- Rohrpfeife
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Der Ausdruck Rohrpfeife bezeichnet (wie engl. reedpipe) eine Gruppe von traditionellen Blasinstrumenten mit Einfachrohrblatt. Sie werden aus Schilf-, Pfahl- oder Bambusrohr hergestellt. Meist wurden sie von Hirten und Bauern zum Zeitvertreib, als Signalinstrumente oder zum Tanz verwendet. Der Klang ist durchdringend und leicht schnarrend.
Inhaltsverzeichnis
Charakteristika
Der Ton der Rohrpfeifen wird durch ein ideoglottes Rohrblatt erzeugt, das heißt die tonerzeugende Zunge entsteht durch einen Einschnitt in ein Rohr. Bei einem Abwärtsschnitt schwingt das obere Ende der Zunge frei (anaglott), durch einen Aufwärtsschnitt das untere (kataglott). Wird die tonerzeugende Zunge direkt in das Melodierohr geschnitten, entsteht ein Instrument aus einem Stück (integriert). Häufiger wird jedoch ein ideoglottes Rohrblatt mit kleinerem Durchmesser auf ein Schallrohr gesteckt, das ausgewechselt werden kann, wenn es verbraucht ist (nicht-integriert).
Beim Anblasen wird das Rohrblatt ganz in der Mundhöhle gehalten. Im Mittelmeerraum und im nahen Osten werden die Instrumente häufig in Zirkularatmung gespielt.
Neben der einfachen Grundform gibt es häufig gedoppelte Rohrpfeifen, wobei entweder zwei gleichartige Rohrpfeifen oder ein Melodierohr und ein Bordunrohr miteinander verbunden werden. Meist werden sie einstimmig, nur selten in echter Mehrstimmigkeit (Polyphonie) gespielt. Auf Sardinien finden sich auch Dreifachinstrumente.
Wird eine (einfache oder gedoppelte) Rohrpfeife mit einem Schalltrichter kombiniert, entsteht eine Hornpfeife. Doppelinstrumente können eine Windkapsel haben, solche Instrumente dienen oftmals als Spielrohre für Sackpfeifen. Auch Kürbisse können als Luftreservoir verwendet werden. Die Übergänge zwischen den einzelnen Instrumententypen und -bezeichnungen sind oft fließend.
Wegen der Tonerzeugung mit einem Einfachrohrblatt werden die Rohrpfeifen (wie die Hornpfeifen) häufig als „Klarinetten“ bezeichnet. Die Orchesterklarinette ist jedoch eine jüngere Entwicklung, die wegen ihrer aufwändigen Klappenmechanik, der Möglichkeit zu überblasen und der anderen Klangfarbe ganz andere Eigenschaften hat als die Rohrpfeifen. Andere Bezeichnungen sind „Volks-“ oder „Naturklarinetten“ oder „traditionelle Chalumeaux“. Wissenschaftlich sind sie als „monoglotte Euthyphone“ zu bezeichnen. [1]
Verbreitung, Geschichte, Formen
Rohrpfeifen sind bis heute vor allem im Mittelmeerraum und in Osteuropa verbreitet. Sie dürften ursprünglich in ganz Europa verwendet worden sein. Ihre Geschichte lässt sich über das Mittelalter und den Aulos der klassischen Antike bis ins Alte Ägypten zurückverfolgen. Rohrpfeifen wie die in England am Ende des 17. Jahrhunderts verbreitete Mocktrumpet waren Vorläufer des Chalumeaus und damit der Klarinette.
Folgende Rohrpfeifen werden bis heute verwendet (zum Teil wiederbelebt):
Einfache Formen
- Sipsi (Türkei)
- Dili tuiduk (Turkmenistan)
- Mantoura (Kreta, auch doppelt)
- Diplica (Kroatien)
- Bena (Sardinien), auch doppelte und dreifache Instrumente
- Roopill (Estland)
- Dud(k)a (Russland, auch doppelt)
- Xirimieta mallorquina (Mallorca)
Mehrfache Formen
- Arghul (Ägypten)/ Yarghul (Palästina)
- Midschwiz (Libanon, Palästina)
- Çifte (Türkei)
- Xeremia eivissenca (Ibiza, auch einfach)
- Zummara (Ägypten)
- Diple (Dalmatien, Windkapsel, Doppelbohrung in Holzstück)
- Šurle (Istrien, Windkapsel, zwei Melodierohre)
- Launeddas (Sardinien, dreifach, polyphon gespielt)
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Becker, Heinz, Zur Entwicklungsgeschichte der antiken und mittelalterlichen Rohrblattinstrumente, Hamburg, 1966, S. 32f
Weblinks
- Bauanleitung zu einer „Hirtenschalmei“ (=Rohrpfeife). Abgerufen am 12. Januar 2010.
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