- Primat der Politik
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Primat der Politik, abgeleitet aus lat. Primat primus „der erste“, steht in der Politikwissenschaft für eine normative Vorstellung vom Verhältnis zwischen Wirtschaft und Staat [1]. Hermann Adam unterscheidet dabei vier Typen
- Primat der Ökonomie: der Staat soll nicht in das Wirtschaftsgeschehen eingreifen (Wirtschaftsliberalismus)
- Primat der Politik (z.B. „kapitalistische Planwirtschaft“ im Nationalsozialismus)
- Gleichschaltung von Politik und Wirtschaft (sozialistische Planwirtschaft, oder auch der unterstellte Staatsmonopolistische Kapitalismus)
- Die Interdependenz von Wirtschaft und Politik, der Normalfall in entwickelten Industriegesellschaften.
Eine andere Einteilung nimmt Josef Schmid vor. Dem Primat der Politik ordnet er planwirtschaftliche, wohlfahrtsstaatliche und keynesianische Konzeptionen zu. Dem stellt er Positionen gegenüber, die vom Primat der Ökonomie ausgehen. Dazu zählt er neoklassische (Staatseingriffe meist kontraproduktiv) sowie systemtheoretische Ansätze (mangelnde Steuerungsfähigkeit des Staates). Zwischen Primat der Ökonomie und Primat der Politik stehen die Interdependenz beider Bereiche betonende Ansätze[2].
In seinem Buch Logik der Globalisierung weist Carl Christian von Weizsäcker darauf hin, dass totalitäre Regime grundsätzlich alle Lebensbereiche der Politik unterzuordnen suchen. Forderungen in der Globalisierungsdiskussion nach einem „Primat der Politik“ bezögen sich nicht darauf, sondern stünden in der „Tradition der abendländischen Demokratie“. „Die Freiheit des Bürgers, auch gegen die demokratische Mehrheit,“ sei „notwendige Voraussetzung eines jeden legitimen Primats der Politik“[3]. Weizsäcker vertritt die Ansicht, dass „zur Lösung der Weltprobleme“ der Wirtschaft die Führungsrolle vor der Politik überlassen werden sollte. Eine weitgehende Politisierung des Wirtschaftsgeschehens unter dem Primat der Politik ende in Stagnation und letztlich in der Katastrophe[4].
Vom liberalen Standpunkt aus wird der Politik bzw. dem Staat kein prinzipieller Primat eingeräumt, während manche Staatsrechtler den Staat als höchste Instanz ansehen und nicht als Institution, der von den Bürgern Kompetenzen zugeteilt werden[5]. Hans Willgerodt sieht die Forderung nach einem Primat der Politik als Gegenpol zum Primat der Bürgerfreiheit. Primat der Politik bedeute nicht nur Handlungsbeschränkungen für die Bürger, sondern auch ein behauptetes Besserwissen der politischen Instanzen, welches bewiesen werden müsste[6].
Belege
- ↑ Hermann Adam: Bausteine der Politik: Eine Einführung. Springer, 2007, ISBN 3531154869, S. 215f.
- ↑ Josef Schmid: Wirtschaftspolitik für Politologen. ISBN 3825228045, S. 18f
- ↑ Carl Christian von Weizsäcker: Logik der Globalisierung. Vandenhoeck und Ruprecht, 1999, ISBN 3525340109 S.39
- ↑ Carl Christian von Weizsäcker: Logik der Globalisierung. Vandenhoeck und Ruprecht, 1999, ISBN 3525340109 S.166
- ↑ Hans Willgerodt: Der Neoliberalismus - Entstehung, Kampfbegriff und Meinungsstreit. In Ordo: Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, Band 57, Lucius & Lucius DE, 2006 ISBN 3828203272, S.60
- ↑ Hans Willgerodt: Die Anmaßung von Unwissen. In Ordo: Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, Band 54. Lucius & Lucius 2003, ISBN 3828202756 S. 31
Literatur
- Robert Nef: Politische Grundbegriffe. Auslegeordnung und Positionsbezüge. Verlag Neue Zürcher Zeitung: Zürich 2002, ISBN 3-85823-956-9.
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