Rogerio Lobato

Rogerio Lobato

Rogério Tiago de Fátima Lobato (* 1949?) ist ein Politiker aus Osttimor.

Inhaltsverzeichnis

Familie

Rogerio Lobato ist der Bruder von Nicolau Lobato, der ab 1976 Kommandeur der FALINTIL und 1978 nominell Präsident Osttimors war, bis er im Kampf gegen die indonesischen Besatzer starb, ebenso wie 10 weitere Geschwister Rogerios.[1] Der Bruder Silvestre war eine Totgeburt, José kam im Machtkampf gegen die UDT um. Ebenso Domingos, der Präsident der FRETILIN-Studentenorganisation UNETIM, der beim Massaker von Meti Oan umgebracht wurde.

Die jüngere Cousine der Rogerios, Lúcia Lobato, ist seit 2007 Justizministerin in der Regierung Xanana Gusmão.

Leben während der Besatzungszeit

Am Ende der Kolonialzeit unter Portugal war Rogerio Lobato Offizier der Kolonialtruppen.[2] Kurzzeitig wurde er Kommandeur der FALINTIL und Verteidigungsminister der FRETILIN-Regierung, die 1975 die Unabhängigkeit Osttimors ausrief.[3] Bereits wenige Tage nach Beginn der großen Invasion Indonesiens in Osttimor am 7. Dezember 1975, ging er ins Ausland um Unterstützung für Osttimor zu gewinnen. Die Vize-Minister übernahmen das Ministerium.[4] Rogerio Lobato verbrachte die Zeit der Besatzung Osttimors im Ausland.[5] Bereits damals wurde er Mitglied im Zentralkomitee der FRETILIN und ein politischer Gegner von Xanana Gusmão.[6] 1978 wurde Lobato kurze Zeit on den Roten Khmer aus Kambodscha unterstützt, bevor er nach Angola ging. Dort verbüßte er ab 1983 eine vierjährige Haftstrafe wegen Diamantenschmuggels.[7][8] Im Oktober 2000 kehrte Lobato aus Portugal nach Osttimor zurück.[9]

Leben im unabhängigen Osttimor

Im Wahlkampf zur Wahl der konstituierenden Versammlung 2001 warb Lobato mit seinem Prestige als erster Kommandant der FALINTIL und hier besonders bei den Veteranen des Befreiungskampfes. Viele FALINTIL-Kämpfer waren nicht in die neu aufgestellten Verteidigungskräfte Osttimors aufgenommen worden und waren daher arbeitslos und ohne Perspektiven. Ihnen versprach Lobato neue Konzepte zu ihrer Versorgung. Im Frühjahr 2002 gründete Lobato die Associação dos Antigos Combatentes das FALINTIL, als dritte neben zwei weiteren Veteranenvereinigungen. Im Mai 2002 organisierte Lobato einen Marsch Tausender FALINTIL-Veteranen nach Dili. Offiziell für die Feierlichkeiten der Unabhängigkeit, aber klar als Zeichen seiner Machtposition. Am 20. Mai wurde Lobato Innenminister unter Premierminister Marí Alkatiri. Damit unterstanden ihm die Lokalregierungen und die Polizei.[9]

Lobato stand in der Kritik, weil er die Polizei stark bewaffnete und zwei paramilitärische Einheiten aufstellte.[5] Diese Einheiten standen außerdem der AC75 (Vereinigung der Ex-Kämpfer von 1975) nahe, deren Vorsitzender Lobato war.[6] Außerdem wurde kritisiert, dass viele der Polizisten bereits unter den Indonesiern gedient hatten. Paulo Martins, der Polizeichef war früher indonesischer Offizier. Im Dezember 2002 kam es zu Unruhen in Dili nachdem ein Student nach Polizeimisshandlungen gestorben war. Gegen Lobato wurde demonstriert, das Haus von Marí Alkatiri niedergebrannt.[9]

Im Verlauf der Unruhen in Osttimor 2006 musste er, ebenso wie Verteidigungsminister Roque Rodrigues, am 1. Juni 2006 zurücktreten. Am 8. Juni kamen Vorwürfe auf, Lobato habe im Auftrag Alkatiris Zivilisten bewaffnet um gegen politische Gegner vorzugehen. Der australische Fernsehsender ABC berichtete, die Gruppe habe aus 30 Personen bestanden, die mit 200 Sturmgewehren, Munition, zwei Fahrzeugen und Uniformen ausgerüstet gewesen seien.[10] Der Kommandant dieser Miliz, Colonel Railos sagte aus, sie hätten den Auftrag gehabt alle rebellierenden Soldaten zu töten. Nachdem sie aber fünf Männer bei Gefechten in Dili verloren hatten, hätten sie eingesehen, dass die Bewaffnung von Zivilisten zu Blutvergießen und Toten auf beiden Seiten führe.[11][12] Am 21. Juni wird Lobato verhaftet und unter Hausarrest gestellt. Premierminister Alkatiri konnten zwar keine Verwicklungen nachgewiesen werden, doch musste er schließlich durch den öffentlichen Druck ebenfalls am 26. Juni zurücktreten. Am 7. März 2007 wurde Ex-Minister Lobato nach einem Gerichtsverfahren zusammen mit drei Mitangeklagten zu siebeneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.[13]

Am 8. August 2007 erhielt Rogerio aufgrund von Problemen mit der Prostata und dem Herzen nach einem ärztlichen Attest die Erlaubnis, das Gefängnis zu medizinischen Untersuchung zu verlassen. Doch nach dieser fuhr er mit seiner Familie zum Flughafen von Dili und ging an Bord eines Learjets. Dem Flugzeug wurde zunächst die Abflugerlaubnis verweigert. Als Kompromissvorschlag schlug Lúcia Lobato vor, dass Rogerio mit seiner Frau und anderen Familienmitglieder nach Malaysia zur medizinischen Behandlung ausreisen dürfe, wenn die beiden kleinen Kinder des Ehepaares in Osttimor bleiben. Wörtlich „als Garantie, dass Rogerio zurück kommt“. Bis zum nächsten Tag blieb die gesamte Familie an Bord des Flugzeugs, bis Generalstaatsanwalt Longuinhos Monteiro den Abflug genehmigte. Begründet wurde dies mit dem in der Verfassung festgeschriebenen Recht auf medizinische Versorgung. Die Regierung sah sich nicht in der Lage die Entscheidung des zuständigen Gerichts zu revidieren mit Hinweis auf die Unabhängigkeit der Justiz. Lúcia Lobato wurde daher in der Öffentlichkeit kritisiert. Am 21. August wurde Rogerio Lobato in Kuala Lumpur operiert.[14][15]

Zum sechsten Unabhängigkeitstag am 20. Mai 2008 kündigte Staatspräsident José Ramos-Horta an, er wolle Lobatos Haftstrafe um drei Viertel kürzen. Die genauen Formalitäten würden gerade geklärt. Die Ankündigung führte zu harter Kritik in den nationalen und internationalen Medien. Justizministerin Lúcia Lobato widersprach, eine Amnestie könne nur vom Parlament ausgesprochen werden.[16] Premierminister Xanana Gusmão wollte ihm nur eine dreimonatige Verkürzung der Haftstrafe zugestehen.[17] Schließlich wurde die Haftstrafe auf die halbe Zeit gekürzt, mit „guter Führung in Haft“ als Begründung. Allerdings hat Lobato bisher nur fünf Monate in Haft verbracht.[18] Am 26. Mai 2010 kehrte Lobato nach Osttimor zurück. In das Gefängnis musste er nicht mehr.[19]

Einzelnachweise

  1. ETAN, 25. August 2001, Fretilin confident that voters will remember who led the struggle
  2. Monika Schlicher: Osttimor stellt sich seiner Vergangenheit, missio 2005, ISSN 1618-6222
  3. Funu: The politics of East Timorese resistance 1974-1979
  4. Resistance Structure and Strategy
  5. a b BBC, 29. Mai 2002, E Timor nationhood proves rocky path
  6. a b Vadim Ponanin, Assessing the Outcomesof the Weapons Collection, Disarmament, Demobilization, and Reintegration Progerams Conducted under the United Nations Transitional Administrations
  7. Kalteng, Fractured democracy
  8. Open Democracy: East Timor: a nation divided
  9. a b c Asian Pacific Action, Resolving Timor-Leste’s crisis
  10. ABC, Liz Jackson, 8. Juni 2006, Alkatiri alleged to have recruited armed group
  11. ABC, Liz Jackson, 8. Juni 2006, Claims E Timor's PM recruited secret security force
  12. ABC, 6. September 2006, Claim troops loyal to E Timor PM killed 60 civilians
  13. Reuters, 15. Februar 2007, Prosecutors seek 7 years jail for Timor ex-minister
  14. The Australian, 10. August 2007, Lobato escapes after Dili standoff
  15. The West, 24. Oktober 2007, East Timor fears Lobato may dodge jail
  16. The West, 21. Mai 2008, Ramos Horta cuts Lobato's jail term
  17. Timor Post, 22. Mai 2008, Xanana: agrees to three month reduction of Rogerio's sentence
  18. The Age, 23. Mai 2008, Ramos Horta cuts jail terms for militia
  19. Tempo Semanal, 26. Mai 2010, Rogerio Lobato Returns to Timor-Leste

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