Quantitative Genetik

Quantitative Genetik

Die Quantitative Genetik befasst sich mit den erblichen Komponenten von Merkmalen, die auf einer kontinuierlichen Skala gemessen werden, z. B. Größe oder Gewicht.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Einen frühen Versuch, Regeln für die Vererbung quantitativer Merkmale aufzustellen, unternahm Francis Galton 1889 in seiner Arbeit “Natural Inheritance”. Durch die im Jahr 1900 erfolgte Wiederentdeckung der Mendel'schen Regeln (durch Hugo de Vries und Carl Correns) tauchte bald ein Problem im Umkreis der Evolutionstheorie Darwins auf: Mendel zeigte, dass es “partikulare” Erbfaktoren (heute Gene genannt) gibt, die in festgelegten Verhältnissen an die Nachkommen weitergegeben werden. Es war zunächst unklar, wie die natürliche Selektion eine kontinuierliche Veränderung eines Merkmals (z. B. die Größe einer Erbsenpflanze) bewirken kann, wenn die Erbfaktoren diskrete Einheiten (z. B. Blüte weiß oder rot) sind. Diesen scheinbaren Widerspruch konnte Ronald Fisher 1918 auflösen, indem er zeigte, dass durch das Zusammenwirken vieler Gene genau jene kontinuierlichen Verteilungen auftreten, die in der Natur beobachtet werden. Sewall Wright zeigte dann 1931, wie die natürliche Selektion das Genrepertoire, das zusammen ein Merkmal beeinflusst, verändern kann. In den folgenden Jahrzehnten wurden Methoden der quantitativen Genetik auch erfolgreich in der Tier- und Pflanzenzüchtung eingesetzt. In jüngster Zeit hat sich das methodische Arsenal, das Genetikern zur Verfügung steht, erheblich erweitert, so dass die Wissenschaftler nun nicht nur die Wirkungen der Gene auf ein Merkmal, sondern auch die molekularen Ursachen für die Unterschiede in den Genwirkungen untersuchen können. Von großer Bedeutung sind diese Methoden auch für die medizinische Grundlagenforschung, da zahlreiche erbliche Krankheiten von vielen Genen zugleich beeinflusst werden.

Methoden

Klassische quantitative Genetik

Ein wesentliches Ziel der klassischen quantitativen Genetik ist es, zwischen Umwelteinflüssen und genetischen Faktoren zu unterscheiden. Dazu betrachtet man meist die Varianz (V) des Merkmals unter der Annahme, dass es normalverteilt ist. Die Genetiker versuchen also, die beobachtete Varianz (Streuung um den Mittelwert) in ihre Komponenten zu zerlegen:

VP = VG + VE

VP: phänotypische Varianz

VG: genetische Varianz

VE: Varianz durch Umwelteinflüsse

Die genetische Varianz kann dann weiter aufgeschlüsselt werden, um z. B. Interaktionen von Genen untereinander oder von Genen mit Umweltfaktoren zu erforschen.

VG = VA + VD

VA: additive genetische Varianz

VD: Dominanzvarianz

Ein zweites wesentliches Konzept ist die Erblichkeit :

h2 = VA / VP


Die Erblichkeit zeigt an, wie stark sich z. B. Eltern und Kinder aufgrund ihrer Verwandtschaft hinsichtlich eines Merkmals gleichen.

Weitere Themen der klassischen quantitativen Genetik:

  • natürliche und künstliche Selektion
  • Effekte der Inzucht
  • Korrelierte Merkmale

Neuere Methoden

Quantitative Trait Locus Mapping” ist eine Methode, um die Genorte zu finden, die ein Merkmal beeinflussen. Ähnlich wie bei der Kartierung einzelner Gene wird versucht, eine Kopplung von Phänotyp und Genotyp nachzuweisen. Da das untersuchte Merkmal kontinuierlich verteilt ist, ist diese Kopplung oft schwer nachzuweisen, insbesondere wenn ein Genort nur einen schwachen Effekt auf das Merkmal hat. Statistische Methoden (z. B. maximum likelihood) erlauben eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmter Genort das Merkmal beeinflusst. Das endgültige Ziel eines QTL-Experiments ist es, diejenigen Nukleotide (Bausteine) der DNA zu finden, die die Wirkung des Gens verändern.

Literatur

  • Michael Lynch, Bruce Walsh: Genetics and analysis of quantitative traits, Sinauer 1998

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Quantitative Trait Locus — Darstellung eines QTL für Osteoporose auf dem menschlichen Chromosom 20 (Quelle: PLoS Biology, 2003) Als Quantitative Trait Locus (abgekürzt QTL, Mehrzahl Quantitative Trait Loci, deutsch: Region eines quantitativen Merkmals) wird in der Genetik… …   Deutsch Wikipedia

  • Translokation (Genetik) — Unter einer Translokation oder Translozierung (Ortsveränderung, Versetzung, von lateinisch locus: Ort) versteht man in der Genetik eine Chromosomenmutation, bei der Chromosomenabschnitte an eine andere Position innerhalb des Chromosomenbestandes… …   Deutsch Wikipedia

  • QTL-Mapping — Die Quantitative Genetik befasst sich mit den erblichen Komponenten von Merkmalen, die auf einer kontinuierlichen Skala gemessen werden, z. B. Größe oder Gewicht. Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Methoden 2.1 Klassische quantitative Genetik 2.2… …   Deutsch Wikipedia

  • Hühn — Manfred Hühn Manfred Hühn (* 12. August 1940 in Heckholzhausen bei Weilburg an der Lahn) ist ein deutscher Agrarwissenschaftler. Er lehrte von 1972 bis 2005 Pflanzenzüchtung und Genetik an der Christian Albrechts Universität zu Kiel. Seine …   Deutsch Wikipedia

  • Evolutionsgenetik — Die Populationsgenetik ist die Erforschung der Verteilung von Genfrequenzen unter dem Einfluss von vier Evolutionsfaktoren (daher manchmal auch Evolutionsgenetik genannt): Selektion Gendrift Mutation und Rekombination Migration bzw. Isolation Sie …   Deutsch Wikipedia

  • Manfred Hühn — (* 12. August 1940 in Heckholzhausen bei Weilburg an der Lahn) ist ein deutscher Agrarwissenschaftler. Er lehrte von 1972 bis 2005 Pflanzenzüchtung und Genetik an der Christian Albrechts Universität zu Kiel. Seine …   Deutsch Wikipedia

  • Pseudoautosomale Regionen — Ausschnitt aus einer menschlichen Metaphase Spreitung. Eine Region in der pseudoautosomalen Region auf den kurzen Armen des X Chromosoms (links) und des Y Chromosoms (rechts oben) wurde mit Fluoreszenz in situ Hybridisierung nachgewiesen (grüne… …   Deutsch Wikipedia

  • Adaptive Landschaft — Sewall [Green] Wright (* 21. Dezember 1889 in Melrose (Massachusetts); † 3. März 1988) war ein amerikanischer Theoretischer Biologe und Genetiker, der zusammen mit Ronald Fisher und John Burdon Sanderson Haldane die Populationsgenetik entwickelte …   Deutsch Wikipedia

  • Hermann Nilsson-Ehle — Nils Herman Nilsson Ehle (* 12. Februar 1873 in Skurup; † 29. Dezember 1949 in Lund) war ein schwedischer Biologie. Er entdeckte die Polygenie. Inhaltsverzeichnis 1 Lebenslauf 2 Entdeckung der Polygenie …   Deutsch Wikipedia

  • Nilsson-Ehle — Nils Herman Nilsson Ehle (* 12. Februar 1873 in Skurup; † 29. Dezember 1949 in Lund) war ein schwedischer Biologie. Er entdeckte die Polygenie. Inhaltsverzeichnis 1 Lebenslauf 2 Entdeckung der Polygenie …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”