Schääle Sie

Schääle Sie

Schäl Sick (rheinisch für: scheele, falsche Seite) ist ein im Rheinland heute noch geläufiger Ausdruck für die aus Sicht des Betrachters jeweils andere, das heißt: „schlechte“ oder auch „falsche Seite“ des Rheins.

Auch an der Mosel findet dieser Begriff Verwendung (wobei dort meist die – in Flussrichtung – linke Seite gemeint ist).

Inhaltsverzeichnis

Begriff

Der Ausdruck „schäl Sick“ kommt vom kölschen Wort für blinzeln („schäle“, verwandt mit „schielen“ oder „scheel anblicken“). In früheren Zeiten, als es noch keine Dampfschifffahrt gab, wurden Kähne, sogenannte Treidelschiffe, von Pferden flussaufwärts gezogen (getreidelt). Angeblich mussten die Tiere dabei schielen, weil sie durch das vom Wasser reflektierte Sonnenlicht geblendet wurden. Diese immer wieder gerne aufgegriffene Entstehungsgeschichte ist allerdings mittlerweile widerlegt. Zum einen ist nicht nachgewiesen, dass Pferde von grellem Sonnenlicht geblendet werden und zum anderen wäre davon nicht nur einseitig ein Auge betroffen, aus dem sich eine scheele Seite ableiten ließe.

Örtliche Auslegung

Für den Köln-Bonner Bereich bezieht sich der Begriff „Schäl Sick“ nur auf die rechtsrheinischen Stadtteile. Eine mögliche Erklärung liegt in der frühmittelalterlichen religiösen Trennung der beiden Rheinseiten. Die Römer besiedelten am Niederrhein nur die linke Seite des Flusses. Der Rhein selber bildete die Grenze zum Römischen Reich. Erst südlich von Remagen, bei Rheinbrohl wagten sie sich auf die rechte Rheinseite und befestigten die Grenze in ihrem weiteren Verlauf mit dem Limes. Während sich das Christentum in den römischen Gebieten weit verbreiten konnte, blieben die Germanen auf der anderen Rheinseite hiervon noch lange Zeit unbeeinflusst. Die linksrheinischen Christen betrachteten die rechtsrheinischen Bewohner als Heiden, die dem Odin (Wodan) huldigten. Wodan ist bekannt als einäugiger, schielender germanischer Gott, der als hinterlistig, tückisch und unberechenbar gilt. Die schäl Sick wäre demnach diejenige Rheinseite, auf der die unkultivierten Barbaren ihren Schäl (Wodan) verehrten.[1]

Der Düsseldorfer Begriff ist wahrscheinlich in Analogie zu diesem Sachverhalt gebildet worden, aber dort liegen die linksrheinischen Stadtteile (also z.B. Düsseldorf-Niederkassel, Düsseldorf-Oberkassel) auf der schäl Sick, die auf Düsseldorfer Platt schäl Sitt heißt.

Im linksrheinischen Krefeld gibt es die Schääle Sie. Da Krefeld aber kein Stadtgebiet jenseits des Rheines hat, meint der Krefelder mit diesem Ausdruck die rechtsrheinisch gegenüberliegenden Nachbarstädte Duisburg im Norden und Düsseldorf im Süden. Krefelder wohnen also immer auf der für Krefelder richtigen Rheinseite. Interessant ist indes auch, dass die Beziehungen zum ebenfalls linksrheinischen Köln aus Sicht der Krefelder subjektiv gesehen besser stehen als zum näher gelegenen, jedoch auf der "falschen", gegenüberliegenden Rheinseite liegenden Düsseldorf. Der weit zurückreichende Zwist zwischen Köln und Düsseldorf ist weithin bekannt.[2]

Auch in der Gegend um Koblenz ist der Ausdruck als Scheel Seit bekannt. Er wird hier sowohl von den Anwohnern des linken als auch des rechten Rheinufers abwertend zur Bezeichnung des jeweils anderen Ufers benutzt.

Soziologie

Es könnte weiterhin angenommen werden, dass in den tiefreligiösen Gesellschaften darüber hinaus die stärkere Betroffenheit der „schäl Sick“ durch Hochwasser quasi als Gottesurteil über diese Rheinseite betrachtet wurde.

Da all diese Gebiete häufiger, zumindest aber heftiger von Rheinhochwassern betroffen waren, ergeben sich weitere Gemeinsamkeiten wie eine dünne Besiedelung, kleine Städte wie Deutz oder Beuel, ein fruchtbarer Boden und ausgeprägte landwirtschaftliche Nutzung.

Aus Sicht der frühen ständischen Gesellschaft der Stadtbewohner ergab sich ein in ihrer Lebenswirklichkeit natürliches soziales Gefälle von der Stadt der hohen Stände, wie Bürger und Adel, zu den niederen Ständen der Bauern und Leibeigenen auf dem Land.

Die außerhalb der Städte verbreiteten Sicherheitsprobleme, bedingt durch dünne, eher ländliche Besiedlung und meist fehlende Stadtmauern, bestärkten offenbar die Großstädter in dem Glauben, auf der „guten“ und „richtigen Seite“ zu leben.

All die als Schäl Sick bezeichneten Gebiete waren bis zum massiv einsetzenden Brückenbau über den Rhein im 19. und 20. Jahrhundert vom regen städtischen Leben der benachbarten großen Städte abgeschnitten. Eine Rheinquerung mit Schalden und Gierponten war zu alten Zeiten mit Aufwand oder sogar mit einem Risiko behaftet.

Quellen

  1. Heinz Dick und Theo Koch: Schäl Sick - Dem Ursprung auf der Spur, in: Ooßeköpp op d'r Schäl Sick, Flittard 1990, S. 35-83
  2. Schlacht von Worringen

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