Rahmenbeschluss

Rahmenbeschluss

Ein Rahmenbeschluss war ein Beschluss des Rates der Europäischen Union, der im Rahmen der 3. Säule (Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen) auf Grundlage der Artikel 29–42 des EU-Vertrages in der Fassung vor dem Vertrag von Lissabon gefasst wurde. Die bereits beschlossenen Rahmenbeschlüsse gelten als solche weiter, bis sie nach Maßgabe der Verträge in der durch den Vertrag von Lissabon geänderten Fassung abgeändert werden. Insbesondere sind die Befugnisse des Europäischen Gerichtshofs hinsichtlich der Rahmenbeschlüsse bis zu deren erstmaligen Änderung weiterhin nach den Verträgen in der Fassung vor dem Vertrag von Lissabon vorgesehenen Bestimmungen zu beurteilen. Diese Übergangsbestimmung tritt fünf Jahre nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon außer Kraft.[1].

Rahmenbeschlüsse dienten bzw. dienen dazu, die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der EU-Mitgliedstaaten aneinander anzugleichen. Sie entsprachen damit den Richtlinien im Rahmen der 1. Säule (Europäische Gemeinschaften). Sie sind deshalb für die Mitgliedstaaten hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich; sie setzen einen Rahmen. Es ist den Mitgliedstaaten jedoch freigestellt, wie und in welcher Form sie das Ziel eines Rahmenbeschlusses erreichen wollen. Im Gegensatz zu „normalen“ Beschlüssen sind Rahmenbeschlüsse nicht unmittelbar wirksam.

Der Rahmenbeschluss wurde ohne Zustimmung des Europäischen Parlaments erlassen. Der Rat musste das Parlament zwar vor der Beschlussfassung anhören, er war an die Stellungnahme des Parlaments jedoch nicht gebunden. Die Entscheidung im Rat hatte einstimmig zu erfolgen. Seit dem Vertrag von Lissabon werden die Angelegenheiten der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen jedoch im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren mit voller Beteiligung des Europäischen Parlaments erlassen.

Über die Rechtmäßigkeit, die Wirksamkeit und die Auslegung von Rahmenbeschlüssen entscheidet der Europäische Gerichtshof. Klagebefugt sind nur die Europäische Kommission und die einzelnen EU-Mitgliedstaaten, nicht jedoch das Europäische Parlament.

Inhaltsverzeichnis

Beispiele

Der Europäische Haftbefehl wurde durch einen Rahmenbeschluss erschaffen.

Ursprünglich wollte der Rat auch die umstrittene Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten per Rahmenbeschluss einführen. Das Europäische Parlament äußerte jedoch starke Bedenken an der Rechtmäßigkeit eines solchen Rahmenbeschlusses und forderte die parlamentarische Mitbestimmung ein. Nachdem sich die Kommission der Auffassung des Parlaments angeschlossen hatte, gab der Rat sein Vorhaben auf. Die Vorratsdatenspeicherung wurde dann durch eine Richtlinie eingeführt. Die Wahl dieses Instruments ist durch den Europäischen Gerichtshof, nach Anrufung durch Irland, in der Rechtssache C-301/06 bestätigt worden.

Literatur

  • Christoph Schönberger: Der Rahmenbeschluss. Unionssekundärrecht zwischen Völkerrecht und Gemeinschaftsrecht. In: ZaöRV. Bd. 67, Teilbd. 2, 2007, S. 1107–1139.
  • Werner Schroeder: Neues vom Rahmenbeschluss – ein verbindlicher Rechtsakt der EU. In: Europarecht (EuR). 42. Jg., H. 3, 2007, ISSN 0531-2485, S. 349–369.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. Art. 9 und 10 des Protokolls (Nr. 36) über die Übergangsbestimmungen Konsolidierte Fassung der Verträge

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • EU-Rahmenbeschluss über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen — Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland dar. Hilf mit, die Situation in anderen Ländern zu schildern. Der EU Rahmenbeschlusses über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen… …   Deutsch Wikipedia

  • Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung — Basisdaten der EG Richtlinie 2006/24/EG Titel: Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer… …   Deutsch Wikipedia

  • Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung — Basisdaten der EG Richtlinie 2006/24/EG Titel: Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer… …   Deutsch Wikipedia

  • Zwangsprostitution — Zur Neutralitätsdiskussion siehe Diskussion:Zwangsprostitution#Bildzeitungsniveau Zwangsprostitution bezeichnet die illegale Praxis, Menschen zur Arbeit als Prostituierte zu zwingen. Davon betroffen sind überwiegend Frauen und Kinder.… …   Deutsch Wikipedia

  • EU-Haftbefehl — Der Europäische Haftbefehl (EUHB) ist ein für die EU vereinheitlichter Haftbefehl, der auf einem [1] Rahmenbeschluss vom 13. Juni 2002 beruht. Er vereinfacht und verkürzt die Auslieferung von Straftätern, da sich das um Auslieferung ersuchte Land …   Deutsch Wikipedia

  • Richtlinie 2006/24/EG über die Vorratsspeicherung von Daten — Basisdaten der Richtlinie 2006/24/EG Titel: Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer… …   Deutsch Wikipedia

  • Europäischer Haftbefehl — Der Europäische Haftbefehl (EuHB) ist ein Instrument zur EU weiten Durchsetzung eines nationalen Haftbefehls, das auf einem Rahmenbeschluss vom 13. Juni 2002[1] beruht. Er vereinfacht und verkürzt die Auslieferung von Straftätern bzw.… …   Deutsch Wikipedia

  • Grenzüberschreitender Prostitutionshandel — Dieser Artikel oder Abschnitt bedarf einer Überarbeitung. Näheres ist auf der Diskussionsseite angegeben. Hilf mit, ihn zu verbessern, und entferne anschließend diese Markierung …   Deutsch Wikipedia

  • Human Trafficing — Dieser Artikel oder Abschnitt bedarf einer Überarbeitung. Näheres ist auf der Diskussionsseite angegeben. Hilf mit, ihn zu verbessern, und entferne anschließend diese Markierung …   Deutsch Wikipedia

  • Jugendpornographie — Der Begriff Kinderpornografie (manchmal auch mit KiPo abgekürzt) bezeichnet die in fast allen Rechtssystemen mit hohen Strafen sanktionierte Darstellung sexueller Handlungen von und an Kindern. International wird der Begriff Kinderpornografie… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”