Richard Kirn

Richard Kirn

Richard Kirn (* 23. Oktober 1902 in Schiffweiler im Landkreis Ottweiler; † 4. April 1988 in Völklingen) war ein saarländischer Politiker (SPS). Er wurde am 5. Oktober 1947 in den Landtag des Saarlandes gewählt, am 20. Dezember 1947 als Minister für Arbeit und Wohlfahrt und stellvertretender Ministerpräsident (Kabinett Hoffmann I / Kabinett Hoffmann III) vereidigt und nahm mit Ausnahme der Phase zwischen April 1951 und Dezember 1952, in der die SPS die Koalition mit der CVP aufkündigte bis Juli 1954 diese Funktion ein. Zuvor gehörte er der Verwaltungskommission des Saarlandes als Direktor der Arbeit an (1946/47).

Inhaltsverzeichnis

Überblick

Richard Kirn und Johannes Hoffmann werden als die personelle Achse der als separatistisch bezeichneten Bewegung im Saarland betrachtet, die zwischen 1945 und 1955 eine eigenständige saarländische Landespolitik mit dem Ziel des Ausgleichs zwischen Frankreich und Deutschland unter dem Eindruck von zwei Weltkriegen versuchte. Während zu Beginn der Zusammenarbeit die Zielsetzung auf eine Verhinderung eines vollständigen Anschlusses des Saarlandes an Frankreich, und statt dessen die Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums mit Währungs- und Zollunion mit Frankreich gerichtet war (u.a. durch Einführung des französischen Francs als gesetzliches Zahlungsmittel), geriet die Saarregierung spätestens ab Gründung der Bundesrepublik Deutschland verstärkt unter Druck, ihre bisherige Politik aufzugeben und einen Anschluss an die Bundesrepublik zu suchen. Insbesondere die oppositionelle DPS vertrat diese Zielsetzung vehement und wurde schließlich vorübergehend verboten.

Der wachsende Wohlstand in der neu gegründeten Bundesrepublik und die gemeinsamen kulturellen Wurzeln auf der einen Seite, und die teilweise chaotische französische Innenpolitik, verstärkt durch wirtschaftliche Probleme sowie Algerienkrieg und Vietnamauseinandersetzung (Schlacht von Điện Biên Phủ) auf der anderen Seite erschwerten zunehmend die Politik der autonomen Saarregierung, die im Falle eines Politikwechsels eine erhebliche Belastung der Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland befürchtete.

Im Laufe des Jahres 1954 kam es in Verhandlungen zwischen Frankreich und Deutschland unter Konsultation der saarländischen Regierung zu einem Vertrag über ein europäisches Saarstatut. Die Autonomie des Saarlandes soll gewahrt bleiben, Saarbrücken Sitz von europäischen Institutionen werden (u.a. Europarat, Montanunion, WEU). Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Saarland und Frankreich sollen durch gleichartige Beziehungen zu Deutschland ergänzt werden. Am 23. Oktober 1955 wurde das europäische Saarstatut jedoch nach hartem Abstimmungskampf, der teilweise fast tumultartige Auswüchse annahm, von einer breiten Mehrheit der Saarländer abgelehnt (67,2%), die autonome Saarregierung war mit ihrer Politik gescheitert und trat noch in der Abstimmungsnacht zurück.

Richard Kirn, der als Arbeits- und Wohlfahrtsminister des Saarlandes die in dieser Zeit höchsten sozialen Standards in Europa erreicht hatte, verließ nach der Saarabstimmung das Saarland, und ging ins Exil nach Frankreich. Von Sarreguemines, nur einige Kilometer von der saarländischen Grenze entfernt, beobachtete er "teils belustigt und teils verbittert" das Geschehen im neuen Bundesland Saarland. 1986 wurde ihm für seine Verdienste um das Saarland und die deutsch-französische Verständigung als späte Anerkennung der Saarländische Verdienstorden verliehen.

Richard Kirn liegt auf dem Saarbrücker Hauptfriedhof begraben, keine hundert Meter von der französischen Grenze entfernt.

Politische Tätigkeit und Verfolgung

Richard Kirn trat 1923 der SPD bei. Er floh am 19. Januar 1935 nach Frankreich. Er war für das Rechtsschutzressort im Gewerkschaftshaus in Forbach zuständig. Am 22. September 1941 wurde er von der französischen Polizei verhaftet und an die NS- Behörden ausgeliefert. Am 12. April 1943 wurde er durch den NS-Volksgerichtshof zu 8 Jahren Zuchthaus verurteilt, die er in Brandenburg-Görden verbüsste. Dort wurde er am 27. April 1945 befreit und kehrte ins Saarland zurück. Er war an der Wiedergründung/Gründung der SPS am 28. Oktober 1945 beteiligt, deren Vorsitzender er vom 30. Juni 1946 bis 1955 war. Am 5. Oktober 1947 wurde er in den saarländischen Landtag gewählt, dem er bis zum 17. Dezember 1955 angehörte[1].

Einzelnachweis

  1. Der Landtag wurde als Folge der Volksbefragung vom 23.Oktober 1955 bei der das Saarstatut abgelehnt wurde erst zum 17. Dezember aufgelöst. Neuwahlen erfolgten am 18. Dezember 1955. Bereits am 24. Oktober trat er als Minister zurück.

Ehrungen / Auszeichnungen

Literatur

  • Johannes Hoffmann: Das Ziel war Europa: Der Weg der Saar 1945 - 1955. Günter Olzog Verlag, München/Wien 1963
  • Klaus-Michael Mallmann, Gerhard Paul: Das zersplitterte Nein: Saarländer gegen Hitler. Dietz, Bonn 1989, ISBN 3-8012-5010-5

Weblinks


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