Pivot-Grammatik

Pivot-Grammatik

Als Pivot-Grammatik (engl. pivot „Angelpunkt, fester Punkt“) wird die von Martin Braine beschriebene theoretische Grammatik bezeichnet, wonach jeder Zweiwortsatz einen sog. Pivot und ein weiteres offenes Wort besitzt.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Ein Kleinkind gebraucht zwischen dem 12. und 18. Monat etwa zehn bis fünfzig Einwort-Sätze. Zwischen dem 14. und 16. Monat tritt die sog. Zweiwortphase auf. Der US-amerikanische Linguist Martine Braine beschrieb 1963 seine Theorie, wonach diese Zweiwort-Kombinationen nach einer festen Regel (Grammatik) gebildet werden. Diese sog. Pivot-Grammatik besteht aus nur zwei Wortklassen: Einem Pivot (P) und einem weiteren offenen Begriff (O). Der Pivot ist hierbei der Angelpunkt und steht stets an derselben Stelle (zu Beginn P1 oder am Ende P2). Der Pivot „zu“ beispielsweise steht gewöhnlich stets an zweiter Stelle: „Tür zu“, „Auto zu“ etc. Die Anzahl der Pivots, die ein Kind in diesem Stadium besitzt, ist gering. Nach Braine entwickeln sich aus den Pivots später die Funktionswörter (Präpositionen, Pronomen, usw.), während aus den anderen Wörtern inhaltliche Begriffe entstehen, wie z. B Substantive oder Adjektive, obwohl ein Pivot auch zu dieser Wortgruppe gehören kann.

So gibt es drei mögliche Zwei-Wort-Kombinationen (P = Pivot; O = offenes Wort):

P1 + O
O + P2
O + O

Die Kombination P + P ist dagegen nicht möglich.[1] Ebenso sind Wechselkombinationen (P2 + O; O + P1) unmöglich.

Heute

Erstmals kritisiert wurde die Pivot-Grammatik-Theorie Anfang der 1970er von den Kindersprachforschern Lois Bloom und Roger Brown von der Universität Harvard. Sie wiesen darauf hin, dass diese Grammatik die inhaltliche Bedeutung eines Wortes nicht berücksichtigt. Der gleiche Zwei-Wort-Satz eines Kindes kann unterschiedliche Bedeutungen haben. Der Satz „Papa Ball“ kann z. B. bedeuten, dass Papas Ball da liegt, oder auch, dass Papa den Ball holen soll. Spätere Untersuchungen ergaben, dass die meisten Zwei-Wort-Kombinationen nicht nach der Pivot-Grammatik aufgebaut sind. Nach Brown besitzen Kinder in dieser Phase eine telegraphische Sprache.[2]

Quellen

Einzelnachweise

  1. Die Zeit: So kommt der Mensch zur Sprache
  2. http://www.psychologie-online.com/component/option,com_docman/Itemid,0/task,doc_view/gid,148/

Literatur

  • Dieter E. Zimmer, So kommt der Mensch zur Sprache, München, 2008, S. 44-47.

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Pivot-Grammatik – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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