Gemeine Geburtshelferkröte

Gemeine Geburtshelferkröte
Gemeine Geburtshelferkröte
Gemeine Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans), Männchen mit frischem Eigelege

Gemeine Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans), Männchen mit frischem Eigelege

Systematik
Klasse: Lurche (Amphibia)
Ordnung: Froschlurche (Anura)
Unterordnung: Archaeobatrachia
Familie: Alytidae
Gattung: Geburtshelferkröten (Alytes)
Art: Gemeine Geburtshelferkröte
Wissenschaftlicher Name
Alytes obstetricans
(Laurenti, 1768)
Rufende Geburtshelferkröte (zunächst und im Hintergrund sind auch Teich- und Seefrösche zu hören)

Die Gemeine, Gewöhnliche oder auch Nördliche Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans) ist ein Froschlurch aus der Familie Alytidae. Von den verschiedenen Geburtshelferkröten ist dies die einzige bis nach Mitteleuropa vordringende Art. Die Geburtshelferkröte legt ihren Laich nicht in einem Gewässer ab; stattdessen wickelt sich das Männchen während der Paarung die Eier um die Fersengelenke und trägt sie bis zum Schlüpfen der Kaulquappen mit sich herum.

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Erwachsene Tiere sind durchschnittlich etwa 40, selten über 50 und maximal ca. 55 Millimeter lang – Weibchen werden höchstens geringfügig größer als Männchen. Der kleine Körper ist gedrungen, der Kopf breit, die Schnauze zugespitzt, die Pupillen stehen senkrecht und Ohrdrüsen (Parotiden) sowie Trommelfell sind relativ gut sichtbar. Die graue bis grau-braune Oberseite ist mit kleinen rundlichen, teilweise rötlichen Warzen besetzt, die schmutzig-weiße Unterseite ist meist grau gefleckt. Die laichtragenden Männchen sind unverwechselbar. Sie verfügen weder über Schallblasen noch über saisonale Brunstschwielen (vgl. dazu auch: Paul Kammerer).

Die vorwiegend nächtlichen Rufe (oder tagsüber aus Verstecken heraus) sind ein für das menschliche Gehör angenehmes, sehr hohes, flötenartiges "Üh ... üh ... üh...". Diese Töne erinnern auch an Funksignale oder aus größerer Entfernung an helles Glockengeläut. Durch entsprechendes Pfeifen kann man die Tiere recht gut zum Rufen animieren. Anders als bei den meisten anderen Froschlurchen rufen nicht nur die Männchen, sondern auch die zur Begattung bereiten Weibchen, die zu einem rufenden Männchen wandern.[1]

Etymologie

Die Bezeichnung "Geburtshelferkröte" rührt wohl daher, dass man früher annahm, das Männchen würde beim Amplexus mit seinen Hinterbeinen die Laichschnur aktiv aus der Kloake des Weibchen herausziehen (was jedoch nicht der Fall ist). Andere führen den Namen aber auch auf das Brutpflegeverhalten ("Laichaustragen") des Männchens zurück. Nach dem Klang der Rufe lautet ein weiterer Trivialname "Glockenfrosch" (oder entsprechend regional "Glögglifrosch" etc.). Ein andere Bezeichnung, "Fesslerkröte", bezieht sich auf die durch den Laich wie gefesselt wirkenden Männchen. Zudem sind zahlreiche lokale, teilweise kaum mehr gebräuchliche Namen bekannt, darunter Läutefrosch, Steinklinke, Steinkrötle, Möhnli oder Klinkerkröte. Auch im wissenschaftlichen Namen findet man oben genannte Deutungen wieder: Alytos = Griechisch für "gefesselt", obstetricus = Lateinisch für "Hebamme, bei der Geburt helfend".

Verbreitung und Lebensraum

Verbreitung der Gemeinen Geburtshelferkröte

Die Art ist im (süd)westlichen Europa (Deutschland, Süd-Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Schweiz, Spanien und Portugal) verbreitet. In Deutschland ist sie auf den zentralen Mittelgebirgsraum (nach Norden und Osten: niedersächsisches Weser-Leine-Bergland, Harz und -vorland, westliches Sachsen-Anhalt und westliches Thüringen, nach Süden: Nord- und Mittelhessen, Nordwestbayern) sowie auf den westlichen Teil (südliches Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, südwestliches Baden-Württemberg) beschränkt. Während im erst nacheiszeitlich (wieder)besiedelten Mitteleuropa nur die Nominatform vertreten ist, konnte sich auf der seit Millionen von Jahren besetzten Iberischen Halbinsel eine größere Variationsbreite mit mehreren Unterarten sowie anderen Alytes-Arten entwickeln.

Die Landlebensräume sind wärmebegünstigt und weisen gleichzeitig zahlreiche bodenfeuchte Verstecke (Steinplatten, Steinhaufen, Erdlöcher etc.) auf. Das passende Mikroklima ist ein entscheidender Faktor für die Habitatwahl. Als Fortpflanzungsgewässer nutzt die Art eher anspruchslos ein breite Palette sonniger bis halbschattiger Gewässer mit unterschiedlicher Größe und Wasserführung (Kleinstgewässer, Tümpel, Weiher). Oft liegen die Verstecke und die Gewässer sehr dicht beieinander. Typische Ganzjahreslebensräume befinden sich in Mitteleuropa vor allem in vegetationsarmen Steinbrüchen und Tongruben, auf militärischen Übungsplätzen und teilweise im Siedlungsbereich (Gärten, Friedhöfe).

Fortpflanzungsbiologie

Männchen mit schlupfreifem Laich, hier beim Absetzen ins Larvengewässer
Jungtier, ca. 15 mm lang

In mehreren Phasen zwischen März und August rufen die Männchen vom Land aus nach den Weibchen. Diese antworten bei Annäherung an ein rufendes Männchen manchmal ebenfalls mit Rufen. Auch die Paarung erfolgt an Land. Zunächst umklammert das Männchen rücklings die Lendengegend des Weibchens. Setzt die Eiablage ein, rutscht es nach vorne und hält sich am "Hals" des Weibchens fest. Dann bilden beide Tiere mit den Hinterbeinen ein Körbchen, in dem die vom Weibchen abgegebenen zwei Laichschnüre aufgefangen und vom Männchen besamt werden. Nach einigen Minuten steckt das Männchen seine Hinterbeine mehrmals durch den Laich und wickelt sich so die durch elastische Gallertbänder miteinander verbundenen gelblichen Eier um die Fersengelenke.

Innerhalb von etwa zwei Wochen können sich Männchen mit unterschiedlichen Weibchen verpaaren und mehrere Gelege gleichzeitig aufnehmen. Insgesamt trägt ein Männchen meist mehrere Dutzend (Extremwerte: 5 bis 171) Eier mit sich. Je nach Witterung verbleiben die Laichschnüre 20 bis 45 (50) Tage beim Vatertier. Durch hohe Luftfeuchtigkeit, Tau, Regen und eventuell kurze Gewässeraufenthalte (letzteres wird nur vermutet) werden die Eier feucht gehalten. Nach Abschluss der Eireife begibt sich das Männchen ans Fortpflanzungsgewässer, wo die 12 bis 20 mm langen und relativ weit entwickelten Larven einige Minuten nach dem Wasserkontakt zu schlüpfen beginnen. Die ersten Larven werden ab Mitte Mai ins Wasser gebracht, Männchen mit Eischnüren wurden bis Ende August beobachtet. Eine Überwinterung der Kaulquappen kommt regelmäßig vor; solche überwinterten Larven können manchmal eine Länge von 90, ausnahmsweise auch 110 Millimetern erreichen.

Pro Jahr können sich Geburtshelferkröten bis zu dreimal (seltener bis viermal) fortpflanzen. Die Geschlechtsreife wird nach der zweiten Überwinterung im Anschluss an die Metamorphose erreicht. Die Tiere können über acht Jahre alt werden.

Gefährdung und Schutz

Alytes obstetricans aus Nordspanien

Geburtshelferkrötenbestände werden vor allem von Lebensraumverlust bedroht, wie er durch Verfüllung von Tümpeln, durch Rekultivierung oder Umnutzung von Mauer- und Felsbiotopen, Steinbrüchen und Tongruben, aber auch durch natürliche Sukzession (insbesondere: Verbuschung) der Pionierbiotope entsteht. In Folge von Verinselung, also einer Fragmentierung der Habitate, beispielsweise durch Straßen oder intensive Landwirtschaft, werden Populationen voneinander isoliert. Auch Fischbesatz in den Larvengewässern wirkt sich negativ aus. Die Geburtshelferkröte ist ferner möglicherweise durch die Pilzkrankheit Chytridiomykose bedroht.

Seit den 1980er-Jahren wird in verschiedenen Regionen Mitteleuropas, unter anderem auch im Bergischen Land, an der Westabdachung des Rheinischen Schiefergebirges, ein dramatischer Bestandsrückgang bei der Geburtshelferkröte zumindest außerhalb von Abgrabungsbiotopen verzeichnet. Obwohl hier ursprünglich ein Verbreitungsschwerpunkt der Geburtshelferkröte in Nordrhein-Westfalen lag, sind die meisten Populationen zum Beispiel an Gehöften, Mühlen- und Schönungsteichen inzwischen erloschen.

Ein ungewöhnlicher neuer Lebensraum wurde 2008 im Rahmen eines Artenschutzprogramms ausgewählt: Im Wasserlauf des Löwengeheges im Wuppertaler Zoo sind Kaulquappen der Geburtshelferkröte ausgesetzt worden.[2]

Gesetzlicher Schutzstatus (Auswahl)[3]

Nationale Rote Liste-Einstufungen (Auswahl)[4]

  • Rote Liste Bundesrepublik Deutschland: 3 – gefährdet
  • Rote Liste der Schweiz: EN (entspricht: stark gefährdet)
  • Rote Liste Österreichs: (diese Art kommt hier nicht vor)

Literatur

  • Heinzmann, Ulrich: Untersuchungen zur Bio-Akustik und Ökologie der Geburtshelferkröte, Alytes o. obstetricans (Laur.). Oecologia (Berlin), 5, 19-55, 1970
  • Kurt Grossenbacher & Silvia Zumbach (Hrsg.): Die Geburtshelferkröte – Biologie, Ökologie, Schutz. Zeitschrift für Feldherpetologie, Heft 1/2003, Laurenti-Verlag, Bielefeld. ISSN 0946-7998
  • Rainer Günther & Ulrich Scheidt: Geburtshelferkröte – Alytes obstetricans (Laurenti, 1768). S. 195-214 in: Rainer Günther (Hrsg.): Die Amphibien und Reptilien Deutschlands. Gustav Fischer Verlag, Jena 1996. ISBN 3-437-35016-1

Einzelnachweise

  1. Heinzmann, Ulrich: Untersuchungen zur Bio-Akustik und Ökologie der Geburtshelferkröte, Alytes o. obstetricans (Laur.) Oecologia (Berlin), 5, 19-55, 1970
  2. Kleine Frösche für große Löwen: Zoo rettet die Geburtshelferkröte Westdeutsche Zeitung (online) vom 19. März 2008
  3. Geburtshelferkröte bei www.wisia.de
  4. Online-Übersicht bei www.amphibienschutz.de

Weblinks

 Commons: Gemeine Geburtshelferkröte – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

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