Rentenanpassungsformel

Rentenanpassungsformel

Anhand der Rentenanpassungsformel – manchmal fälschlich als Rentenformel bezeichnet – wird die Rate berechnet, mit der der Aktuelle Rentenwert und damit die Renten zum 1. Juli des jeweiligen Jahres angehoben werden. Prinzipiell steigen die Renten danach anhand der Bruttolöhne und -gehälter des Vorjahres. Der Anstieg folgt allerdings nicht strikt den Bruttolöhnen, sondern wird durch verschiedene Faktoren angepasst:

  1. Anpassung der Bruttolohnentwicklung an die Entwicklung der beitragspflichtigen Löhne und Gehälter des vorvergangenen Jahres.
  2. Riesterfaktor: dieser setzt sich aus dem Altersvorsorgeanteil (Riestertreppe) sowie dem Beitragssatz zur Allgemeinen Rentenversicherung zusammen.
  3. Nachhaltigkeitsfaktor: berücksichtigt das Verhältnis von RentnerInnen zu BeitragszahlerInnen modifiziert um den Faktor α, der die Auswirkung aktuell auf ein Viertel mindert.
  4. Schutzklausel: Diese verhindert, dass die Renten, aufgrund des Riesterfaktors, des Nachhaltigkeitsfaktors oder der Lohnentwicklung, absolut sinken dürfen; werden "Kürzungen" unterlassen, werden zukünftig Rentenerhöhungen so lange halbiert, bis die Kürzung nachgeholt ist.

Inhaltsverzeichnis

Die Formel und ihre Faktoren

Die mathematische Gestalt der Rentenanpassungsformel

Die Rentenanpassungsformel ist in § 68 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) aufgeführt bzw. für den Zeitraum von 1. Juli 2005 bis 1. Juli 2013 in § 255e SGB VI.

Die aktuelle Rentenanpassungsformel (Stand März 2010) sieht so aus:

 \mathrm{aRW}_\text{t} = \mathrm{aRW}_\text{t-1} \cdot \overbrace{\frac{\mathrm{BE}_\text{t-1}} {\mathrm{BE}_\text{t-2} \cdot \frac{\frac{\mathrm{BE}_\text{t-2}} {\mathrm{BE}_\text{t-3}}} {\frac{\mathrm{bBE}_\text{t-2}} {\mathrm{bBE}_\text{t-3}}}}}^{Lohnkomponente} \cdot \overbrace{\frac{100-\mathrm{AVA}_\text{t-1}-\mathrm{RVB}_\text{t-1}} {100-\mathrm{AVA}_\text{t-2}-\mathrm{RVB}_\text{t-2}}}^{Riesterfaktor} \cdot \overbrace{\left( \left(1-\frac{\mathrm{RQ}_\text{t-1}} {\mathrm{RQ}_\text{t-2}} \right)\cdot\alpha+1\right)}^{Nachhaltigkeitsfaktor}

Wobei:
aRWt ist der zu berechnende aktuelle Rentenwert
aRWt-1 ist der aktuelle Rentenwert des Vorjahres
BEt-x sind Bruttolöhne und -gehälter des Vorjahres (t-1), des vorvergangenen Jahres (t-2) oder vorvorvergangenen Jahre (t-3) je Arbeitnehmer ohne Ein-Euro-Jobs nach der Systematik der VGR
bBEt-x sind die beitragspflichtigen Bruttolöhne und -gehälter nach der Versichertenstatistik des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger ohne Beamte und einschließlich der Beiträge auf Arbeitslosengeld des vorvergangenen (t-2) oder vorvorvergangenen (t-3) Kalenderjahres
AVAt-x ist der Altersvorsorgeanteil des vergangenen (t-1) oder vorvergangenen (t-2) Kalenderjahres; beginnend mit 0,5 im Jahr 2002 steigt dieser jährlich um 0,5 bis er 4,0 erreicht; in den Jahren 2006, 2007 und 2008 lag der AVA konstant bei 2,0, weswegen der AVA erst im Jahr 2012 den Wert 4,0 erreicht
RVBt-x ist der Beitrag zur Rentenversicherung des vergangenen (t-1) oder vorvergangenen (t-2) Kalenderjahres
RQt-x ist der Rentnerquotient des vergangenen (t-1) bzw. vorvergangenen (t-2) Kalenderjahres; der RQ berechnet das Verhältnis der ÄquivalenzrenternInnen zu den ÄquivalenzbeitragszahlerInnen und ist so ausgestaltet:
α Entspricht aktuell 0,25. Dadurch geht die rentenmindernde Wirkung des Rentnerquotienten lediglich zu einem Viertel ein.
\mathrm{RQ}_\text{t-x} = \frac{\frac{\mathrm{Rentenvolumen}_\text{t-x}} {\mathrm{Eckrente}_\text{t-x}}} {\frac{\mathrm{Beitragsvolumen}_\text{t-x}} {\mathrm{Beitrag~auf~vDE}_\text{t-x}}}
Wobei:
Rentenvolumen Gesamtvolumen der ausgezahlten Renten
Eckrente Höhe einer abschlagsfreien Altersrente bei 45 Entgeltpunkten (Standardrente)
Beitragsvolumen Gesamtvolumen der Beiträge aller rentenversicherungspflichtig Beschäftigten, der geringfügig Beschäftigten und der Bezieher von Arbeitslosengeld
Beitrag auf vDE Auf das vorläufige Durchschnittsentgelt nach Anlage 1 SGB VI entfallende Beitrag zur GRV

Sogenannter "Riester-Faktor"

Der "Faktor für die Veränderung des Beitragssatzes zur Rentenversicherung (RVB) und des Altersvorsorgeanteils (AVA)" wurde 2001 mit dem Gesetz zur "Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens" (Altersvermögensergänzungsgesetz - AVmEG) eingeführt. Der Faktor wird häufig, nach dem damaligen Arbeitsminister Walter Riester (SPD), als "Riester-Faktor" bezeichnet. Der Riesterfaktor setzt sich aus zwei Komponenten zusammen:

  • Altersvorsorgeanteil (AVA): Simuliert die "Belastung" der Erwerbstätigen durch verstärkte private Altersvorsorge (Riester-Rente).
  • Rentenversicherungsbeitrag (RVB): Berücksichtigt die "Belastung" der Erwerbstätigen durch die Beiträge zur Gesetzlichen Rentenversicherung.

Der Altersvorsorgeanteil steigt dabei stufenweise jährlich um 0,5 Prozent beginnend mit 0,5 Prozent im Jahr 2002 bis 4,0 Prozent im Jahr 2013 (in den Jahren 2007 und 2008 ausgesetzt: konstant bei 2,0 geblieben). Durch diese Treppe mindert der AVA die Rentenerhöhungen und unterstellt, dass diese so entstehende Versorgungslücke gegenüber dem bisherigen Leistungsziel durch private Altersvorsorge ausgeglichen wird. Dabei wird die Vorsorgebelastung des Vorjahres ins Verhältnis gesetzt mit der Belastung des vorvergangenen Jahres. Die Vorsorgebelastung wird errechnet, in dem von einem Wert von 100 der AVA und der RVB des jeweiligen Jahres (als Prozentzahl) abgezogen wird.

Im März 2008 hat Bundesarbeitsminister Scholz bekannt gegeben, der Altersvorsorgeanteil solle für die Dauer von zwei Jahren ausgesetzt werden. Hierzu hat der Deutsche Bundestag den § 255e SGB VI so geändert, dass der Altersvorsorgeanteil für die Jahre 2007 und 2008 auf dem Wert des Jahres 2006 konstant gehalten wurde. Daher verlängert sich der Zeitraum, in dem der Altersvorsorgeanteil den Rentenanstieg mindert, von 2011 auf 2013.

Für die Rentenanpassung des Jahres 2008 ergab sich aufgrund des Riesterfaktors folgendes Ergebnis:

\frac{100 - \text{2 (Altersvorsorgeanteil 2007)} - \text{19,9 (Beitragssatz 2007)}} {100 - \text{2  (Altersvorsorgeanteil 2006)} - \text{19,5 (Beitragssatz 2006)}} = 0,9949.

Die rein lohnbezogene Rentenanpassung wurde demnach um 0,51 Prozent gemindert (rechnerisch durch (1-0{,}9949) \cdot 100 = 0{,}51).

Nachhaltigkeitsfaktor

Der zweite Faktor ist der so genannte Nachhaltigkeitsfaktor. Dieser wurde mit dem "Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung" (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) 2004 eingeführt. Kern dieses Faktors ist die Entwicklung des Rentnerquotienten. Dieser setzt die Zahl der ÄquivalenzrentnerInnen mit den ÄquivalenzbeitragszahlernInnen ins Verhältnis. Die Zahl der ÄquivalenzrentnerInnen stellt im Prinzip dar, wie viele Eckrentner die aktuellen Rentenausgaben der Rentenversicherung verursachen würden. Die ÄquivalenzbeitragszahlerInnen stellen die Zahl dar, wie viele DurchschnittsverdienerInnen Beiträge entrichten müssten, um die Beitragseinnahmen der GRV zu erzeugen. Ziel des Faktors ist es im Wesentlichen, die mit dem Altersvermögensergänzungsgesetz eingeführten Beitragssatzobergrenzen von 20 Prozent bis 2020 und 22 Prozent bis 2030 einzuhalten. Ausdruck hiervon ist insbesondere der Faktor α, welcher den Rentnerquotient nur zu 25 Prozent wirken lässt. Im Ergebnis ist das Beitragssatzziel in der GRV dominant geworden. Damit wurde die Rentenversicherung von einem leistungsorientierten Versicherungssystem (Ziel ist ein bestimmtes Rentenniveau) in ein beitragssatzorientiertes Versicherungssystem (der Beitragssatz entscheidet über die Höhe der Rente) umgestellt.

Schutzklausel

Die Schutzklausel (§ 68a SGB VI; bzw. bis 2013 in § 255e SGB VI) wurde ebenfalls im Zuge des "Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung" (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) 2004 eingeführt. Diese schließt eine Reduzierung des aktuellen Rentenwerts durch die kombinierte Anwendung des Riester-Faktors und des Nachhaltigkeitsfaktors aus. Die Rentenanpassung wird daher auch bei stagnierender Einkommensentwicklung und gleichzeitig steigenden Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung und steigendem Altersvorsorgeanteil für die geförderte Altersvorsorge maximal auf Null reduziert. Ein Absinken des Rentenwerts durch sinkende durchschnittliche Bruttolöhne ist indes nicht ausgeschlossen.

Mit dem "Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung" (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) im Jahr 2007 wurde die Schutzklausel modifiziert. Die durch die Schutzklausel unterlassenen Rentenkürzungen werde danach ab dem 1. Juli 2011 mit Rentenerhöhungen verrechnet. Dabei wird die sich aus der Rentenanpassungsformel ergebende Rentenerhöhung (also die bereits durch die Dämpfungsfaktoren geminderte Rentenerhöhung) so lange halbiert, bis der in § 255d SGB VI festgehaltene "Ausgleichsbedarf" (häufig bezeichnet als Nachholbedarf) nachgeholt ist.

Am 19. Juni 2009 beschloss der Deutsche Bundestag das "Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, zur Errichtung einer Versorgungsausgleichskasse und zur Änderung anderer Gesetze"[1], durch welches die Schutzklausel (§ 68a SGB VI) ausgeweitet wird. Ein Absinken des Rentenwertes ist nun auch dann ausgeschlossen, wenn die für die Rentenentwicklung maßgebliche Berechnungsbasis, die Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter, rückläufig ist. Damit wird im Fall sinkender Löhne ein nominales Sinken der Renten verhindert. Die Rentenzahlbeträge bleiben dann gleich, es gibt eine sogenannte "Nullrunde". Die unterbliebene aber rechnerisch notwendige Rentenkürzung wird gemäß § 68a (wie oben erläutert) mit späteren Rentenerhöhungen verrechnet, bis die unterlassene Rentenkürzung nachgeholt wurde.

Einzelnachweise

  1. Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, zur Errichtung einer Versorgungsausgleichskasse und zur Änderung anderer Gesetze

Weblinks

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