Automatisierter Handel

Automatisierter Handel

Unter Automatisiertem Handel oder Algorithmischer Handel (auch Algorithmic Trading, Algo Trading, Black Box, High Frequency Trading, Flash Trading[1] oder Grey Box Trading) versteht man umgangssprachlich den automatischen Handel von Wertpapieren durch Computerprogramme. Bis dato hat sich keine eindeutige Definition in der Literatur durchgesetzt. Die meisten Autoren verstehen darunter Computerprogramme, die dazu genutzt werden, bestehende Kauf- und Verkaufsbefehle (Orders) auf elektronischem Wege an die Börse zu leiten.[2] Die andere Gruppe von Autoren versteht darunter Computerprogramme, die selbstständig Kauf- und Verkaufsentscheidungen treffen. [3]. In diesem Kontext kann man Algorithmic Trading bei Buy-Side- und Sell-Side-Finanzinstituten unterscheiden.

Inhaltsverzeichnis

Algorithmic Trading zur Orderaufgabe

Je nach Automatisierungsgrad kann der Computer selbstständig über bestimmte Aspekte der Order entscheiden (Timing, Preis, Volume oder Zeitpunkt der Orderaufgabe). Im sogenannten Sell Side Algo trading (zum Beispiel Brokerages) werden große Orders in mehrere kleinere Trades aufgeteilt. Damit können Market Impact, Opportunitätskosten und Risiko gesteuert werden.[4] Der Algorithmus legt das Aufsplitten und das Timing der Orders anhand vordefinierter Parameter fest. Diese Parameter nutzen üblicherweise sowohl historische als auch aktuelle Marktdaten. Algorithmischer Handel wird von Brokern zum einen für den Eigenhandel verwendet, zum anderen aber auch den Kunden der Broker als Dienstleistung angeboten (Aufgrund der Komplexität und Ressourcenlage haben institutionelle Investoren einen gewissen Drang, auf Lösungen von Brokern zuzugreifen). Der Vorteil automatisierten Handels ist die hohe Geschwindigkeit, in der sie Geschäfte platzieren können, und die im Vergleich zum Menschen höhere Menge an relevanten Informationen, die sie beobachten und verarbeiten. Damit gehen auch geringere Transaktionskosten einher.[5] Voraussetzung für algorithmischen Handel ist, dass bereits eine Order bzw. eine Handelsstrategie vorliegt. Hier geht es im Gegensatz zu automatischem Handel bzw. Quote-Maschinen darum, eine Order intelligent auf verschiedenen Märkten zu verteilen. Es geht nicht darum, anhand von Parametern automatisch Quotes in den Markt zu schießen.

Algorithmic Trading als Entscheidungsunterstützung

Algorithmic Trading wird von Hedge Fonds, Pensionsfonds, Investmentfonds, Banken und anderen institutionellen Anlegern genutzt, um Orders automatisch zu generieren und/oder auszuführen. Hier generieren Computer selbständig Kauf- und Verkaufssignale, die in Orders auf dem Finanzplatz umgesetzt werden, bevor Menschen überhaupt eingreifen können. Algorithmic Trading kann mit jeder Investment-Strategie benutzt werden: Market Making, Inter-Market Spreading, Arbitrage, Trendfolgemodelle oder Spekulationen. Die konkrete Anwendung von Computermodellen bei der Investmententscheidung und Durchführung ist unterschiedlich. So können Computer entweder nur unterstützend für die Investment-Analyse eingesetzt werden (Quant Fonds) oder die Orders sowohl automatisch generiert als auch an die Finanzplätze weitergeleitet werden (Autopilot). Die Schwierigkeit bei Algorithmic Trading liegt in der Aggregation und Analyse historischer Marktdaten sowie der Aggregation von Real-time-Kursen, um den Handel zu ermöglichen. Ebenso ist das Aufstellen und Testen mathematischer Modelle nicht trivial.

Abgrenzung High Frequency Trading und Systematic Trading

In der Literatur wird Algorithmic Trading oft mit Hochfrequenzhandel gleichgesetzt, bei dem Wertpapiere in Sekundenbruchteilen ge- und wieder verkauft werden. Einer Studie von FINalternatives zu Folge kategorisieren Fondsmanager den Bereich des Algorithmic Trading aber höchst unterschiedlich. [6] So verstehen über 60 % der Befragten unter Hochfrequenzhandel Transaktionen im Zeitraum von 1 s bis 10 Minuten. Ca. 15 % der Befragten verstehen darunter Transaktionen im Zeitraum von 1-5 Tagen. Aldridge (2009) kategorisiert Algorithmic Trading ausschließlich als Hochfrequenzhandel. [7] Gomolka (2011) hingegen fasst unter dem Algorithmic Trading sowohl das High-Frequency Trading (in Sekundenbruchteilen) also auch das Systematic Trading (längerfristig über mehrere Tage) zusammen [8]. Er betont, dass Computerprogramme nicht nur kurzfristig (z.B. zum Flash Trading) eingesetzt werden, sondern auch langfristig im Ablauf mehrerer Minuten, Stunden oder Tage selbstständig handeln können.

Auswirkungen auf die Finanzmarktstabilität

Im Gegensatz zur Computerbörse, bei der Computer nur als Kommunikationsplattform für die Verknüpfung von passenden Kauf- und Verkaufsangeboten dienen, platziert das System selbständig solche Angebote und sucht sich Handelspartner. Sie werden mitverantwortlich gemacht für den Börsenkrach am 19. Oktober 1987, den Schwarzen Montag. Ihre „Wenn-dann“-Algorithmen sollen dafür gesorgt haben, dass immer mehr Aktienpakete abgestoßen wurden, nachdem die Kurse zu fallen begonnen hatten, was letztlich zu panikartigen Verkäufen geführt habe. Am 6. Mai 2010 fiel der Dow Jones innerhalb von 8 Minuten um über 1000 Punkte. Dieser Flash Crash veranlasste die SEC zu einer Verschärfung ihrer Circuit-Breaker-Regeln, wonach zukünftig Kurseinbrüche von über 10 % bei einer Aktie zu einem automatischen Aussetzen des Handels führen sollen.[9]

Flash-Order / Blitzhandel

Eine Besonderheit des Automatisierten Handels sind sogenannte „Blitzaufträge“. Bei diesen werden die Computer für Millisekunden vor den anderen Marktteilnehmern über einen Kauf-/Verkaufsauftrag informiert und haben so die Möglichkeit diesen anzunehmen und sofort durch minimale Preisaufschläge weiter zu verkaufen. Selbst wenn pro Auftrag so nur 1 Cent verdient wird, kann sich dieses durch große Volumina zu einer beträchtlichen Menge aufsummieren.

Erstmals wurden Flash-Orders im Jahr 2004 von der SEC genehmigt, nachdem die Boston Option Exchange die Handelszulassung dieser beantragt hatte.[10] Aus rechtlicher Sicht ist nicht ganz klar, ob der Blitzhandel in der Europäischen Union zulässig ist. Aus deutscher Perspektive hätte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht wohl die Möglichkeit, den Blitzhandel zu untersagen.[11] In den Vereinigten Staaten wird derzeit über ein Verbot nachgedacht. Problem ist die Ungleichbehandlung der Marktteilnehmer, durch die es einzelnen Marktteilnehmern (hier den Algo-Tradern) quasi möglich ist Gewinne auf Kosten der anderen Marktteilnehmer zu realisieren. Als Reaktion auf die Kritik seitens der amerikanischen Regulierungsbehörden haben die Börsen Nasdaq OMX und Bats Global Markets bereits bekanntgegeben, dass sie ab September 2009 das Angebot der Flash-Orders einstellen.[12]

Kritikern von Flash-Orders ist insbesondere die Tatsache, dass ein ausgewählter Teilnehmerkreis Informationen und Chancen vor anderen Marktteilnehmern erhält, ein Dorn im Auge. Dementgegen verweisen Befürworter auf die ansteigende Liquidität und Verringerung der Handelsspanne (Spread). Durch letztere sei es am Ende für alle Marktteilnehmer sicherer und günstiger zu handeln, was die „kleinen“ Gewinne der Liquiditätsprovider rechtfertige. Eine den amerikanischen Flash Orders vergleichbare Technik gibt es auch im Xetra Handel unter dem Begriff Xetra-BEST.

Geschichte

Zur Entwicklung des automatisierten Handels: Börsen berichten von einem Anteil bis zu 50 % am Umsatz. An der Eurex hat sich der automatisierte Handel in den letzten drei Jahren (2004–2006) vervierfacht. Der traditionelle Handel ist dagegen nur leicht gewachsen. Die EUREX nimmt an, dass momentan ca. 20–30 % des gesamten Umsatzes durch automatisierten Handel entsteht. Innerhalb der EUREX rechnet man mit einer Wachstumsrate von etwa 20 % pro Jahr. Laut einer Studie der AITE Group waren in 2006 etwa ein Drittel aller Trades von automatischen Computerprogrammen und Algorithmen gesteuert. AITE schätzt, dass dieser Anteil bis 2010 etwa 50 % erreichen könnte.[13] Wie Gomolka darstellt, sind diese Zahlen zum Börsenumsatz jedoch kritisch zu werten [14]. Denn die Börsen sehen nur diejenigen Orders, die von Maschinen an die Börse übermittelt und in den elektronischen Orderbüchern aufgefangen werden (siehe Transaktionsunterstützung). Welcher Anteil des Börsenumsatzes von Maschinen generiert wird (siehe Entscheidungsunterstützung) und welcher Anteil durch menschliche Händler in die Ordersysteme eingegeben wird, kann von den Börsen nicht gemessen werden.

Anfang Juli 2009 wurde ein ehemaliger Mitarbeiter des amerikanischen Finanzdienstleisters Goldman Sachs vom FBI verhaftet, da er Teile der Software gestohlen haben soll, die von dem Unternehmen zum automatisierten Handel genutzt wird. Die Software sei laut Staatsanwaltschaft zudem geeignet, „um Märkte auf unfaire Weise zu manipulieren“.[15]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. SEC Expected to Limit ‘Flash’ Trading
  2. Gomber, P., Gsell, M. & Wranik, A. (2005): Algorithmic Trading – Maschinen auf Finanzmärkten in Die Bank Sonderausgabe zur E.B.I.F (2005), S. 40–45
  3. Gomolka, J. (2011): Algorithmic Trading, Universitätsverlag Potsdam, S. 4-19.
  4. Moving markets Shifts in trading patterns are making technology ever more important, The Economist, Feb 2, 2006
  5. Gomber, P., Groth, S., Gsell, M. (2009): Handels- und Orderabgabeverhalten von Computern versus menschlichen Händlern, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Ausgabe Technik 02 vom 15. April 2009
  6. Survey by FINalternatives in July 2009 about the opinions of fund managers to categorize to time of high frequency trading (Source: Aldridge, Irene (2009), p. 22 cited after FINalternatives 2009)
  7. Aldridge, Irene (2009): High Frequency Trading: A Practical Guide to Algorithmic Strategies and Trading Strategies, cited after FINalternatives 2009.
  8. Gomolka, J. (2011): Algorithmic Trading, Universitätsverlag Potsdam, S. 175.
  9. SEC zieht Konsequenz aus dramatischem Dow-Absturz vom 19. Mai 2010, Handelsblatt
  10. Börsen beugen sich Kritik am Blitzhandel
  11. Dazu Forst, Gerrit: Ist der Hochfrequenzhandel in der Europäischen Gemeinschaft gestattet?, in Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht (BKR) 2009, S. 454 ff.
  12. Financial Times Deutschland, 10. August 2009 (Seite 19)
  13. The Ultimate Money Machine, Iran Daily May 7, 2007
  14. Gomolka, J. (2011): Algorithmic Trading, Universitätsverlag Potsdam, S. 4-19.
  15. spiegel.de: Goldman Sachs: Software-Diebstahl offenbart Verwundbarkeit der Wall Street, Zugriff am 6. Mai 2011

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