- Salon Kitty
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Der Salon Kitty war ein Bordell in Berlin-Charlottenburg in der Giesebrechtstraße 11, im dritten Stock, das 1939 bis 1942 vom Sicherheitsdienst des Reichsführers-SS und später dem Reichssicherheitshauptamt zu Spionagezwecken instrumentalisiert wurde.
Inhaltsverzeichnis
Zeit des Nationalsozialismus
Das Freudenhaus wurde in den frühen 1930er Jahren im dritten Stock des Hauses Giesebrechtstraße 11 unweit des Kurfürstendamms von Kitty Schmidt (eigentlich Katharina Zammit; 1882–1954) gegründet. Die Klientel war entsprechend der exklusiven Lage gut betucht. Viele namhafte Personen des öffentlichen Lebens, ausländische Diplomaten und nicht zuletzt hochrangige Funktionäre des nationalsozialistischen Regimes gehörten bald zum Kundenstamm.
Die Idee, ein Bordell zu Spionagezwecken umzurüsten, kam ursprünglich von Reinhard Heydrich und war wohl von reißerischen Romanen über den britischen Secret Service inspiriert; er delegierte die Planung an Walter Schellenberg.
Kitty Schmidt war zunächst eine Regimegegnerin und entschloss sich am 28. Juni 1939 zur Flucht. An der niederländischen Grenze wurde sie jedoch von der Gestapo festgenommen. Unter der Androhung, sie würde andernfalls in ein Konzentrationslager gebracht, zwang Schellenberg sie, ihren Amüsierbetrieb dem Sicherheitsdienst zugänglich zu machen. Der SD ging im September 1939 im Reichssicherheitshauptamt auf.
Der Salon Kitty wurde vorübergehend für „Renovierungsmaßnahmen“ geschlossen; die Zimmer wurden mit versteckten Mikrofonen ausgestattet, im Keller des Hauses wurde eine Abhörzentrale eingerichtet. Die Berliner Polizeidirektion wurde angewiesen, unter polizeilich bekannten Prostituierten „Frauen und Mädchen, die intelligent, mehrsprachig, nationalistisch gesinnt und ferner mannstoll sind“ auszuwählen. Zwanzig solcher Damen erhielten eine Spionageschulung, und im Frühjahr öffnete der Betrieb seine Pforten wieder.
Die Amüsierdamen waren angehalten, die Zungen ihrer Freier mit Alkohol und Körpereinsatz zu lösen und ihnen so relevante Informationen zu entlocken. Der Erfolg war allerdings mäßig, da es auch unter Gästen ein offenes Geheimnis war, dass alle Gespräche abgehört und aufgezeichnet wurden. Im Salon Kitty sollte auch die Regimetreue eigener Funktionäre und Verbündeter überprüft werden. Unter den Abgehörten waren so unter anderem der italienische Außenminister Galeazzo Ciano. Der SS-Oberstgruppenführer Sepp Dietrich soll sich eine Orgie mit allen 20 Freudenmädchen zugleich gewünscht haben, doch selbst diese Sinnesfreuden konnten ihn zu keinem regimekritischen Ausrutscher bewegen („Also, auf geht’s, Mädel. I bin do net zum Redn herkomma.“)
Dem britischen Agenten Roger Wilson gelang es, eine der Prostituierten zum Überlaufen zu bewegen, und so konnte letztlich auch der britische Geheimdienst die Gespräche im Salon auswerten.
1942 wurde das Haus von einer Fliegerbombe getroffen. Der Salon wurde in das Erdgeschoss verlegt, und bald gab das Reichssicherheitshauptamt die Spionage dort auf. Kitty Schmidt wurde zum Stillschweigen verpflichtet. Bis zu ihrem Tod 1954 hat sie sich nicht öffentlich zu den Geschehnissen geäußert.
Nachkriegszeit
Nach Kriegsende nahm der Salon Kitty den Betrieb wieder auf. In der Wirtschaftswunder-Zeit wurde er so wieder zu einer beliebten Adresse für Herren der besseren Kreise. Nach Kitty Schmidts Tod 1954 führte ihre Tochter Kathleen den Betrieb fort, später ihr Enkel. In den frühen 1990er Jahren gingen die Geschäfte allerdings nicht mehr allzu gut, und so wandelte der Enkel Kitty Schmidts das Bordell in eine Pension für Asylbewerber um. Nach Protesten der Anwohner musste diese allerdings bald schließen.
Verfilmung
1976 wurde aus den Gerüchten, die sich um den Salon Kitty rankten, ein umstrittener Film erstellt. Die Regie bei Salon Kitty führte Tinto Brass; in den Hauptrollen waren unter anderen Helmut Berger als Walter Schellenberg (im Film „Helmut Wallenberg“) und Ingrid Thulin als Kitty Schmidt („Kitty Kellermann“) zu sehen. In Deutschland wurde lediglich eine stark geschnittene Version veröffentlicht. Dies kam dadurch zustande, dass in der deutschen Schnittfassung fast jede NS-Symbolik getilgt werden musste, um nicht gegen deutsche Gesetze zu verstoßen. Auch in zahlreichen anderen Staaten wurde Tinto Brass’ Film nur gekürzt gezeigt.
Literatur
- Peter Norden: Salon Kitty. Report einer geheimen Reichssache. Limes-Verlag, Wiesbaden u. München 1976, ISBN 3-8090-2104-0. (auch erschienen in: Deutsche Buchgemeinschaft, 1980)
- Peter Norden: Salon Kitty – Das Buch zum Film. Gustav Lübbe Verlag (Bastei-Lübbe), Bergisch Gladbach 1976, ISBN 3-404-00381-0. (Lizenzausgabe)
- Maik Kopleck: PastFinder Berlin 1933–1945: Stadtführer zu den Spuren der Vergangenheit. 4., durchges. Aufl., Links Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-86153-326-X. (siehe dort: Seite 51, Punkt 11, „Salon Kitty“)
- Claus Räfle (Regie): Salon Kitty. 2004 (Fernsehdokumentation, 45 Minuten)
Weblinks
52.50097222222213.311527777778Koordinaten: 52° 30′ 3,5″ N, 13° 18′ 41,5″ OKategorien:- Berliner Geschichte (20. Jahrhundert)
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