994 bis 1998 unter Umweltministerin Angela Merkel Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium,[3] die unter anderem für Fragen der Endlagerung und die Durchsetzung sicherheitstechnischer Standards des Bundes bei den deutschen Kernkraftwerken zuständig ist. In seiner Amtszeit wurde ab 1994 die Einlagerung von schwach- und mittelradioaktivem Atommüll in das Endlager Morsleben wieder aufgenommen. Das sachsen-anhaltische Umweltministerium intervenierte gegen die Einlagerung

  • wegen des fehlenden Langzeitsicherheitsnachweises,
  • weil damit die in der Betriebsgenehmigung festgelegte Einlagerungsmenge überschritten wurde sowie
  • wegen Überschreitung festgelegter Einlagerungsbereiche innerhalb des Bergwerkes.

In einer Bundesweisung gegenüber dem sachsen-anhaltischen Umweltministerium wies Gerald Hennenhöfer die Bedenken zurück, weil „keine Gründe gegeben sind, die Standsicherheit der Einlagerungshohlräume […], in denen Abfälle verstürzt werden, in Frage zu stellen“. Das Endlager Morsleben wird seit dem Regierungswechsel 1998 aufwändig saniert, um einen drohenden Einsturz zu verhindern.[4]

Anstellung bei VIAG/Eon 1998 bis 2003

Nach dem Regierungswechsel 1998 wurde Gerald Hennenhöfer vom grünen Umweltminister Jürgen Trittin in den vorzeitigen Ruhezustand versetzt.[5] Von 1998 bis 2003 war er Generalbevollmächtigter für Wirtschaftspolitik des Energiekonzerns Viag, der im Jahr 2000 mit dem VEBA-Konzern zur E.ON fusionierte. Für Viag führte Hennenhöfer die Verhandlungen mit der rot-grünen Bundesregierung zum Atomausstieg und unterzeichnete die Verträge zum Atomkonsens.[3]

Tätigkeit als Jurist in der Anwaltssozietät Redeker 2004 bis 2009

Im Jahr 2004 wechselte er in die Anwaltssozietät Redeker. Dort beriet er unter anderem das Helmholtz Zentrum München, den damaligen Betreiber des Versuchsendlagers Asse II.[6] Das Honorar hierfür betrug knapp 500 000 Euro. [7]

Weiterhin fertigte er bezüglich der Frage der Reststrommengen-Übertragung von neueren auf ältere Atomkraftwerke ein Rechtsgutachten an.[8]

Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit seit 2009

Im Dezember 2009 wurde Hennenhöfer erneut Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit im Umweltministerium, diesmal unter Umweltminister Norbert Röttgen. Er war insoweit an den Gesprächen um KKW-Laufzeitverlängerungen beteiligt, als die Laufzeiten für eine Gesetzesumsetzung in Strommengen umgerechnet werden mussten. Die Gespräche wurden i.ü. von anderen Ressorts geführt.[9]

Bezüglich eines Urteils das das Bundesverwaltungsgericht 2008 zum Zwischenlager im Kernkraftwerk Brunsbüttel fällte, veröffentlichte Hennenhöfer einen Aufsatz, in dem er die Entscheidung der Richter kritisierte. Diese hatten gezielt herbeigeführte Flugzeugabstürze als Gefahren definiert, die nicht mehr dem Restrisiko, das alle zu tragen haben, zuzurechnen seien. Gefahrenabwehr gegen Terroranschläge wäre damit ein einklagbares Recht der Anwohner. Hennenhöfer positionierte sich gegen ein solches Klagerecht.[10]

Im Juni 2010 kam es im Kernkraftwerk Grafenrheinfeld zu einer Anomalie, die vom Betreiber E.ON erst im Dezember gemeldet wurde. Dabei wurde ein Riss nahe dem Reaktorkern vermutet. Hennenhöfer setzte es durch, den Reaktor während des ungeklärten Sicherheitsrisikos weiterlaufen zu lassen.[11][12]

Nach dem Tōhoku-Erdbeben 2011 und den daraus resultierenden Nuklearunfällen von Fukushima sind die Bundesländer für die Sicherheitsüberprüfung der 17 deutschen Kernkraftwerke zuständig, die im Rahmen eines von der Bundesregierung entschiedenen, dreimonatigen Moratoriums der Laufzeitverlängerungen, stattfinden soll. Das Bundesumweltministerium beaufsichtigt sie dabei.[13]

Kontroversen

Umstrittener Posten im Umweltministerium

Von Kritikern wurde die Berufung Hennenhöfers vom Vertreter eines Nuklearenergie produzierenden Konzerns zum Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit im Umweltministerium als Übernahme der Atomaufsicht durch die Atomlobby gewertet.[14][15][16]

Dem amtierenden Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit wird vorgeworfen, keine sicherheitspolitischen Ziele zu verfolgen, sondern vorrangig Interessen der Nuklearindustrie. Er unterscheide sicherheitstechnisch nicht zwischen alten und neueren Kernkraftwerken und sehe die AKW-Betreiber nicht in der Pflicht, das Sicherheitsniveau dynamisch dem Stand von Wissenschaft und Technik anzupassen.[10]

Während seiner Amtszeit als Abteilungsleiter im Umweltministerium äußerte sich Hennenhöfer bezüglich der Übertragung von Strommengen von neueren auf ältere Atomkraftwerke in einem Rechtsgutachten so:

„Maßgeblich sind vom Betreiber darzulegende betriebswirtschaftliche Gründe. Sicherheitsfragen sind hingegen nicht maßgeblich.“[17]

Der Rechtswissenschaftler Alexander Roßnagel hält ein Mitwirken Hennenhöfers an Fragen rund um den Atomkonsens für rechtswidrig aufgrund seiner vorherigen Tätigkeit für das Energieunternehmen.[18] Auch die Deutsche Umwelthilfe verwies auf den § 20 VwVfG, wonach Hennenhöfer aufgrund seiner vorherigen Tätigkeit von bestimmten Verwaltungsakten ausgeschlossen werden müsse. Kritisiert wurde dabei unter anderem konkret die Teilnahme Hennenhöfers an der Aushandlung des Förderfondsvertrag, der zwischen dem Bundesfinanzministerium und den Energiekonzernen vereinbart wurde. Die Rechtsgültigkeit des Vertrags ist also unter Juristen umstritten.[19][10]

Kontaminationsskandal

Im Frühjahr 1998 wurde bekannt, dass an mehreren Atommüll-Transportbehältern über Jahre hinweg aufgrund äußerer Kontamination Strahlung weit über den zulässigen Grenzwerten gemessen wurde und das Umweltministerium und die von Hennenhöfer geleitete Abteilung für Reaktorsicherheit und Strahlenschutz seit Mitte der 1980er Jahre von den erhöhten Strahlenwerten wussten.[20]

Vertuschungsvorwürfe zum Atommülllager Asse

Hennenhöfer wird vorgeworfen, während seiner Zeit bei der Anwaltssozietät Redeker der Betreiberfirma der Asse II geraten zu haben, die Zustände in dem maroden Atommülllager gegenüber der Bevölkerung und dem niedersächsischen Landtag zu vertuschen. So schrieb er in einem Dokument das der Frankfurter Rundschau vorlag:[15]

„Es ist überhaupt nichts davon zu halten, die Asse-Begleitgruppe fortlaufend zu unterrichten.“

Die Asse-Begleitgruppe war gegründet worden, um die Bürger in der Region über die Gefahren und Pläne zur Asse-Sanierung zu informieren und in die weiteren Planungen mit einzubeziehen.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Süddeutsche Zeitung - Kabinett - Umweltminister Röttgen holt Atomlobyisten, abgerufen am 18. März 2011
  2. Ornigram der Abteilung Reaktorsicherheit im BMU, abgerufen am 18. März 2011
  3. a b Energie und Macht Berliner Zeitung vom 3. Juli 2007
  4. Der Spiegel 43/2008 - Merkels Altlast - 20. Oktober 2008, abgerufen am 18. März 2011
  5. EXPRESS - Politik & Wirtschaft - Gerald Hennenhöfer: Atomlobbyist wird Chef-Strahlenschützer, abgerufen am 18. März 2011
  6. Rechtliche Bedenken gegen designierten Atom-Aufseher Berliner Zeitung vom 11. Januar 2010
  7. Die ZEIT 13/2011 - Dossier - Der Poker um 17 Atommeiler
  8. BMU – 2007-699 - Rechtsprobleme der Strommengenübertragung Gemäß § 7 Abs. 1b bis 1d AtGesetz, Autor: Prof. Dr. Joachim Wieland; Institut für Öffentliches Recht; Johann Wolfgang Goethe-Universität; Frankfurt am Main
  9. Umweltminister Röttgen holt Atomlobbyisten Süddeutsche Zeitung vom 30. November 2009
  10. a b c Atomlobbyist als Kernkraft-Aufseher Tagesspiegel vom 9. Februar 2011
  11. Atomkraft - Ganz nah am Herzen Spiegel vom 17. Januar 2011
  12. Unregelmäßigkeit im Atomkraftwerk Grafenrheinfeld: Berlin setzt auf Risiko Frankfurter Rundschau vom 20. Januar 2011
  13. Gerald Hennenhöfer in der Nordwest-Zeitung vom 18. März 2011
  14. Privatsache Atommüll-Endlager? ZDF heute vom 22. September 2010
  15. a b Kritik am neuen Umweltminister: "Den Bock zum Gärtner gemacht" Frankfurter Rundschau vom 1. Dezember 2009
  16. Atom-Lobbyist wird Chef der Abteilung für Reaktorsicherheit - Röttgen bekennt Farbe taz vom 2. Dezember 2009
  17. Freifahrtschein auch für Uralt-Reaktoren Monitor vom 28. Januar 2010.
  18. Darin sagt Prof. Roßnagel wörtlich: "Für den Abteilungsleiter Hennenhöfer ist es sehr schwierig, in diesen Fragen tätig zu sein, weil er ja bei der Vereinbarung des Atomkonsenses für die Energieversorgungsunternehmen tätig war. Und alle Fragen, die vom Atomkonsens umfasst sind, sind Angelegenheiten, bei denen er per Gesetz ausgeschlossen ist.".. "Wenn er sich daran beteiligt, ist das Ergebnis rechtswidrig." [1]
  19. Umstrittener Atomaufseher: Der "böse Schein" der Parteilichkeit Frankfurter Rundschau vom 10. Januar 2010
  20. Der Castor-Skandal zeigt: Selbstkontrolle der Atomindustrie ist nicht genug Die Zeit, 1998

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