Reclams Universal-Bibliothek

Reclams Universal-Bibliothek
Regal mit der gesamten Universalbibliothek seit 1970
Einer der Erstdrucke der Nr. 1, 1867
Erste nachweisbare Anzeige in einer Zeitung, "Leipziger Zeitung" vom 4. Februar 1868
Verlagsverzeichnis von 1902
Reclam-Heft von 2008

Als Reclam-Hefte sind die Bücher der Universal-Bibliothek des Reclam-Verlags bekannt. Bei äußerster Sparsamkeit in der Ausstattung wird deutsche und internationale Literatur zu einem günstigen Preis angeboten und findet besonders in der schulischen und universitären Bildung Verwendung.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Herausgabe der Universal-Bibliothek durch den Verlag Philipp Reclam jun. in Leipzig begann am 10. November 1867 mit den ersten zwei Nummern: Faust I und Faust II von Goethe. Die für damalige Verlagsverhältnisse sehr große Erstproduktion mit jeweils 5.000 Exemplaren der beiden Faust-Ausgaben war innerhalb von wenigen Wochen so gut wie vergriffen, so dass im Dezember 1867 nochmals 5.000, im Februar 1868 zusätzlich 10.000 Exemplare gedruckt und ausgeliefert wurden. Bis Ende des Jahres 1867 erschienen weitere 33 Nummern der Universal-Bibliothek.

Der von Anfang an niedrige Preis (2 Silbergroschen je Band) konnte lange Zeit gehalten werden, da durch Gesetz des Deutschen Bundes vom 9. November 1867 alle literarischen Werke gemeinfrei wurden, deren Verfasser vor 30 oder mehr Jahren verstorben waren. Daher brauchte weder eine Vergütung für die Autoren gezahlt, noch mussten von einem anderen Verlag Nutzungsrechte gekauft werden. Damit entfiel ein wesentlicher Kostenpunkt bei der Herausgabe von Büchern.

Der Verlag achtete von Anfang an darauf, dass in der Sammlung ein hohes Niveau gehalten wurde, so dass Reclam über zahlreiche Konkurrenten auf dem „Billigbuch-Sektor“ die Oberhand behielt. So waren neben klassischer und bald auch moderner Literatur auch naturwissenschaftliche, juristische (Gesetzestexte) und philosophische Werke sowie Opernlibretti im Programm.

Nach Einführung der Mark als Währung im Reich belief sich der Preis auf 20 Pfennig. Bis April 1898 erschienen schon 3810 Bände, von denen allerdings viele nur eine Auflage erlebten.

Ab 1912 gab es zur Absatzförderung neben dem Verkauf über dem Ladentisch auch die sogenannten Automatenbücher, die aus bis zu 2000 (Stand 1917) Verkaufsautomaten vor allem auf Bahnhöfen als Reiselektüre erworben werden konnten und „jedem Freund guter Bücher den Genuß gehaltvoller Lektüre auf Reisen und für Stunden flüchtiger Unterhaltung bequem und billig vermitteln“, wie der Klappentext anpries.

1947 wurde der Verlag in einen Ost- und einen Westzweig getrennt (bis zur „Wiedervereinigung“ 1992). Es gab damals zwei Reihen: eine mit Sitz in Leipzig und eine mit Sitz in Stuttgart.

Umschlaggestaltung

Allgemein

Die Umschläge der Universal-Bibliothek waren und sind einheitlich gestaltet, wobei das Design 1917, 1936, 1949, 1957, 1970 und 1988 grundlegend überarbeitet wurde. 1949 nahm man dabei Abschied von der Fraktur, 1970 wurde von Hellbraun auf das bis heute charakteristische Gelb gewechselt. Während bis 1988 ein Klappentext gänzlich fehlte oder in früher Zeit nur aus Verlagswerbung bestand, wird der Einband seitdem mit kurzen Werkinformationen (Rückseite) und einer zum Werk passenden Vignette (Vorderseite) bedruckt.

Neben den broschierten Heften waren die Veröffentlichungen bis in die 1990er Jahre auch als solide gebundene Bücher in Ganzleinen (bis etwa 1900 reich verziertes Kaliko mit goldener Titelvignette, goldgeprägtem Rückentitel und marmoriertem Kopfschnitt, später Buchbinderleinen, ab etwa 1920 in blauen Bänden ohne Goldverzierung) sowie in Prachtbänden aus geprägtem Ganzleder erhältlich.

Die oben erwähnten Automatenbücher, die aber Episode blieben, waren in der ersten Phase des Verkaufes rosa. Später, im Rahmen von Preissteigerungen, wurde für die Automatenhefte ein eigenes Design (Tapetenmuster) entwickelt. Dabei wurden vollständige Bücher der UB übernommen, wenn sie eine bestimmte Seitenzahl nicht überstiegen, oder es wurden aus Büchern der UB Ausschnitte zu einem weniger Seiten umfassenden Bändchen zusammengestellt. Dieses wurde gerne bei Erzählungen und Gedichten gemacht.

Heutige Farbgebung

Innerhalb der Universalbibliothek sind die Hefte durch einen Farbcode abgesetzt:

  1. Gelb: Einsprachige Ausgaben in deutscher Sprache, meist mit Anmerkungen und Vorwort oder Nachwort. In dieser Reihe finden sich auch Übersichtswerke beispielsweise zur deutschen Literatur, zur Geschichte oder zur Philosophie.
  2. Rot: Fremdsprachige Ausgaben, mit Vokabelhilfe. In Englisch, Französisch, Italienisch, Latein, Russisch oder Spanisch.
  3. Orange: Zweisprachige Ausgaben (Ausgangssprache/Deutsch).
  4. Blau: Lektüreschlüssel und Arbeitstexte für den Unterricht, beispielsweise Kurzgeschichten für einen bestimmten Jahrgang.
  5. Grün: Erläuterungen, Interpretationen, Quellentexte.
  6. Magenta: Sachbuch zu Geschichte, Gesellschaft, Kunst, Musik, Natur, Politik oder Religion.

Kulturgeschichte

Das Reclam-Heft ist Bestandteil des Bildungsbetriebes in Deutschland. Der günstige Preis macht die Hefte zu einem Verbrauchsgut. Ein bibliophiler Wert wird ihm in der Regel nicht beigemessen. Die einfache Aufmachung bringt mit sich, dass die Bände nicht so dauerhaft sind wie gebundene Bücher. Folglich überdauern die Ausgaben die Zeitläufte nicht so gut wie gleichalte Bücher soliderer Machart. In Krisenzeiten (Erster Weltkrieg, Weltwirtschaftskrise, Zweiter Weltkrieg, Nachkriegszeit bis in die 1950er-Jahre) wurden minderwertige Papiersorten verwendet. Dadurch konnte aber der niedrige Preis gehalten und auch ärmeren Schichten die Möglichkeit gegeben werden, ihren Bildungshunger zu befriedigen, obgleich deren Geld knapp war. Insofern kamen die Reclam-Hefte insbesondere in den genannten Zeitperioden eher dem aktuellen Lesebedarf, nicht aber dem Aufbau einer dauerhaften Bibliothek entgegen.

Literatur

  • Annemarie Meiner: Reclam. Eine Geschichte der Universal-Bibliothek zu ihrem 75jährigen Bestehen, Philipp Reclam jun., Leipzig 1942
  • Reclam. 100 Jahre Universal-Bibliothek. 1867–1967. Philipp Reclam jun., Stuttgart 1967
  • Dietrich Bode: Reclam. 125 Jahre Universal-Bibliothek. 1867–1992. Verlags- und kulturgeschichtliche Aufsätze. Philipp Reclam jun., Stuttgart 1992, ISBN 3-15-010378-9
  • Frank Wagner: "Straff im Lehnstuhl sitzend noch am letzten Tage ...". Die Erfolgsgeschichte des Anton Philipp Reclam und seiner "Universal-Bibliothek". In: Leipzig 1896. Momentaufnahmen einer Buchhandelsstadt, Leipziger Hefte 8, Sax-Verl., Beucha 1996, S. 19-33, ISBN 978-3930076390
  • Bibliographie der Stuttgarter Reihe:
    • Dieter Meier: Reclams Universal-Bibliothek, Stuttgart 1947–1992: Eine Bibliographie. Philipp Reclam jun., Stuttgart 1992, ISBN 3-15-010379-7
  • Bibliographie der Leipziger Reihe:
    • Udo Braun, Lothar Kretschmar: Reclams Universal-Bibliothek: Gesamtverzeichnis 1945–1963. Reclam, Leipzig 1969
    • Reclams Universal-Bibliothek: Gesamtverzeichnis 1963–1975. Reclam, Leipzig 1978
  • Gesamtkatalog 2009/2010. Alle lieferbaren Titel. Neuerscheinungen Herbst|Winter, Reclam jun., Stuttgart 2009.

Weblinks


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