Auferstehungssymphonie

Auferstehungssymphonie

Die 2. Sinfonie in c-Moll von Gustav Mahler ist eine Sinfonie in fünf Sätzen für Sopran- und Alt-Solistinnen, gemischten Chor und großes Orchester. Wegen der Verwendung von Gesangsstimmen gehört das Werk zur Gattung der Sinfoniekantate. Gelegentlich wird für die Sinfonie auch der Beiname Auferstehungssinfonie angegeben, doch stammt diese Bezeichnung nicht vom Komponisten.

Inhaltsverzeichnis

Daten zum Werk

Das Orchester ist in zwei Orchester unterteilt, das Haupt- sowie das Fernorchester (nur 5. Satz). Das Hauptorchester setzt sich zusammen aus 4 Flöten (abwechselnd mit Piccoloflöten), 4 Oboen (abwechselnd mit Englischhorn), 3 Klarinetten in B (3. auch Bassklarinette), 2 Klarinetten in Es, 4 Fagotten (4. abwechselnd mit Kontrafagott), 6 Hörner, 6 Trompeten, 4 Posaunen, Basstuba, Orgel, 2 Harfen, 6 Pauken (2 Spieler), Schlagzeug (große Trommel, Becken, 2 Tamtams, Triangel, kleine Trommel, Glockenspiel, 3 Glocken, Rute), Streicher. Das kleinere Fernorchester besteht aus 4 Hörnern (auch 7. - 10. Horn im Hauptorchester), 4 Trompeten (2 als 5. und 6. Trompete auch im Hauptorchester), Pauke, große Trommel, Becken sowie einer Triangel. Ferner kommen ein Sopran und ein Alt Solo, sowie ein gemischter Chor hinzu.

Die Uraufführung der ersten drei Sätze fand am 4. März 1895 in Berlin statt, die gesamte Sinfonie wurde am 13. Dezember 1895 ebenfalls in Berlin uraufgeführt, beide Aufführungen mit Mahler als Dirigent. Die Solistinnen in der 2. Sinfonie waren Josephine v. Artner (S) und Hedwig Felden (A). Es spielten die Berliner Philharmoniker.

Entstehungsgeschichte

Die Entstehungsgeschichte der gesamten Sinfonie ist – bedingt durch Mahlers Arbeitsbelastung als Dirigent – über mehrere Jahre verteilt. Im September 1888 war die Instrumentierung des ersten Satzes, der zu diesem Zeitpunkt den Titel „Totenfeier“ trug, bereits abgeschlossen. Offenbar kam Mahler durch den Antritt der Stelle des Opernchefs in Budapest und seinen anschließenden Umzug nach Hamburg nicht zur weiteren Arbeit an der Sinfonie, so dass der zweite und dritte Satz erst 1893, die gesamte Sinfonie erst 1894 fertiggestellt wurde.

Aufbau und Analyse

Die Sinfonie besteht aus fünf sehr unterschiedlichen Sätzen

  1. Allegro maestoso
  2. Andante moderato
  3. (Scherzo) In ruhig fließender Bewegung
  4. 'Urlicht'. Sehr feierlich, aber schlicht
  5. Im Tempo des Scherzo

Bereits die Anzahl der Takte, die wegen der ungefähr gleichen Haupttempi auch die zeitlichen Verhältnisse der Sätze widerspiegeln, zeigt ihre unterschiedlichen Dimensionen an: 445, 299, 581, 68 und 784 Takte.

Mit einer Gesamtspielzeit von ca. 85 bis 90 Minuten gehört die zweite Sinfonie Mahlers zu den längsten seiner Sinfonien.

Die fünfsätzige Gliederung des Werkes zeigt bereits, dass das klassische viersätzige Schema der Sinfonie, bestehend aus Kopfsatz, langsamem Satz, Tanzsatz und Finale hier nicht ohne weiteres zur Anwendung kommen kann. Erster und fünfter Satz mögen diesem Schema noch am ehesten entsprechen, der zweite Satz ist als fünfteilige Liedform zu bezeichnen, während das Scherzo eher durch ein tänzerisches Wesen geprägt ist. Der vierte und bei weitem kürzeste Satz, das 'Urlicht', ist gleichermaßen langsamer Satz im Sinne des klassischen Schemas und Ruhepunkt vor dem Ausbrechen des Finales.

Erster Satz

Der erste Satz nimmt unter den übrigen eine exponierte Stellung ein. Mahler notiert am Ende des ersten Satzes: „Hier folgt eine Pause von mindestens 5 Minuten.“

Interessant ist außerdem, dass der Komponist nach der Fertigstellung des ersten Satzes in seiner Erstfassung am 10. September 1888 diesen als „Symphonie in c-moll“ überschrieb, diese Überschrift später durch „Todtenfeier“ ersetzte und noch am 16. März 1896, drei Monate nach der Uraufführung der gesamten Sinfonie, allein unter diesem Titel aufführte.

Hauptthema des 1. Satzes

Zweiter Satz

Andante moderato. Sehr gemächlich. Nie eilen!

Thema des 2. Satzes

Der zweite Satz ist ein ruhiger Ländler und steht im großen Gegensatz sowohl zum ersten Satz als auch zu den folgenden Sätzen.

Dritter Satz

"In ruhig fließender Bewegung", c-Moll

Der dritte Satz der Sinfonie ist unüberhörbar mit dem Lied "Des Antonius von Padua Fischpredigt" (aus den Wunderhorn-Liedern) verknüpft. Von Mahler nicht mit einer expliziten Bezeichnung versehen, wird der Satz oft als Scherzo bezeichnet, da seine Gestalt den Prinzipien des Scherzos in der Form A-B-A' entspricht. Die A-Teile sind hierbei sehr eng am Klavierlied angelehnt, während der B-Teil, d.h. das Trio, neu komponiert ist.

Der Satz entstand nach dem Klavierlied, welches als Vorlage diente, jedoch vor der Orchesterfassung des Klavierliedes.

Detail aus dem 3. Satz

Mahler selbst sagte zur Ausarbeitung des Klavierlieds zum Scherzo der Sinfonie:

"In der 'Fischpredigt' [...] herrscht [...] ein etwas süßsaurer Humor. Der heilige Antonius predigt den Fischen, und seine Worte verwandeln sich sofort in ihre Sprache, die ganz besoffen (in der Klarinette) erklingt. [...] Und wie die Versammlung dann, da die Predigt aus ist, nach allen Seiten davon schwimmt:

Die Predigt hat g'fallen,
Sie bleiben wie alle

und nicht um ein Jota klüger geworden ist, obwohl der Heilige ihnen aufgespielt hat! - Die Satire auf das Menschenvolk darin werden mir aber die wenigsten verstehen"

Vierter Satz

Der vierte Satz ist mit „Urlicht (aus des Knaben Wunderhorn)“ überschrieben. Nach dem Tagebuch von Natalie Bauer-Lechner (Januar 1896) sagte Mahler über diesen Satz: „Das 'Urlicht' ist das Fragen und Ringen der Seele um Gott und um die eigene göttliche Existenz über dieses Leben hinaus.“

Der Satz ist durch eine ruhige, getragene Stimmung geprägt. Eine Alt-Solistin singt, im ein- bis dreifachen piano vom Orchester begleitet „O Röschen rot!“ aus Des Knaben Wunderhorn (ursprünglich war dieses Lied Teil von Mahlers Wundernhorn-Vertonung). Wie auch die anderen Sätze ist dieser durch Kontraste volkstümlicher Elemente, wie dem Violinsolo mit (u.a.) Klarinettenbegleitung, mit ungleich empfindsameren Partien, v.a. durch die Alt-Solistin verkörpert, geprägt.

Violin-Solo u. Klarinette, Detail
Alt-Solo, Detail

Vortragsbezeichnung: Sehr feierlich, aber schlicht (Choralmäßig).

Der Text lautet:

O Röschen rot!
Der Mensch liegt in größter Not!
Der Mensch liegt in größter Pein!
Je lieber möcht’ ich im Himmel sein!
Da kam ich auf einen breiten Weg;
Da kam ein Engelein und wollt’ mich abweisen.
Ach nein! Ich ließ mich nicht abweisen!
Ich bin von Gott und will wieder zu Gott!
Der liebe Gott wird mir ein Lichtchen geben,
Wird leuchten mir bis in das ewig selig Leben!

Fünfter Satz

Im Tempo des Scherzos. Wild herausfahrend.

Der Text basiert auf dem Gedicht „Die Auferstehung“ von Friedrich Gottlieb Klopstock. Mahler vertonte die ersten beiden Strophen des klopstockschen Textes, die er durch eigene Hinzudichtung ergänzte. Der Text wird gesungen von einer Sopran-, einer Altsolistin und dem Chor.

Chor und Sopran:

Aufersteh’n, ja Aufersteh’n wirst du
mein Staub, nach kurzer Ruh!
Unsterblich Leben! Unsterblich Leben
wird, der dich rief, dir geben.
Wieder aufzublühn, wirst du gesä’t!
Der Herr der Ernte geht
und sammelt Garben
uns ein, die starben!

Alt:

O glaube, mein Herz! O glaube:
Es geht dir nichts verloren!
Dein ist, ja Dein, was du gesehnt,
Dein, was du geliebt, was du gestritten!
O glaube: Du wardst nicht umsonst geboren!

Sopran:

Hast nicht umsonst gelebt, gelitten!

Chor:

Was entstanden ist, das muss vergehen!
Was vergangen, auferstehen!

Chor und Alt:

Hör auf zu beben!
Bereite dich zu leben!

Sopran und Alt:

O Schmerz! Du Alldurchdringer!
Dir bin ich entrungen!
O Tod! Du Allbezwinger!
Nun bist du bezwungen!
Mit Flügeln, die ich mir errungen,
in heißem Liebesstreben
werd’ ich entschweben
Zum Licht, zu dem kein Aug’ gedrungen!

Chor:

Mit Flügeln, die ich mir errungen,
werde ich entschweben!
Sterben werd’ ich, um zu leben!

Chor, Sopran und Alt:

Aufersteh’n, ja aufersteh’n wirst du,
mein Herz, in einem Nu!
Was du geschlagen,
zu Gott wird es dich tragen!

Diskografie (Auswahl)

Von Gustav Mahlers 2. Sinfonie liegen mehr als 120 Einspielungen auf CD bzw. LP vor. Im folgenden können nur ein paar herausragende Meilensteine der Interpretationsgeschichte angeführt werden. Eine vollständige Diskographie findet sich unter den Weblinks.

  • Bruno Walter, Maria Cebotari (Sopran), Rosette Anday (Alt), Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor, Wiener Philharmoniker. Andante (1948, live)
  • Leonard Bernstein, Lee Venora (Sopran), Jenni Tourel (Alt), The Collegiate Chorale, New York Philharmonic. CBS/Sony (1963)
  • Otto Klemperer, Elisabeth Schwarzkopf (Sopran), Hilde Rössel-Majdan (Mezzosopran), Philharmonia Chorus & Orchestra. EMI (1963)
  • Otto Klemperer, Heather Harper (Sopran), Janet Baker (Alt), Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. EMI (1965)
  • Georg Solti, Heather Harper (Sopran), Helen Watts (Alt), London Symphony Chorus and Orchestra. Decca (1966)
  • Leonard Bernstein, Sheila Armstrong (Sopran), Janet Baker (Alt), Edinburgh Festival Chorus, London Symphony Orchestra. CBS/Sony (1974)
  • Zubin Mehta, Ileana Cotrubas (Sopran), Christa Ludwig (Mezzo-Sopran), Wiener Staatsopernchor, Wiener Philharmoniker. Decca (1975)
  • Eliahu Inbal, Helen Donath (Sopran), Doris Soffel (Alt), Chor des NDR Hamburg, Radio-Sinfonie-Orchester Frankfurt. DENON (1985)
  • Leonard Bernstein, Barbara Hendricks (Sopran), Christa Ludwig (Alt), Westminster Choir, New York Philharmonic Orchestra. Deutsche Grammophon (1987)
  • Gilbert Kaplan, Benita Valente (Sopran), Maureen Forrester (Alt), London Symphony Orchestra. IMP (1987)
  • Gilbert Kaplan, Latonia Moore (Sopran), Nadja Michael (Alt), Wiener Singverein, Wiener Philharmoniker. DG (2002)
  • Claudio Abbado, Eteri Gvazava (Sopran), Anna Larsson (Alt), Orfeon Donostiarra, Lucerne Festival Orchestra. Deutsche Grammophon (2004, live)

Rezeption des Werks

Viele Hörer äußerten Kritik an Mahlers zweiter Sinfonie. Mahler beschreibt die Reaktion Hans von Bülows wie folgt: "Als ich ihm meine Totenfeier vorspielte, geriet er in nervöses Entsetzen und erklärte, dass Tristan gegen mein Stück eine Haydnsche Symphonie ist, und gebärdete sich wie ein Verrückter." Brahms bezeichnete Mahler aufgrund dieser Sinfonie als "König der Revolutionäre".

Literatur

  • Natalie Bauer-Lechner: Erinnerungen an Gustav Mahler, E. P. Tal & Co, Leipzig 1923
  • Christoph Metzger: Mahler-Rezeption – Perspektiven der Rezeption Gustav Mahlers. Florian Noetzel, Wilhelmshaven 2000, ISBN 3-7959-0769-1
  • Rudolf Stephan: Gustav Mahler. II. Symphonie c-moll. Meisterwerke der Musik Bd. 21. Fink, München 1979, ISBN 3-7705-1737-7
  • Renate Ulm (Hrsg.): Gustav Mahlers Symphonien. Bärenreiter und dtv, Kassel u. München 2001, ISBN 3-7618-1533-6
  • Ferdinand Pfohl, Gustav Mahler, Eindrücke und Erinnerungen aus den Hamburger Jahren. (Hrsg. Knud Martner), Musikalienhandlung Karl Dieter Wagner, Hamburg 1973, S. 67-72

Weblinks


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