Sarizzo

Sarizzo
Innenansicht der Kirche San Giovanni Battista in Mogno, Maggia-Gneis und Cristallina-Marmor (Entwurf: Mario Botta)
Gneissteinbruch im Maggiatal
Gneis und alte Architektur im Valle Verzasca (Ponte dei Salti)
Serizzo Antigorio, poliert (Muster ca. 25 x 15cm)

Serizzo (gelegentlich Sarizzo, italienisch: pietra di serizzo) ist eine gewerblich geprägte Gruppenbezeichnung für meist plattig spaltende aber ebenso massig vorkommende Gneise des Südalpenraumes. Der bekannteste Vertreter ist der Serizzo Antigorio aus dem Valle Antigorio.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung, Begriffsbestimmung und Zusammensetzung

Der Begriff Serizzo ist keine petrographische Bezeichnung und entstammt sehr alten umgangssprachlichen Gewohnheiten im Südalpenraum, besonders in der Region Piemont und im Tessin.
Mit Serizzo werden hauptsächlich Paragneise, (Metamorphit/Umwandlungsgestein) bezeichnet. Paragneise entstehen durch Umwandlung von Sedimentgestein oder Sedimenten. Geraten diese unter Hitze und Druck entstehen zunächst Glimmergesteine und anschließend, bei einem höheren Metamorphosegrad Paragneise. Serizzo entstand durch Metamorphose von sandig-tonigen Sedimenten in einer Tiefe von über 7 Kilometern.[1]
Er erstreckt sich ferner auf einzelne plattig spaltende Quarzite und Orthogneise. Prägend für seine regional und zeitgeschichtlich schwankende Anwendung auf Gesteine bestimmter Ausbildung ist deren plattige Spaltbarkeit und ihr vergleichsweise hoher Glimmergehalt.

Nach tektonischen Gesichtspunkten lagern die Serizzos in einer besonders interessanten Zone alpiner Überschiebungs- und Faltungsvorgänge. Sie wird als Penninikum bezeichnet. Bei der Alpenbildung schob die Platte des Afrikanischen Kontinents gegen die europäische Platte. Innerhalb dieses lang anhaltenden Vorgangs wurden nach modernen Auffassungen alte Ablagerungen von einer Ausdehnung um 700 Kilometern auf etwa 125 bis 150 Kilometern zusammengepresst. Die den Kräften nachgebenden Gesteinsmassen tauchten entweder unter (Subduktion), verschoben sich horizontal (Obduktion) bzw. falteten sich zu einem neuen Gebirge (Alpen) auf. Die größte Mächtigkeit alpiner Gesteinsmassen erzeugten die kollidierenden Kontinentalplatten im Gebiet vom heutigen Tessin (im Nordtessin Kontinentalkruste auf 60 Kilometer Mächtigkeit) und Gotthard-Aare-Massiv. Dabei schoben sich mehrere starke alte Gesteinsschichten übereinander und auf diese Weise kam es zu Bildung der so genannten Penninischen Decken. Es handelt sich dabei um kilometerdicke übereinander liegende Platten bzw. Falten kristalliner Gesteine. Bei diesen Vorgängen kam es zu mineralogischen/lithologischen Neu- und Umbildungen unter extremsten Druckverhältnissen. Die Serizzos (Ortho- und Paragneise) des Penninikums sind ein Ergebnis aus dieser tektonischen Abfolge. Weitere Tiefengesteine wurden dabei emporgedrückt und begleiten als Serpentinite, Eklogite oder Gabbros diese Zone, ebenso einige Marmorlagerstätten.

Serizzos bestehen aus Quarz, schwarzem Biotit und weißem Feldspat. Neben diesen Mineralen kommt auch hin und wieder Muskovit, der helle Glimmer, als einzeln glitzernder Bestandteil vor. Da sich Biotit, der dunkle Glimmer, in linearen Paralleltexturen (teilweise natürliche Spaltflächen) des Gesteins verteilt hat, lassen sich diese Naturwerksteine gut ebenflächig spalten. Wird der Serizzo gegen das Lager gesägt, entsteht meist eine „augengneisartige“ Struktur, weil sich um die Quarz- und Feldspateinlagerungen das schwarze Biotit in radialen Formen angelagert hat.

Vorkommen

Die als Serizzo bezeichneten Gneise werden im Raum um Crevoladossola, bei Sondrio und im Kanton Tessin gewonnen. Für diese Regionen haben der Abbau und die Weiterverarbeitung eine große Bedeutung. Damit sind viele Arbeitsplätze verbunden. Die Tradition dieses Steinabbaus hat die regionale Architektur der Täler stark geprägt. Typische Zeugnisse dafür sind Mauerwerk, Dachdeckungen und Brunnen. Sehr alt sind die Gewinnungsstellen im Verzasca-Tal. Konkrete Abbauregionen sind:

Technische Eigenschaften und Verwendung

Serizzos sind frostbeständig und verschleißfest. Sie können poliert und beflammt werden. Ihre Verwendung ist im Bauwesen und der Innenausstattung vielfältig; sie werden in Deutschland sowohl im Innenbereich und im Außenbereich benutzt, z.B. als Treppen- und Bodenbeläge, Fassaden, Waschtische und Küchenarbeitsplatten. Im italienisch-schweizerischen Grenzgebiet wird dieses Gestein z.B. auch als Bord- und Baustein verwendet.
Die besonders attraktiven Sorten, die im Baubereich kaum auftreten, finden hauptsächlich in der Region und in Übersee ihre geschätzte Aufmerksamkeit. Durch ihre optische Eigenschaften, besondere ihre Farbe und Textur, gehören sie zu den außergewöhnlichsten Naturwerksteinen Europas. Deshalb nutzt man sie für aufwendige Fassaden- und Interieurgestaltungen, Designobjekte oder Brunnenanlagen.

Literatur

  • Tarcisio Bullo: La belle epoque: tra illusioni, sfruttamento e lotte sindacali. In: Annuario alto ticino 2006, Claro 2005 S. 9-12
  • M. Catella / E. Corbella / C. Costa et al.: Marmi Italiani Guida Tecnica. Mailand (Fratelli Vallardi Editori) 1982
  • Karlfried Fuchs: Natursteine aus aller Welt, entdecken, bestimmen, anwenden. Bd 1. München (Callwey) 1997, ISBN 3-7667-1267-5
  • Toni P. Labhart: Geologie der Schweiz. Thun (Otto Verlag) 2001 ISBN 3-7225-6760-2
  • o. A.: Pietre ornamentali del Piemonte. Instituto nazionale per il Commercio Estero, Turin 2000
  • F. de Quervain: Die nutzbaren Gesteine der Schweiz. Bern (Kümmerley & Frey) 1969

Weblinks

Serizzo-Steinbruch

Einzelnachweise

  1. Karlfried Fuchs: Natursteine, S. 114 (siehe Literatur)

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