- August Christoph Carl Vogt
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August Christoph Carl Vogt (* 5. Juli 1817 in Gießen; † 5. Mai 1895 in Genf) war ein deutsch-schweizerischer Naturwissenschaftler und Demokrat, der nach seiner Einbürgerung in der Schweiz als Reformer der Universität Genf und Politiker wirkte. Als Philosoph vertrat Vogt den Vulgärmaterialismus, den er teilweise in gemeinsamen Veröffentlichungen mit Ludwig Büchner propagierte. Er trat entschieden für Darwins Evolutionslehre ein, er wird namentlich in der Einleitung dessen Buchs „Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl“ erwähnt.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Carl Vogt war der Sohn des liberalen Gießener Medizinprofessors Philipp Friedrich Wilhelm Vogt (1787-1861) und dessen Ehefrau Louise Follen, die 1834 in die Schweiz emigrieren mussten, sowie ein Neffe der Burschenschafter Adolf Ludwig, Karl und Paul Follen. Vogt begann 1833 ein Studium der Medizin in Gießen, ein Jahr später wechselte er zu Chemie unter Justus Liebig. Vogt war Mitglied des wegen seiner politischen Tendenzen behördlich verfolgten Corps Palatia Gießen. 1835 verhalf er einem Kommilitonen zur Flucht vor der politischen Polizei und musste ebenfalls Deutschland verlassen. Er ging zu seiner Familie nach Bern und setzte sein Medizinstudium fort, das er 1839 mit einer Dissertation über Beiträge zur Anatomie der Amphibien beendete.
Von 1839 bis 1845 forschte er bei Louis Agassiz im damals preußischen Neuenburg über Anatomie und Entwicklungsgeschichte von Fischen. Dabei entdeckte er 1842 die Apoptose, den programmierten Zelltod, bei Untersuchungen über die Entwicklung der Kaulquappen der Gemeinen Geburtshelferkröte. Die Bedeutung dieser Entdeckung erschloss sich erst in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Schon in dieser Zeit befasste er sich mit Glaziologie, 1861 nahm er dann an einer Nordlandexpedition teil.
1845 studierte er an der Sorbonne in Paris und untersuchte anschließend niedere Meerestiere in Nizza. In dieser Zeit war er u.a. mit den Anarchisten Michail Bakunin, Pierre Joseph Proudhon und Georg Herwegh zusammen.
1847 wurde er auf Empfehlung von Justus Liebig und Alexander von Humboldt auf den neu eingerichteten Lehrstuhl für Zoologie in Gießen berufen. Er schloss sich dem "Sonderbund", einer Gruppe junger Professoren, sowie dem "Demokratischen Verein" an. Zusammen mit Moritz Carriere, einem Schwiegersohn Liebigs, gab er die republikanische Freie Hessische Zeitung heraus. Anfang 1848 war er für kurze Zeit Befehlshaber der Bürgergarde im Rang eines Obersten.
1848 nahm Vogt am Vorparlament teil und war anschließend Delegierter im Fünfzigerausschuss. Vom 20. Mai 1848 bis zum 18. Juni 1849 war er Abgeordneter für Gießen in der Frankfurter Nationalversammlung. Dort zählte er zur radikaldemokratischen Fraktion Deutscher Hof und vertrat eine entschieden großdeutsche Position. Im Juni 1849 war er als Außenminister Mitglied der vom Rumpfparlament eingesetzten macht- und einflusslosen provisorischen Reichsregentschaft. Von 1849–1850 war er außerdem Abgeordneter in den Landständen des Großherzogtums Hessen.
Vogt hatte zur Unterstützung des badisch-pfälzischen Aufstands aufgerufen. Damit beging er im Sinne des geltenden Rechts Hochverrat am Großherzogtum Hessen-Darmstadt und er wurde aus dem Staatsdienst entlassen. Nach der Niederschlagung der Reichsverfassungskampagne musste er wieder nach Bern in die Schweiz emigrieren und wurde 1852 Professor für Geologie und 1872 Zoologie in Genf. 1856 gehörte er einer vom Genfer Bürgermeister James Fazy geführten Delegation an, die die Loslösung Neuenburgs von Preußen erreichte. Ab 1870 war er maßgeblich an der Reform der von Johannes Calvin begründeten Akademie beteiligt. 1874 bis 1876 war er erster Rektor der Universität. Nach seiner Einbürgerung 1861 war er Mitglied des Großen Rats von Genf und des schweizerischen Nationalrats. Genf ehrt ihn mit dem Boulevard Carl-Vogt und einer Büste am Eingang der Universität.
Materialismusstreit
In dem Materialismusstreit, der 1854 seinen Höhepunkt erreichte, stand Vogt auf der Seite der Materialisten, während die Traditionisten vor allem durch Rudolf Wagner vertreten wurden.
Agent Napoleons III.?
Nach 1850 geriet er in Gegensatz zu den Sozialisten unter Karl Marx, den er 1845 in Paris kennen gelernt hatte. 1860 beschuldigte ihn Marx in seiner Schrift "Herr Vogt", ein bezahlter Agent von Kaiser Napoléon III. gewesen zu sein, und mitverantwortlich für die Ausweisung Wilhelm Liebknechts aus der Schweiz 1850. Vogt vertrat profranzösische und antipreußische Ansichten, z.B. in Studien zur Lage Europas 1859 oder in den Politischen Briefen 1870-1871. Zum Dank wurde er zum Großritter der französischen Ehrenlegion ernannt. Die französische Republik veröffentlichte auch Akten der kaiserlichen Verwaltung, in denen eine Zahlung von 40.000 Francs an eine Person Vogt erwähnt wird. Es konnte jedoch nicht geklärt werden, ob es sich um Carl Vogt handelte.
Werke
- Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte der Geburtshelferkröte. (Alytes obstetricians), Solothurn: Jent und Gassman, (1842), pp 130
- Im Gebirg und auf den Gletschern, 1843
- Lehrbuch der Geologie und Petrefactenkunde, 1846
- Physiologische Briefe, 1847
- Natürliche Schöpfungsgeschichte, 1849
- Die politischen Aufgaben der Opposition in unserer Zeit, 1849
- Untersuchungen über Thierstaaten, 1851 (ein satirischer Vergleich mit Menschenstaaten)
- Bilder aus dem Thierleben, 1852
- Köhlerglaube und Wissenschaft. Eine Streitschrift gegen den Hofrat Rudolph Wagner in Göttingen, 1855
- Studien zur gegenwärtigen Lage Europas, 1859
- Altes und Neues aus Tier- und Menschenleben, 1859, 2 Bände
- Zoologische Briefe, 2 Bände, 1861
- Vorlesungen über den Menschen, seine Stellung in der Schöpfung und in der Geschichte der Erde, 1863
- Nord-Fahrt entlang der Norwegischen Küste, nach dem Nordkap, den Inseln Jan Mayen und Island, 1863
- Physiologie des Geschmacks, 1865
- Politische Briefe, 1870-1871
- Die Säugetiere in Wort und Bild, 1883
- Lehrbuch der praktischen vergleichenden Anatomie, 1885 bis 1895, 2 Bände
- Aus meinem Leben. Erinnerungen und Rückblicke, Stuttgart 1896, unvollendet
Literatur
- Karl Marx: „Herr Vogt.“ London 1860
- F. W. Weitershaus: Wilhelm Liebknecht. Eine Biographie. In: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins, Band 61, 1976
- Peter Moraw: Kleine Geschichte der Universität Gießen. Gießen 1990, ISBN 3-927835-00-5
- Ernst Krause: Vogt, Carl. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 40, Duncker & Humblot, Leipzig 1896, S. 181–189.
- Egbert Weiß, Corpsstudenten im Vormärz - "Verfolgte und Verfolger", in: Einst und Jetzt, Jahrb.1988 des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung, Bd.33, S.47,53,55
- Egbert Weiß, Corpsstudenten in der Paulskirche, Sonderheft 1990 des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung, S.44
- Peter Kaupp, Burschenschafter in der Paulskirche, Broschüre der Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung, 1999, S.115
- Helge Dvorak, Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft, Bd.I, Politiker, Teilbd.6, Heidelberg 2005, S.156, ISBN 3-8253-5063-0
Weblinks
- Literatur von und über Carl Vogt im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Judel, Claus Günther: Der Liebigschüler Carl Vogt als Wissenschaftler, Philosoph und Politiker, Gießener Universitätsblätter 37 (2004) 51-56
- Würdigung Vogts aus Genf, mit Abbildung der Büste vor Universität
Personendaten NAME Vogt, August Christoph Carl KURZBESCHREIBUNG deutsch-schweizerischer Naturwissenschaftler und Politiker GEBURTSDATUM 5. Juli 1817 GEBURTSORT Gießen STERBEDATUM 5. Mai 1895 STERBEORT Genf
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