Pierre Roger II. de Mirepoix

Pierre Roger II. de Mirepoix

Pierre Roger II. de Mirepoix (* 1194~1202; † 1244~1262) war ein okzitanischer Adliger und Ritter in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Als sogenannter Faydit (Renegat) gelangte er in der Endphase des Albigenserkreuzzuges zu entscheidender Bedeutung. In Unterscheidung zu seinem gleichnamigen Vater wurde er „le jeune“ (der Jüngere) genannt.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft und Albigenserkreuzzug

Pierre Roger entstammte dem Haus der Bellisen, dessen Angehörige neben anderen adligen Familien die Co-Herren von Mirepoix stellten und als solche Vasallen der Grafen von Foix waren.

Wenngleich Pierre Roger selbst dem katholischen Glauben angehörte, waren seine engsten Familienmitglieder Anhänger der Glaubensbewegung der Katharer (Albigenser) und galten im Urteil der römischen Kirche als Häretiker. Sein Vater, Pierre Roger „le Vieux“ (der Ältere), erhielt 1204 in Fanjeaux das Consolamentum durch den Katharerbischof Guilhabert de Castres. Weiterhin gehörte noch Pierre Rogers Vetter Raymond de Péreille den „Reinen“ an, der als Herr des Montségur verantwortlich für den Ausbau dieser Burg zu einem der sichersten Rückzugsorte der Katharer war. Diese Baumaßnahme wurde auf einem Konzil der Katharer 1206 in Mirepoix beschlossen.

Nachdem im Frühjahr 1208 der päpstliche Legat Pierre de Castelnau ermordet wurde, rief Papst Innozenz III. zum Kreuzzug gegen die Albigenser auf, der sich zu Beginn des Jahres 1209 in Bewegung setzte. Nach der Einnahme von Carcassonne im August 1209 wandten sich die Kreuzfahrer unter der Führung des Simon IV. de Montfort gegen Mirepoix, das am 22. September erobert wurde. Die Herrschaft über die Stadt wurde danach an Guy de Lévis vergeben, der als Maréchal de croisade einer der wichtigsten Gefolgsmänner des Montfort war. Pierre Rogers Familie, wie auch die Familien der anderen Co-Herren der Stadt, begaben sich ins Exil nach Aragon oder nahmen im Untergrund den Kampf gegen die Kreuzfahrer auf.

Inwieweit Pierre Roger oder sein Vater in die folgenden Kämpfe verwickelt waren, ist unklar, jedenfalls werden ihre Namen nicht in deren Zusammenhang erwähnt. Erst als Graf Raimund Roger von Foix im Frühjahr 1223 Mirepoix belagerte, werden Vater und Sohn wieder an seiner Seite genannt. Nachdem Mirepoix im März des Jahres eingenommen wurde, verstarb der Graf an einem Geschwür. Auch der ältere Pierre Roger starb wenig später nach der Einnahme von Fanjeaux. So nahm der neue Graf von Foix, Roger Bernard II., den Herren der Stadt den Lehnseid ab. Diesen legten allerdings nur fünf der insgesamt elf übrig gebliebenen Co-Herren ab, darunter Pierre Roger und sein Bruder Isarn. Im Januar 1224 endete der „päpstliche Kreuzzug“ in einem Misserfolg, nachdem Graf Raimund VII. von Toulouse Carcassonne einnehmen konnte und der Anführer der Kreuzfahrer den Kampf aufgab.

Im Jahr 1226 eröffnete König Ludwig VIII. von Frankreich einen weiteren „königlichen Kreuzzug“ gegen die Albigenser, der nach zwei Jahren schließlich mit der Aufgabe des Grafen von Toulouse endete. Am 12. April 1229 unterzeichnete der führende Adel des Languedoc den Vertrag von Meaux-Paris, der die neuen Machtverhältnisse in dieser Region ordnete. Der Graf von Foix unterwarf sich darin der französischen Krone und musste dabei den Verlust von Mirepoix als eigenes Lehen akzeptieren, das wieder an Guy de Lévis ausgehändigt werden sollte. Pierre Roger und die anderen Co-Herren, jeglicher Unterstützung verlustig, mussten dies hinnehmen und verließen die Stadt.

Widerstand gegen Krone und Inquisition

Im Jahr 1234 zog Pierre Roger auf dem Montségur ein, der immer noch von seinem Vetter Raymond de Péreille gehalten wurde. Pierre Roger heiratete dessen Tochter Philippa und übernahm das Kommando auf dem „Pog“ (Berg), der seit 1232 auf Beschluss des Katharerbischofs von Toulouse, Guilhabert de Castres, die Hauptstadt der katharischen Kirche war. Dort bot man in den folgenden Jahren okzitanischen Renegaten, den Faydits, die gegen die französische Herrschaft und die Inquisition kämpften, Schutz vor Verfolgung. Um dies zu unterbinden, forderte der französische König den Grafen Raimund VII. von Toulouse 1241 auf, als Beweis seiner Loyalität zur Krone den Montségur einzunehmen. Doch der Graf begann die Belagerung nur halbherzig und beendete sie auch nach kurzer Zeit ergebnislos, stattdessen erhob sich der Graf 1242 selbst gegen die französische Krone. Diesem Aufstand schloss sich neben dem führenden Adel des Languedoc auch Pierre Roger an, der damit allerdings den Untergang des Montségur herbeiführen sollte.

Das Attentat von Avignonet

Im Frühjahr 1242 erreichte Pierre Roger eine Nachricht des Kastellans von Avignonet, Raimund d’Alfaro, der ein Neffe und Gefolgsmann des Grafen von Toulouse und außerdem ein heimlicher Katharer war. Es ist anzunehmen, dass diese Nachricht die Ankunft der Inquisitoren von Narbonne – Guillaume Arnaud und Etienne de St. Thibery – in der Stadt beinhaltete. Pierre Roger brach am 26. Mai mit einem kleinen Gefolge nach Avignonet auf und übernachtete auf den 27. Mai im Wald von Gaja la Selve,[1] wo in der Nacht weitere Unterstützung zu ihm stieß. Von dort zog er weiter zum Château d’Antioch vor den Toren Avignonets. In der Nacht des 28. Mai drangen mehrere Männer Pierre Rogers in die Stadt ein, während er selbst die Aktion vom Château aus überwachte. Die Männer wurden dabei von einem Vertrauten d’Alfaros geführt, der ihnen auch den Zugang zur Burg von Avignonet ermöglichte, in welcher die Inquisitoren übernachteten. Die Ritter Guillaume de Lahille,[2] Guillaume de Balaguire und Bernard de Saint-Martin[3] drangen daraufhin in die Gemächer der Inquisitoren ein und überraschten diese im Schlaf. Mit Streitäxten bewaffnet, töteten sie daraufhin diese und mehrere Angehörige ihres Gefolges.

Am Morgen des 29. Mai überbrachte der Ritter Jean Acermat dem vor dem Château d’Antioch wartenden Pierre Roger die Nachricht von der erfolgreich durchgeführten Tat. Laut der Aussage eines Zeugen vor einem mehrere Jahre später einberufenen Inquisitionstribunal soll Pierre Roger den Ritter Acermat bei dessen Eintreffen nach seinem Pokal gefragt haben, woraufhin der Ritter sagte, dieser sei zerbrochen. Daraufhin habe Pierre Roger humorvoll entgegnet, er habe den Pokal mit einem Goldreif zusammengefügt, um den Rest seiner Tage aus ihm trinken zu können. Die Rede war vom Schädel des Inquisitors Guillaume Arnaud.

Noch am selben Tag brach man wieder zum Montségur auf, wobei die Attentäter in Saint-Félix-de-Tournegat mit Jubel empfangen wurden.

Die Belagerung des Montségur

Der Montségur mit der Ruine der Burg

Ein Jahr nach der Mordtat erfolgte im April 1243 auf dem Konzil von Béziers die Reaktion der römischen Kirche. Unter der Devise „Trancher la tête du dragon!“ („Schneidet dem Drachen den Kopf ab!“)[4] wurde die Eroberung und Vernichtung des Montségur („la synagogue de Satan“) beschlossen. Mit dem Vollzug dieses Beschlusses wurde der königliche Seneschall von Carcassonne, Hugues d’Arcis, beauftragt, der gemeinsam mit Pierre Amiel, dem Erzbischof von Narbonne, im Mai 1243 ein etwa 10.000 Mann starkes Heer vor den Montségur führte. Pierre Roger konnte auf keine nennenswerte Unterstützung mehr hoffen, nachdem bereits im Januar die Grafen Raimund VII. von Toulouse und Roger IV. von Foix die Waffen niedergelegt und sich der französischen Krone unterworfen hatten. Dennoch nahm er die Verteidigung der Burg auf.

Die Belagerung gestaltete sich für das königliche Heer als langwierig und beschwerlich, da das Heer den Berg nicht vollständig umschließen konnte, so dass es den etwa 150 Verteidigern und 500 Zivilisten der Burg möglich war, sich von außen zu versorgen. Erst am 5. Januar 1244 konnten die Belagerer einen entscheidenden Erfolg erzielen, als baskische Gebirgsjäger in einem Nachtangriff den Vorposten des Montségur („Roc de la tour“), der den an der Ostseite Berges anliegenden Kamm bewachte, einnehmen konnten. Darauf errichteten sie ein Trebuchet, mit dem sie die Burg beschießen konnten. Im Februar scheiterte ein Ausfall Pierre Rogers mit dem Ziel, das Geschütz zu zerstören, allerdings waren die Verteidiger bald in der Lage, mittels eines Katapults, welches ihnen der Ingenieur Bertrand de la Bacalaria gebaut hatte, den Beschuss zu erwidern.[5]

Kapitulation

Trotzdem verschlechterte sich die Lage in der Burg, da nun die Versorgung mit Nahrungsmitteln von außen gestört war. Nachdem ein Ausfallversuch der Belagerten gescheitert war, sah sich Pierre Roger gezwungen, am 1. März 1244 Waffenstillstandsverhandlungen mit den Belagerern aufzunehmen, die einen Tag darauf in eine Waffenruhe mündeten. Nachdem sich der Nahrungsmittelvorrat auf der Burg erschöpft hatte, sah sich Pierre Roger schließlich am 14. März gezwungen zu kapitulieren. Da aber auch im Heer der Belagerer, bedingt durch eine schlechte Versorgungslage und um sich greifende Krankheiten, eine allgemeine Erschöpfung herrschte, konnte Pierre Roger gute Bedingungen für die Aufgabe der Burg aushandeln. So erreichte er den freien Abzug der Burgbesatzung und aller rechtgläubigen Christen. Vergeben werden sollte auch den Attentätern von Avignonet, sofern sie nicht selbst der Häresie anhingen, und jenen Katharern, die bereit waren, öffentlich ihrem Glauben abzuschwören. Von diesen verweigerten sich aber etwa 220 Personen der geforderten Unterwerfung unter die Inquisition, einige von ihnen erhielten noch in der Nacht des 13. März von ihrem geistigen Führer Bertrand Marty das Consolamentum. Den Übergabebedingungen gemäß wurden sie am 16. März auf einer Ebene vor dem Montségur, dem Prat des Cremats (deutsch: Feld der Verbrannten), dem Feuer eines Autodafé übergeben. Unter ihnen befanden sich auch enge Familienangehörige Pierre Rogers, wie zum Beispiel seine Schwägerin Esclarmonde de Péreille, deren Mutter Corba de Lanta sowie die Cousine Saissa de Congost.

Pierre Roger zog sich daraufhin nach Montgaillard zurück, das zum Herrschaftsbereich seines ehemaligen Lehnsherren, des Grafen von Foix, gehörte, wo er noch mindestens bis zum Mai 1244 blieb. Danach verliert sich seine Spur. Nach späteren Aussagen vor der Inquisition soll er noch bis 1262, verarmt und ohne Besitz, das Leben eines Faydits geführt haben, bevor er starb.

Weblinks

Anmerkungen

  1. Auf halbem Weg zwischen Belpech und Montréal.
  2. Guillaume de Lahille war ein Ritter aus Laurac. Er nahm 1220 bis 1221 an der Eroberung und Verteidigung von Castelnaudary gegen Amaury de Montfort teil und wurde zusammen mit seiner Schwester Bruna am 16. März 1244 vor dem Montségur verbrannt.
  3. Bernard de Saint-Martin wurde wenige Jahre vor dem Attentat selbst von der Inquisition in Abwesenheit zum Tode verurteilt.
  4. Der Regentin von Frankreich, Blanka von Kastilien, wurde in diesem Kontext ebenfalls der Ausspruch décapiter l’hydre (enthauptet die Hydra) nachgesagt.
  5. Laut der Aussage des Sergeanten Imbert de Salles, eines Mitglieds der Burgbesatzung, vor der Inquisition am 19. Mai 1244 war de la Bacalaria im Auftrag des Grafen von Toulouse auf dem Montségur.

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