Robert Campin

Robert Campin
Madonna (vor 1430, heute London, National Gallery)

Robert Campin (* um 1375 in Tournai (?); † 26. April 1444 in Tournai) war ein flämischer Maler.

In der Kunstwissenschaft hat sich weitgehend die Auffassung durchgesetzt, dass die früher mit dem Notnamen Meister von Flémalle und Meister von Mérode bezeichneten Künstler mit Robert Campin assoziiert und deren Werke dem Œuvre Campins inklusive seiner Werkstatt zugeordnet werden können.[1] Robert Campin spielte neben Jan van Eyck eine zentrale Rolle bei der Entwicklung der Altniederländischen Malerei. Seine wichtigsten Schüler waren Rogier van der Weyden und Jacques Daret.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Mérode-Altar (um 1425–1435, heute New York, Metropolitan Museum of Art)

Erste Belege über die Arbeit von Robert Campin finden sich im Jahre 1406 in Tournai. 1410 erwarb er dort die Bürgerrechte. Zwar war er kein offizieller Stadtmaler, doch führte er regelmäßig Arbeiten für Behörden von Tournai aus. Die städtischen Aufträge umfassten die Gestaltung von Fahnen, Wappen, Schildern, Wandmalereien, Aufträge für sakrale Tafelbilder sind indes nicht dokumentiert. Campin war in verschiedenen öffentlichen Ämtern tätig. Er war Vorstand in der Kirchengemeinde, Schatzmeister eines Klosters und wurde auch in den dreißigköpfigen Stadtrat gewählt. Weiterhin war er Rechnungsprüfer und Siegelbewahrer der Stadt.

Zweimal stand er vor Gericht, einmal im Zusammenhang mit einer Kontroverse um einen Amtskollegen, und ein zweites Mal im Juli 1432, als er wegen Ehebruchs mit einer gewissen Leurence Polette zu einem Jahr Verbannung verurteilt wurde; er löste daraufhin seine Werkstatt vorübergehend auf. Dies hatte zur Folge, dass Rogier van der Weyden und Jacques Daret als eigene Künstlerpersönlichkeiten identifizierbar wurden, indem sie eigene Werkstätten gründeten. Im Oktober desselben Jahres wurde diese Strafe jedoch aufgehoben, und Campin führte seine Werkstatt verkleinert weiter. Die Anzahl der öffentlichen Aufträge nahm jedoch stark ab. In den letzten 13 Jahren seines Lebens waren es nur noch 4 oder 5.

Werk und Werkstatt

Bildnis eines Mannes, um 1425

Campins Werk, das anfänglich stark von französischer Buchmalerei beeinflusst war, zeigt eine große Detailgenauigkeit und spiegelt so das gute Beobachtungsvermögen des Malers wider. Außerdem sind die Bilder durch ein Streben nach plastischer Ausformung der Figuren und eine naturnahe Tiefe der Räume gekennzeichnet, auch wenn diese nicht immer mathematisch exakt dargestellt war.

Die drei Tafeln mit der stillenden Gottesmutter, der Veronika mit dem Schweißtuch und dem Gnadenstuhl (Gottvater mit dem toten Christus), die ein Aachener Sammler namens Ignaz van Houtem 1849 dem Städel mit der Erklärung überbrachte, sie stammten aus der „Abtei von Flémalle“, gehören zu den bedeutendsten und zugleich rätselhaftesten Werken der altniederländischen Malerei. Sie können nicht aus dem belgischen Ort im Maastal stammen, da es dort überhaupt keine Abtei gibt. Abgeleitet von der fehlerhaften Herkunftsbezeichnung wurde der Schöpfer dieser Tafeln der Nachwelt mit dem Notnamen „Meister von Flémalle“ überliefert.

Inwieweit dieser „Meister von Flémalle“ tatsächlich identisch ist mit der Künstlerpersönlichkeit Robert Campin oder inwieweit auch andere Schüler seiner Werkstatt an diesen Gemälden beteiligt waren, ist nicht abschließend geklärt. Nach neueren Erkenntnissen stammen die ursprünglich unter dem Namen Meister von Flémalle, heute unter Robert Campin zusammengestellten Werke von mehreren Künstlern.[2]

Besonderen Rang in dem Campin zugeschriebenen Werk hat das um 1425/30 entstandene Bildnis eines Mannes (eventuell Robert des Masmines), das als eines der frühesten autonomen Porträts in der europäischen Malerei der Neuzeit gilt, bei denen der Porträtierte losgelöst von einem religiösen Stifterkontext dargestellt wurde.

Werke

Bei den unsignierten Werken kann es sich nur um Zuschreibungen handeln, die durch Stilvergleiche und andere wissenschaftliche Methoden (Röntgen, Infrarot, Dendrochronologie) anerkannt sind:

Kreuzigung (um 1425, heute Berlin, Gemäldegalerie)
Porträt einer Frau (um 1430–1435, heute London, National Gallery); der Ring zeigt kein Portrait des Künstlers
  • Madonna mit Kind (Frankfurt am Main, Städel, 160 × 68 cm)
  • Hl. Veronika (Frankfurt am Main, Städel, um 1430, 152 × 61 cm, Öl auf Holz)
  • Gnadenstuhl (Frankfurt am Main, Städel, um 1430, 149 × 61 cm)
  • Madonna auf einer Grasbank (Berlin, Gemäldegalerie, zirka 1425, Öl auf Holz)
  • Geburt Christi (Dijon, Musée des Beaux-Arts, zirka 1425–1430, Öl auf Holz)
  • Die Jungfrau und Kind vor einem Feuerschirm (London, National Gallery, Öl auf der Tafel, 63.5 × 49 cm)
  • Bildnis einer Frau (London, National Gallery, zirka 1430, Öl auf Holz)
  • Bildnis eines Mannes (London, National Gallery, zirka 1430, Öl auf Holz)
  • Bildnis eines Mannes (Robert de Masmines?) (Madrid, Thyssen-Bornemisza-Sammlung, zirka 1425, Öl auf Holz)
  • Bildnis eines Mannes (Robert de Masmines?) (Berlin, Gemäldegalerie, zirka 1425, Öl auf Holz)
  • Heinrich von Werl und Johannes der Täufer (Madrid, Museo del Prado, 1438, Öl auf Holz)
  • St. Barbara (Madrid, Museo del Prado, 1438, Öl auf Holz)
  • Merode-Triptychon oder Verkündigung (New York City, Metropolitan Museum of Art, zirka 1425, Öl auf Holz)
  • Die Trauer der Dreieinigkeit (St. Petersburg, Eremitage, Öl auf Holz)
  • Madonna und Kind vor einem Kamin (St. Petersburg, Eremitage, Öl auf Holz)

Literatur

  • Albert Châtelet: Robert Campin. Le Maître de Flémalle. La fascination du quotidien. Mercatorfonds, Antwerpen 1996, ISBN 90-6153-364-3.
  • Stephan Kemperdick: Der Meister von Flémalle. Die Werkstatt Robert Campins und Rogier van der Weyden. Brepols, Tournhout 1997, ISBN 2-503-50566-X.
  • Felix Thürlemann: Robert Campin. Monografie und Werkkatalog. Prestel Verlag, München 2002, ISBN 3-7913-2807-7.
  • Philip Hendy: Die National-Galerie London. Bertelsmann Verlag, Gütersloh 1977.
  • Manfred Wundram: Die berühmtesten Gemälde der Welt. VG, Bergisch-Gladbach 1976.

Weblinks

 Commons: Robert Campin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Belege

  1. Meister von Flémalle. In: Ulrich Thieme, Felix Becker u. a.: Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Band 37, E. A. Seemann, Leipzig 1950, S. 98–101; sowie Jochen Sander: Niederländische Gemälde im Städel. Mainz 1993.
  2. Broschüre zur Ausstellung Der Meister von Flémalle und Rogier van der Weyden, Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin, 2009.

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