Profinet

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PROFINET Logo (ab 2010)

PROFINET (Process Field Network) ist der offene Industrial Ethernet Standard von Profibus & Profinet International (PI) für die Automatisierung. Profinet nutzt TCP/IP und IT-Standards, ist Echtzeit-Ethernet-fähig und ermöglicht die Integration von Feldbus-Systemen.

Das Konzept von Profinet ist modular aufgebaut, so dass der Anwender die Funktionalität selbst wählen kann. Diese unterscheidet sich im Wesentlichen durch die Art des Datenaustauschs, um den Anforderungen an Geschwindigkeit gerecht zu werden.

Bei Profinet gibt es die beiden Sichtweisen Profinet CBA und Profinet IO:

  • Profinet CBA (Component Based Automation) ist für die komponentenbasierte Kommunikation über TCP/IP und die Real-Time-Kommunikation für Echtzeitanforderungen im modularen Anlagenbau gedacht. Beide Kommunikationswege können parallel genutzt werden.
  • Profinet IO ist für die Real-Time- (RT) und die taktsynchrone Kommunikation IRT (IRT= Isochronous Real-Time) mit der dezentralen Peripherie geschaffen worden. Die Bezeichnungen RT und IRT beschreiben lediglich die Echtzeit-Eigenschaften bei der Kommunikation innerhalb von Profinet IO.

Profinet CBA und Profinet IO können zur gleichen Zeit am selben Bussystem kommunizieren. Sie können sowohl separat betrieben als auch kombiniert werden, so dass eine Teilanlage mit Profinet IO in der Anlagensicht als eine Profinet CBA Anlage erscheint.

Inhaltsverzeichnis

Profinet-Komponenten-Modell (Profinet CBA)

Ein Profinet CBA (CBA = Component Based Automation) System besteht aus verschiedenen Automatisierungskomponenten. Eine Komponente umfasst alle mechanischen, elektrischen und informationstechnischen Größen. Die Komponente kann mit den üblichen Programmierwerkzeugen erstellt worden sein.

Zur Beschreibung einer Komponente wird eine Profinet Component Description (PCD)-Datei in XML erstellt. Ein Planungswerkzeug lädt diese Beschreibungen und erlaubt die Erstellung der logischen Verbindungen zwischen den einzelnen Komponenten zur Realisierung einer Anlage.

Dieses Modell ist von der aktuellen Norm IEC 61499 beeinflusst.

Der Grundgedanke von Profinet CBA ist, dass man in vielen Fällen eine gesamte Automatisierungsanlage in autonom arbeitende – und damit überschaubare – Teilanlagen gliedern kann. Der Aufbau und die Funktionalität können sich durchaus in mehreren Anlagen in identischer oder leicht modifizierter Form wiederfinden. Solche sogenannten Profinet-Komponenten sind normalerweise durch eine überschaubare Anzahl von Eingangssignalen gesteuert. Innerhalb der Komponente führt ein vom Anwender geschriebenes Steuerprogramm die erforderliche Funktionalität aus und gibt die entsprechenden Ausgangssignale an eine andere Steuerung. Der damit verbundene Entwicklungsvorgang ist herstellerunabhängig. Die Kommunikation eines komponenten-basierten Systems wird projektiert statt programmiert. Die Kommunikation mit Profinet CBA (ohne Real-Time) ist für Buszykluszeiten von ca. 50..100 ms geeignet. Im parallel angeordneten RT-Kanal sind Datenzyklen wie bei Profinet IO möglich (ein paar ms).

Dezentrale Peripherie (Profinet IO)

Profinet IO erlaubt die Anbindung von dezentraler Peripherie an einen Controller und kann somit als direkter Nachfolger von Profibus DP gesehen werden.

Überblick

Profinet IO beschreibt den gesamten Datenaustausch zwischen Controllern (Geräte mit sog. „Master-Funktionalität“) und den Devices (Geräte mit sog. „Slave-Funktionalität“) sowie die Parametrierung und Diagnose. Profinet IO ist für den Datenaustausch zwischen Ethernet-basierten Feldgeräten ausgelegt und folgt dem Producer-/Consumer-Modell. Feldgeräte in einem unterlagerten Profibus-Strang können über einen IO-Proxy (Stellvertreter für ein unterlagertes Bussystem) in das Profinet IO System eingebunden werden. Ein Geräteentwickler kann Profinet IO mit jedem handelsüblichen Ethernet-Controller realisieren, solange keine Taktsynchronität gefordert ist. Es eignet sich für den Datenaustausch mit Buszyklus-Zeiten von ein paar ms. Das Projektieren eines IO-Systems ist vom „look and feel“ nahezu identisch wie bei Profibus gehalten.

Konformitätsklassen

Die Anwendungen mit Profinet IO können in drei Klassen eingeteilt werden:

  • In der Klasse A sind die alle Geräte nach der Profinet IO Norm ausgeführt. Als Netzwerkinfrastruktur kann auch eine Strukturierte Verkabelung oder für mobile Teilnehmer ein Wireless Local Area Network eingesetzt werden. Eine typische Anwendungen ist die Kontrolle einer Anlage.
  • Die Klasse B schreibt vor, dass auch die Netzwerkinfrastruktur nach den Richtlinien von Profinet IO aufgebaut ist. Geschirmte Kabel erhöhen die Robustheit und Switches mit Managementfunktionen erleichtern die Diagnose und das Netzwerkmanagement. Eine typische Anwendung ist die Kontrolle einer Fertigungslinie oder Maschine.
  • Mit der Klasse C sind taktsynchrone Anwendungen möglich. Dies ist für die Kontrolle einer Bewegung notwendig.

Gerätetypen

Ein Profinet IO System wird aus den folgenden Geräten zusammengesetzt:

  • IO-Controller ist eine Steuerung, die die Automatisierungsaufgabe kontrolliert.
  • IO-Device ist ein Feldgerät, das von einem IO-Controller kontrolliert und gesteuert wird. Ein IO-Device besteht aus mehreren Modulen und Submodulen.
  • IO-Supervisor ist ein Entwicklungs-Werkzeug, typischerweise basierend auf einem PC, um die einzelnen IO-Devices zu parametrieren und diagnostizieren.

Beziehungen

Zwischen einem IO-Controller und einem IO-Device wird eine Application-Relation (AR) aufgebaut. Über diese AR werden Communication-Relations (CR) mit unterschiedlichen Eigenschaften festgelegt:

  • Record Data CR für den azyklischen Parametertransfer
  • IO Data CR für den zyklischen Prozessdatenaustausch
  • Alarm CR für die Signalisation von Alarmen in Echtzeit

Zyklische Daten (IO Data CR): Der Inhalt des zyklischen Datenverkehrs sind die Daten, die die Zentraleinheit an die Peripheriegeräte schickt, damit sie an den Ausgängen ausgegeben werden können sowie die Daten, die ein Peripheriegerät an seinen Eingängen einliest und zur Verarbeitung an die Zentraleinheit schickt. In der Regel geht also in jedem Zyklus ein solches "zyklisches" Datenpaket von der Zentraleinheit an das Peripheriegerät und umgekehrt.

Die Basis hierfür ist ein kaskadierbares Real-Time-Konzept, d.h. für jede zyklische CR kann eine unterschiedliche Zykluszeit festgelegt werden. Der zyklische Datenverkehr kann je nach Anforderung in zwei Klassen eingeteilt werden: Datenaustausch ohne oder mit Taktsynchronität. Im landläufigen Sprachgebrauch wird Datenaustausch ohne Taktsynchronität auch als "RT" (Real Time) bezeichnet, Datenaustausch mit Taktsynchronität auch als "IRT" (Isochronous Real Time).

Für die zyklischen Daten wird bei Profinet eine möglichst effiziente Übertragung im Hinblick auf die Bandbreite angestrebt. Deshalb setzt der zyklische Verkehr direkt auf der Ebene der MAC-Adressen auf und enthält keine IP-Adressen, um die Headerlänge des Datenpakets (und damit auch die Gesamtlänge) klein zu halten. Da die Automatisierungsaufgaben für Profinet IO in aller Regel lokal begrenzt sind (eine Maschine/Anlage) kann man den Verlust der Routingfähigkeit, den man durch den Verzicht auf IP-Headerinformationen in Kauf nimmt, verschmerzen.

Azyklische Parameterdaten (Record Data CR): Daneben gibt es im Datenaustausch zwischen Zentraleinheit und Peripheriegerät auch den azyklischen Datenverkehr, der für Ereignisse genutzt wird, die sich eben nicht ständig wiederholen. Beispiele für azyklischen Datenverkehr sind das Senden von Parametrierungs- und Konfigurationsdaten beim Anlauf eines Peripheriegeräts an das Gerät oder das Senden einer Diagnosemeldung vom Peripheriegerät zur Zentraleinheit im laufenden Betrieb.

Azyklische Daten nutzen das UDP/IP Protokoll.

Azyklische Alarmdaten (Alarm CR): Alarme sind spezielle azyklische Nachrichten die bei Bedarf vom Peripheriegerät an den Controller übertragen werden. Diese sind zeitkritisch und werden somit wie die zyklische Daten direkt über Ethernet übertragen. Im Gegensatz zu den zyklischen Daten müssen diese aber vom Empfänger bestätigt werden.

Engineering

  • Die Eigenschaften eines IO-Devices werden vom Gerätehersteller in einer GSD-Datei (Generic Station Description) beschrieben. Als Sprache hierfür wird die GSDML (GSD Markup Language) – eine XML-basierte Sprache – verwendet. Die GSD-Datei dient einer Entwicklungsumgebung als Grundlage für die Planung der Konfiguration eines Profinet-IO-Systems.
  • Alle Profinet-Feldgeräte ermitteln ihre Nachbarn. Somit können Feldgeräte ohne zusätzliche Hilfsmittel und Vorkenntnisse im Fehlerfall getauscht werden. Durch Auslesen dieser Informationen kann die Anlagen-Topologie zur besseren Übersichtlichkeit grafisch dargestellt werden.
  • Durch Unterstützung des Tool Calling Interfaces (TCI) kann sich jeder Feldgeräte-Hersteller in eine beliebige TCI-fähige Entwicklungsumgebung einklinken und „seine“ Feldgeräte parametrieren und diagnostizieren ohne die Entwicklungsumgebung verlassen zu müssen. Individuell eingestellte Daten können herstellerübergreifend geladen (bspw. über TCI) und in einem Parameter-Server automatisch archiviert werden. Das Nachladen erfolgt beim Gerätetausch ebenfalls automatisch.

Technologie

PROFINET-Protokolle

OSI-Schicht Englisch PROFINET
7a Anwendung Application IO Dienste & Protokolle CBA Dienste & Protokolle
7b leer RPC DCOM & RPC leer
6 Darstellung Presentation -- --
5 Sitzung Session
4 Transport Transport UDP TCP
3 Netzwerk Network IP, ARP, SNMP, DCP, DHCP
2 Sicherung Data Link CSMA/CD, VLAN, MRP, MRRT, LLDP
1 Bitübertragung Physical 100BASE-TX, 100BASE-FX

Profinet verwendet die folgenden Protokolle:

Ethernet: Nur Full-Duplex mit 100 MBit/s elektrisch (100BASE-TX) oder optisch (100BASE-FX) nach IEEE 802.3 sind als Geräteanschluss erlaubt. Somit können in einem Profinet Netzwerk keine Kollisionen mehr stattfinden. Autocrossover ist für alle Anschlüsse obligatorisch damit auf den Einsatz von gekreuzten Kabel verzichtet werden kann. Aus IEEE 802.1Q wird das VLAN mit Priority Tagging verwendet. Alle Echtzeitdaten erhalten damit die grösstmögliche Priorität 6 und werden darum mit einer minimalen Verzögerung von einem Switch weitergeleitet.

Das Profinet Protokoll kann mit jedem Ethernet-Analysewerkzeug aufgezeichnet und dargestellt werden. Wireshark decodiert in der aktuellen Version auch die Profinet-Telegramme.

Das Media Redundancy Protocol (MRP) erlaubt den Aufbau einer redundanten, protokollunabhängigen Ringtopologie mit einer Umschaltzeit unter 50 ms. Für redundante Ringschaltungen ohne Zeitverzögerung im Fehlerfall muss das Media Redundancy Real-Time Protocol (MRRT) verwendet werden.

Das Link Layer Discovery Protocol (LLDP) ist mit zusätzlichen Parametern erweitert worden, so dass neben der Erkennung der Nachbarn auch die Laufzeit der Signale auf den Verbindungsleitungen mitgeteilt werden kann.

Internet: Für den Verbindungsaufbau und die azyklischen Dienste wird das IP Protokoll verwendet. Das Address Resolution Protocol (ARP) wird dazu mit der Erkennung von doppelten IP Adressen erweitert. Für die Vergabe der IP Adressen wird obligatorisch das Discovery and basic Configuration Protocol (DCP) eingesetzt. Optional kann dazu auch DHCP eingesetzt werden.

Für den Aufbau und die Verwaltung von Verbindung wird das bekannte Remote Procedure Call (RPC) Protokoll eingesetzt. Bei CBA werden dabei die Distributed Component Object Model (DCOM) Objekte verwendet.

Profinet Protokolle und Dienste: Um diese Funktionen zu erreichen sind verschiedene Protokollstufen definiert:

  • Die TCP/IP Protokolle für Profinet CBA mit Reaktionszeiten im Bereich von 100ms
  • Das RT (Real-Time) Protokoll für Profinet CBA und Profinet IO, Anwendung bis 10 ms Zykluszeiten
  • Das IRT (Isochronous Real-Time) Protokoll für Profinet IO, Anwendungen bei der Antriebstechnik mit Zykluszeiten unter 1ms

Echtzeitfähigkeit (RT)

Innerhalb von Profinet IO werden Prozessdaten und Alarme immer in Real-Time (RT) übertragen. Real-Time in Profinet basiert auf der Definition von IEEE und IEC, die nur eine begrenzte Zeit für die Ausführung von Real-Time-Diensten innerhalb eines Buszyklusses erlauben. Die RT-Kommunikation stellt die Basis für den Datenaustausch bei Profinet IO dar. Real-Time-Daten werden höherprioritär behandelt als TCP(UDP)/IP-Daten. Wie eng dieses Fenster zu wählen ist hängt von den Echtzeit-Ausprägungen ab. RT liefert die Basis für die Echtzeit-Kommunikation im Bereich der dezentralen Peripherie sowie beim Profinet-Komponenten-Modell (Profinet CBA). Mit dieser Art des Datenaustauschs sind Buszykluszeiten im Bereich von ein paar Hundert Mikrosekunden erreichbar.

Taktsynchronität (IRT)

Der taktsynchrone Datenaustausch mit Profinet ist beim Isochronous-Real-Time (IRT) Konzept definiert. IO-Device (Feldgeräte) mit IRT-Funktionalität haben die Switchports im Feldgerät integriert. Sie basieren zum Beispiel auf den Ethernet-Controllern ERTEC 400/200. Die Datenaustausch-Zyklen liegen normalerweise im Bereich von ein paar Hundert Mikrosekunden bis hin zu wenigen Millisekunden. Der Unterschied zur Real-Time-Kommunikation liegt im Wesentlichen im Determinismus. Der Beginn eines Buszyklusses kann maximal um 1 µs abweichen (Jitter) und wird mit dem Precision Time Protocol (PTP) synchronisiert. IRT benötigt man beispielsweise bei Motion Control-Anwendungen (Positioniervorgänge).

Organisation

Profinet wird durch PROFIBUS & PROFINET International (PI) definiert, vom Interbus Club unterstützt und ist seit 2003 Teil der Normen IEC 61158 und IEC 61784-2.

Literatur

Siehe auch

Weblinks


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