Autotransformatorsystem

Autotransformatorsystem

Bei dem Autotransformatorsystem handelt es sich um spezielle Ausführung der Bahnstromversorgung. Mit entsprechenden Transformatoren werden im Unterwerk zwei um 180° phasenverschobene Wechselspannungen zur Verfügung gestellt. Eine der beiden Leiter wird als Fahrleitung ausgeführt, wobei der zweite Leiter entlang der Strecke isoliert mitgeführt wird. In entsprechenden Abständen befinden sich sog. Autotransformatoren, die zwischen den beiden Leitern geschaltet werden. Die Bezeichnung „zweispannung“ kommt daher zustande, da es sich zwei um 180° phasenverschobene Spannungen handelt (siehe auch: Einphasen-Dreileiternetz). Ebenso ist auch die Bezeichnung „Mehrspannungssystem“ bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Aufbau

Unterwerk

Mittels eines Transformators, der am Hochspannungsnetz angeschlossen ist, wird die notwendige Bahnspannung transformiert. Bei den Transformatoren handelt es sich dabei um einen Einphasentransformator, der auf der Unterspannungsseite zwei Wicklungen besitzt. Jeweils das Ende und der Anfang einer der Wicklungen wird zusammengeschaltet, so dass sich theoretisch eine Wicklung mit einer Mittelanzapfung bildet. Gegenüber der Mittelanzapfung stehen zwei um 180° phasenverschobene Spannungen zur Verfügung. Einer der beiden Aussenanschlüsse wird als "positive Feeder - PF" bezeichnet und entspricht der Fahrleitung, der andere Aussenanschluss wird als „negative Feeder - NF“ bezeichnet und entlang der Strecke mitgeführt. Die Mittelanzapfung wird mit der Schiene verbunden und entspricht dem Rückleiter.

Bei der Anschaltung auf der Oberspannungsseite handelt es sich um ein Drehstrom-Verbundnetz. Als Spannungsebene wird in der Regel das 110kV oder 220 kV Netz gewählt. Aufgrund von starker unsymmetrischer Lastverteilung im Drehstromnetz bei der Verwendung nur eines Transformators, werden zwei Transformatoren in der sog. V-Schaltung auf die drei Phasen des Hochspannungsnetzes geschaltet, es bleibt jedoch weiterhin eine Schieflast bestehen, da die Last zwischen den Leitern L1 und L3 fehlt. Die von beiden Transformatoren bereitgestellten Unterspannungen (PF und NF) sind nicht phasengleich zueinander, so dass ein Parallelbetrieb der beiden Transformatoren nicht möglich ist. Die dargestellten Schalter im Bild haben die Aufgabe, bei Verwendung von nur einem Trafo, das geteilte Streckennetz zu verbinden. Diese Option ist nur als Notbetrieb vorgesehen.

prinzipieller Aufbau eines UW


Autotrafostation

In regelmäßigen Abständen entlang der Strecke befinden sich die sog. Autotrafostationen. Bei einem Autotrafo handelt es sich um einen Spartransformator. Der „PF“ und „NF“ werden an die beiden äußeren Wicklungsanschlüsse des Autotrafo geschaltet, die mittlere Wicklungsanzapfung ist dabei mit der Schiene verbunden. Je nach Systemausführung werden symmetrische oder unsymmetrische Wicklungsaufteilungen benutzt.

Aufbauprinzip eines Autotrafo


Strecke

Die Schiene wird in der Regel isoliert gegenüber der Erde ausgeführt, um die Betriebströme definiert über die Rückleiter und nicht über die Erde abfließen zu lassen. Dabei ist zu beachten, dass bestimmte Grenzwerte des Schienenpotenzials gegenüber der Erde nicht überschritten werden dürfen. Die Rückstromführung erfolgt dabei über die Schiene und sog. Rückleiterseile, die an den Masten mitgeführt werden.

Ausführungsarten

Man unterscheidet zwischen dem symmetrischen und dem unsymmetrischen Autotrafosystem. Ein symmetrisches System weist zwei um 180° phasenverschobene Spannungen, mit gleicher Amplitude.Das unsymmetrische System hingegen verwendet zwei um 180° phasenverschobene Spannungen mit unterschiedlicher Amplitude. Es unterscheidet sich bei den verschiedenen Systeme dadurch die Stromaufteilung zwischen dem „PF“ und „NF“. Nachfolgend ein Beispiel für die Systemangabe:
2AC 50/25kV (teilweise auch als AC 2x25kV angegeben)

  • "2AC" - bezieht sich auf ein Zweispannungssystem
  • "50" - gibt die Systemspannung an, in diesem Fall 50kV (Spannung zwischen positive Feeder und negative Feeder)
  • "25kV" - gibt die Fahrleitungsspannung an, hier 25kV - zwischen Oberleitung und Schiene
  • da die Fahrleitungsspannung von 25kV die Hälfte der Systemspannung von 50kV ergeben, liegt hier ein symmetrisches System vor

2AC 40/15kV

  • "2AC" - bezieht sich auf ein Zweispannungssystem
  • "40" - gibt die Systemspannung an, in diesem Fall 40kV (Spannung zwischen positive Feeder und negative Feeder)
  • "15kV" - gibt die Fahrleitungsspannung an, hier 15kV - zwischen Oberleitung und Schiene
  • da die Fahrleitungsspannung von 15kV nicht der Hälfte der Systemspannung von 40kV entspricht, liegt hier ein unsymmetrisches System vor

Prinzip

Das sich auf der Strecke befindliche Triebfahrzeug nimmt einen Strom x von der Fahrleitung ab. Dieser Strom fließt über die Fahrleitung vom Unterwerk zum Tfz und zurück in die Schiene. Der Rückstrom der Schiene fließt jetzt zu einem Teil zum Autotrafo in die Mittelanzapfung. Im Autotrafo teilt sich dieser Strom jetzt auf den "PF" und "NF" auf. In diesem Fall bedeutet, dass sich der Strom jetzt folgendermaßen aufteilt.

  • ein Teil des Stromes fließt vom Unterwerk über die Fahreitung zum Tfz
  • der Rückstrom fließt über die Schiene und Rückleiter zum Autotrafo (Mittelanzapfung)
  • der Rückstrom im Autotrafo wird auf „PF“ und „NF“ aufgeteilt
  • Der "PF"- Strom des Autotrafos fließt über die Fahrleitung zum Tfz
  • Der "NF"- Strom des Autotrafos fließt über den "NF" zurück zum Unterwerk

Das folgende Bild verdeutlicht das Prinzip bei idealer Stromaufteilung, wenn sich das Tfz direkt in der Nähe einer Autotrafostation und weit entfernt vom UW befindet.

ideale Stromverteilung im symmetrischen AT-System (Prinzip)


Diese Darstellung bezieht sich allerdings auf eine ideale Stromverteilung, die in der Realität nicht vorkommt. Die Stromaufteilung ist generell abhängig von den vorherrschenden Impedanzverhältnissen am jeweiligen Standort des Triebfahrzeuges. Prinzipiell sind alle angeschlossenen Autotransformatoren am Stromfluss beteiligt, jedoch sind diese Anteile stark vom Laststandort (Standort des Tfz) abhängig.

Im nachfolgenden Bild ist hingegen eine reale Stromverteilung im symmetrischen AT-System dargestellt.

reale Stromverteilung im symmetrischen AT-System


In dem Beispielbild ist erkennbar, dass sich über weite Strecken, die Belastungströme in der Oberleitung halbieren. Das bedeutet ebenfalls eine Halbierung des Spannungsabfalls, wobei sich dieser Spannungsabfall nicht auf die Oberleitungsspannung, sondern auf die Systemspannung bezieht. Unter Vernachlässigung der Verluste ergibt sich daher eine Verringerung der Spannungsabfälle um eine theoretische Verhältniszahl von 4, gegenüber einem Einphasensystem ohne Verstärkungsleitung und Rückleiterseile. In der Praxis lassen sich Verhältniswerte von 2,5 bis 3,5 erzielen. In einem Einphasensystem mit Verstärkungsleitungen und Rückleiterseilen, kann ebenfalls eine Verringerung der Belastungsströme in der Oberleitung und somit auch eine Reduzierung von Spannungsabfällen vorliegen. Jedoch fällt diese Verringerung der Spannungsabfälle geringer aus, es lassen sich theoretisch etwa Verhältniswerte von max. 2, gegenüber einem Einphasensystem ohne Verstärkungsleitung und Rückleiterseile erzielen. Die Festlegung von Unterwerksabständen wird wesentlich durch die Spannungsabfälle auf der Oberleitung bestimmt, somit können beim AT-System die UW-Abstände größer gewählt werden. Praktische Anlagen (Strecke Stralsund-Prenzlau[1] mit 132,5km Länge) haben gezeigt, das übliche Ausführungen als Einphasensystem mit Verstärkungsleitungen und Rückleiterseilen drei Unterwerke benötigen, der Umbau als AT-System führte dazu - dass das mittlere der drei Unterwerke eingespart werden konnte.

Schutzkonzept

Unterwerk

Der Transformators wird, wie üblich, mit einem Trafo-Differentialschutz geschützt. Die Erfassunng der Ströme erfolgt an jedem Wicklungsanschluss des Trafo. Dadurch ist es bei der V-Schaltung notwendig dass die Ströme des einzelnen Trafo separat erfasst werden. Eine Stromerfassung beider Transformatoren mit nur drei Stromwandlern auf der Oberspannungsseite ist nicht ausreichend, da in der Phase L2 der Strom beider Transformatoren fließt - und somit einen Differentialstrom verursachen würde. Auf der Unterspannungsseite sind ebenfalls die einzelnen Ströme des "PF", "NF" und der "Mittelanzapfung" zu erfassen. Zusätzlich wird in der Regel ein Überstromzeitschutz auf der Oberspannungsseite verwendet, der beide Transformatoren überwacht. Die Unterspannungsseite der Transformatoren, die zu den Einspeisefeldern der Schaltanlage geführt werden, wird üblicherweise durch einen einfachen Überstromzeitschutz (UMZ) geschützt.

prinzipielles Schutzkonzept für den UW-Trafo beim AT-System


Streckenschutz

Das Kettenwerk wird durch einen Distanzschutz geschütz, allerdings sind hierbei einige Besonderheiten zu beachten. Da es sich um ein zweiphasiges System handelt wird zur Impedanzerfassung der Summenstrom aus "PF" und "NF" verwendet. Moderne Bahnstromschutzgeräte erfassen den Strom des "PF" und "NF" einzeln und bilden geräteintern einen betragsmäßigen Summenstrom. Zu beachten ist, dass es sich hierbei nicht um eine vorzeichenrichtige Addition der Ströme handelt, sondern nur die Beträge werden addiert. Durch die Phasenverschiebung von 180° zwischen "PF" und "NF", würde eine vorzeichenrichtige Addition von beiden Phasen zu einem Summenstrom von Null führen, wenn "PF" und "NF" gleiche Amplituden aufweisen. Notwendig ist es, da zur Impedanzberechnung Strom und Spannung gemessen werden - bei einem Summenstrom von Null würde die Impedanz daher den Wert "unendlich" erhalten. Ebenfalls ist es möglich den Summenstrom durch eine entsprechende Beschaltung der sekundären Stromwandlerkreise zu erhalten. Aufgrund der zugeschalteten Autotrafos, die ebenfalls eine eigene Impedanz aufweisen und mit dem Kettenwerk verbunden sind, wird die gemessene Impedanz verfälscht, da die Impedanz des Autotrafos mitgemessen wird. Dieses ist bei der Auslegung der Distanzschutzzonen zu beachten - vor allem um die Selektivität einzuhalten.

Impedanzkurvenverlauf beim AT-System


Autotrafoschutz

Für den Autotrafo können verschiedene Schutzkonzepte zum tragen kommen. Eine Möglichkkeit wäre den Autotrafo nicht separat zu schützen, sondern alleine durch den Streckenschutz "mit zu schützen". Dieses Konzept ist zum Teil in Frankreich bei den AT-Systemen bekannt. Ebenso ist ein Schutz mittels eines Trafo-Differentialschutz möglich - auch der Schutz durch ein UMZ wäre möglich.

Vorteile gegenüber Einphasensystemen

  • der Stromfluss in der Fahrleitung wird reduziert, wodurch die Spannungsabfälle geringer ausfallen (Verluste)
  • Unterwerke können eingespart werden, in dem der Abstand zwischen den Unterwerken wesentlich größer gewählt werden kann (Kostenersparnis)
  • Verminderung von Störbeeinflussungen, insbesondere bei Fernmeldeleitungen

Nutzung

Diese Systemausführung ist in Deutschland eher weniger bekannt. Derzeit gibt es eine Pilotanlage zwischen Stralsund und Prenzlau, die als 2AC 30/15kV ausgeführt ist. Weit verbreitet sind derartige Systeme bei Hochgeschwindigkeitsstrecken im Ausland. Insbesondere in Schweden wird dieses System häufig verwendet. Nachfolgend einige Strecken, die als zweiphasen Autotrafosystem ausgeführt sind:

Weblinks

Einzelnachweise

  1. BahnPraxis E - Ausgabe: 01/02 - Herausgeber EUK

Literatur

  • Hartmut Biesenack: Energieversorgung elektrischer Bahnen, 2006

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