Rest (Chemie)

Rest (Chemie)

In der Chemie versteht man unter funktionellen Gruppen (auch charakteristische Gruppen) Atomgruppen in organischen Verbindungen, die die Stoffeigenschaften und das Reaktionsverhalten der sie tragenden Verbindungen maßgeblich bestimmen. Chemische Verbindungen, die die gleichen funktionellen Gruppen tragen, werden auf Grund ihrer oft ähnlichen Eigenschaften zu Stoffklassen zusammengefasst.

Funktionelle Gruppen werden anhand der beteiligten Atome in funktionelle Gruppen mit Heteroatomen (zB. Ether) und solche ohne Heteroatome (zB. C=C Doppelbindungen, CC Dreifachbindungen oder Aromaten) eingeteilt. Letztere werden manchmal nicht alsvollwertigefunktionelle Gruppen betrachtet, weil sie zum einen nur als Strukturbausteine betrachtet werden, die zum anderen wenig bis gar nicht reaktiv sind.

Im Fall von anorganischen oder metallorganischen Verbindungen werden auch einfache Alkyl- oder Arylgruppen als funktionelle Gruppen angesehen. Alle organischen Seitenketten und funktionellen Gruppen werden dann unter der allgemeinen Bezeichnung Organylgruppe zusammengefasst.

Inhaltsverzeichnis

Eigenschaften

Wie die Definition vermuten lässt, beeinflusst eine funktionelle Gruppe die chemischen und physikalischen Eigenschaften der sie enthaltenden Ausgangsverbindung oft erheblich. Die Art der Beeinflussung durch die funktionellen Gruppen sei hier am Beispiel des Alkans Butan und drei seiner Derivate gezeigt:

Derivat Verbindung Summenformel Eigenschaften
Ausgangsverbindung Butan H3CCH2CH2CH3 gasförmig
Carboxylverbindung Butansäure, auch Buttersäure H3CCH2CH2COOH flüssig, übelriechend, reagiert sauer
Aminoverbindung Butan-2-amin H3CCH(NH2)–CH2CH3 flüssig, übelriechend, reagiert basisch
Carboxyl- und Aminoverbindung 4-Aminobutansäure, auch 4-Aminobuttersäure oder γ-Aminobuttersäure (GABA) H2NCH2CH2CH2COOH fest, liegt in wässriger Lösung als Zwitterion H3N+CH2CH2CH2COO vor

Verschiedene funktionelle Gruppen und deren Nomenklatur

Grundsätzlich ist die substitutive Nomenklatur, die im Folgenden beschrieben wird, zur Benennung von Substanzen heranzuziehen. Nach dieser Nomenklatur ist die funktionelle Gruppe entweder als Vorsilbe (Präfix) oder als Endung (Suffix) im Namen der Gesamtverbindung enthalten.

Siehe auch: Nomenklatur

Funktionelle Gruppen (nach abnehmender Priorität geordnet)

Für die Bezeichnung dieser Gruppen in einer Verbindung werden entweder Präfixe oder Suffixe verwendet. Die ranghöchste Gruppe wird dabei als Endung verwendet und alle anderen, alphabetisch geordnet, als Vorsilben. Die verschiedenen Verbindungsklassen sind in der folgenden Tabelle nach abnehmender Priorität geordnet.

Zum Teil gibt es unterschiedliche Bezeichnungen, je nachdem ob das angegebene Kohlenstoffatom einen Teil des Stammsystems (siehe Stichwort Nomenklatur) darstellt (Darstellung: R-CXYZ) oder nicht (Darstellung: R-CXYZ). Wie in der Chemie üblich, steht der Buchstabe R für einen organischen Rest.

Struktur Stoffklasse Vorsilbe Endung Beispiele
R R: Radikale Ylo-" „-yl
„-yliden
z. B. Cl
Kationen „-ium
„-onium
„-ylium
z. B. Kationische Tenside, Methyltriphenylphosphonium
RCOOH
RCOOH
Carbonsäuren Carboxy-"
-
„-carbonsäure
„-säure
z. B. Ameisensäure, Essigsäure, Buttersäure, Aminosäuren
RCOOOH
RCOOOH
Peroxycarbonsäuren Hydroperoxycarbonyl-"
-
„-peroxycarbonsäure
„-Peroxy....säure
z. B. Peroxyessigsäure
RCSOH

RCSOH
RCOSH

RCOSH
RCSSH
RCSSH
Thiocarbonsäuren Hydroxy(thiocarbonyl)-“
Thiocarboxy-"
-
Sulfanylcarbonyl-"
Thiocarboxy-"
-
"(Dithiocarboxy)-"
-
„-carbothio-O-säure

„-thio-O-säure
„-carbothio-S-säure

„-thio-S-säure
„-carbodithiosäure
„-dithiosäure
RSO3H Sulfonsäuren Sulfo-“ „-sulfonsäure z. B. Benzolsulfonsäure
RSO2H Sulfinsäuren Sulfino-“ „-sulfinsäure
RSOH Sulfensäuren Sulfeno-“ „-sulfensäure
RS=OR Sulfoxide - „-sulfoxid Dimethylsulfoxid
RCOOM+
RCOOM+
Carbonsäuresalze Metallcarboxylato-"
-
Metall-...-carboxylat
Metall-...-oat
z. B. Acetat
RSO3M+ Sulfonsäuresalze Metallsulfonato-“ Metall-...-sulfonat
RSO2M+ Sulfinsäuresalze Metallsulfinato-“ Metall-...-sulfinat
RSOM+ Sulfensäuresalze Metallsulfenato-“ Metall-...-sulfenat
RCOOCOR Carbonsäureanhydride - „...säure...säureanhydrid
bei gleichen Säuren:
„...säureanhydrid
z. B. Essigsäureanhydrid
RCOOR
RCOOR
R-O-COR
Carbonsäureester „(R yl-)oxycarbonyl
„(R yl-)...-carboxylat
„(R yl-)...-oat
-
z. B. Ethylacetat
R-SO3R Sulfonsäureester „(R yl-)oxysulfonyl-“ „(R yl-)...-sulfonat
RCOX
RCOX
Carbonsäurehalogenide Halogencarbonyl-“
-
„-carbonylhalogenid
„-oylhalogenid
z. B. Benzoylchlorid
RSO2X Sulfonsäurehalogenide Halogensulfonyl-“ „-sulfonylhalogenid
RCONH2
RCONH2
Carbonsäureamide Carbamoyl-“
-
„-carboxamid
„-amid
RCONHNH2
RCONHNH2
Carbonsäurehydrazide Hydrazinocarbonyl-“ „-carbohydrazid
„-ohydrazid
RSO2NH2 Sulfonsäureamide Sulfamoyl-“ „-sulfonamid
RCN
RCN
Nitrile Cyano-"
-
„-carbonitril
„-nitril
z. B. Acetonitril
RCHO
RCHO
Aldehyde Formyl-“
Oxo-“
„-carbaldehyd
„-al
z. B. Formaldehyd, Acetaldehyd
RCHS
RCHS
Thioaldehyde Thioformyl-"
Thioxo-“
„-carbothialdehyd
„-thial
R1C=OR2 Ketone Oxo-“ „-on z. B. Aceton
R1C=SR2 Thioketone Thioxo-“ „-thion
R=NOH Oxime Hydroxyimino-“ „-aloxim
„-(carb)aldehydoxim
„-onoxim
R=NNH2 Hydrazone Hydrazono-“ „-alhydrazon
„-(carb)aldehydhydrazon
„-onhydrazon
ROH Alkohole und Phenole Hydroxy-“ „-ol Alkohole
z. B. Methanol, Ethanol, Isopropanol, Phenol
RSH Thiole Sulfanyl-“
alt:Mercapto-“
„-thiol
„-mercaptan
Thioalkohole, Thiophenole
z. B. Methylmercaptan
RNH2 Amine Amino-“ „-amin z. B. Anilin, Aminosäuren
R=NH Imine Imino-“ „-imin
RNHNH2 Hydrazine Hydrazino-“ „-hydrazin
R1OR2 Ether „(R2yl)-oxy-“ „(R1yl)-(R2yl)-ether z. B. Diethylether, Dioxan
R1COOR2 Ester „-ester
„-oat
z. B. Essigsäuremethylester
R1SR2 Thioether „(R2yl)-thio-“ „(R1yl)-(R2yl)-sulfid
R1SCOR2 Thioester

Funktionelle Gruppen ohne Priorität

Grundsätzlich nur als Vorsilben (Präfixe) werden folgende funktionelle Gruppen verwendet:

Struktur Stoffklasse Vorsilbe Endung Beispiele
RX (X = FClBrI) Halogenkohlenwasserstoffe Halogen-“   Fluorchlorkohlenwasserstoffe
z. B. Frigen, Chloroform
RNO2 Nitroverbindungen Nitro-“   Nitrite
z. B. Trinitrotoluol (TNT)
RN=O Nitrosoverbindungen Nitrosyl-“    
RN=NR Azoverbindungen Azo-“   Azofarbstoffe
z. B. Gelborange S
R=N+=N Diazoverbindungen Diazo-“   Diazomethan
RN+N X Diazoniumsalze Diazonium-“  
RNC Isocyanide Isocyan-“  
ROCN Cyanate Cyanato-“  
RN=C=O Isocyanate Isocyanato-“  
RSCN Thiocyanate Thiocyanato-“  
RNCS Isothiocyanate Isothiocyanato-“  
ROOH Hydroperoxide Hydroperoxy-“  
ROOR Peroxide „(R-)dioxy-“  

Sonderfall Mehrfachbindungen

Ebenfalls zu den funktionellen Gruppen gerechnet werden die Mehrfachbindungen:

Struktur Name Vorsilbe Endung Beispiele
RC=CR Doppelbindung   „-en z. B. Ethen
RCCR Dreifachbindung   „-in z. B. Ethin

Aus Sicht der Nomenklatur werden Mehrfachbindungen aber im Allgemeinen als Teil des Stammsystems aufgefasst.

Alternative Nomenklatursysteme

Neben diesem Nomenklatursystem gibt es noch weitere, weniger gebräuchliche oder veraltete Nomenklatursysteme. Eines davon ist zB. die radikofunktionelle Nomenklatur, nach der zB. Chlormethan als Methylchlorid oder Ethanol als Ethylalkohol bezeichnet werden.

Literatur

  • Dieter Hellwinkel: Die systematische Nomenklatur der organischen Chemie: Eine Gebrauchsanweisung. 4Auflage. Springer, Berlin 1998, ISBN 3-540-63221-2. 

Weblinks


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