Segen der Erde

Segen der Erde

Segen der Erde, Originaltitel Markens Grøde, ist ein 1917 erschienener Roman des norwegischen Schriftstellers Knut Hamsun, für den er 1920 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde. Der Roman gehört zu den „zivilisationskritischen, utopisch-rückwärts gewandten, gleichsam Naturkraft und Lebensstärke verherrlichenden“ [1] Werken der damaligen Literatur. Die Sprache des Erzählers ist über weite Strecken von nahezu jener Einfachheit, wie die direkt wiedergegebenen Reden der Protagonisten, womit der Roman einen insgesamt authentischen Effekt erreicht. [2] Die deutsche Erstausgabe erschien 1918.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

In der unberührten norwegischen Wildnis, weitab von anderen Menschen siedelt sich Isak an. Er baut eine Torfhütte, rodet Bäume und tauscht im Winter im Dorf Baumrinden gegen Lebensmittel. Eine Frau für seine Einöde sucht er dort jedoch vergeblich.

In nächsten Frühjahr läuft ihm Inger zu. Die hat zwar eine Hasenscharte, aber beginnt dafür ein gemeinsames Leben mit Isak. Durch schwere körperliche Arbeit bei Ackerbau und Viehzucht bringen sie es zu bescheidenem Wohlstand mit Holzhaus, Pferd und Schlitten. Inger gebärt Isak im Jahresabstand zwei Söhne und erhält regelmäßig Besuch von ihren Verwandten und Bekannten Oline und Os-Anders. Bei einem Besuch Os-Anders' während ihrer dritten Schwangerschaft erfährt Inger, dass Isak das Land nicht gehört und er es eigentlich kaufen müsste. Os-Anders hat auch einen toten Hasen dabei, was Inger als schlechtes Omen schockiert.

Amtmann Geissler besucht Isak gemeinsam mit dem Gutachter Brede Olsen und registriert dessen Land unter dem Namen „Sellanraa“. Geissler verliert wenig später wegen Untreue seine Stellung und geht davon – nicht ohne Isak zum Erwerb weiteren Lands zu raten, da es weitere Interessenten gebe.

Inger gebärt, wie auch zuvor in Abwesenheit von Isak, ein drittes Kind. Es ist ein Mädchen mit der befürchteten Hasenscharte, das sie sofort nach der Geburt tötet. Beim Vergraben des Kindes wird sie von Oline beobachtet, die die Sache Isak verrät und anschließend im Dorf breitträgt. Inger wird nach längeren Verhandlungen zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt und mit einem Schiff ins Gefängnis gebracht, wo sie ihr viertes Kind bekommt. Sie arbeit im Frauengefängnis, Isak arbeitet auf dem Landgut. Der ehemalige Gehilfe Geisslers, Brede Olsen, ist mit seiner Tochter Barbro Isaks neuer Nachbar geworden. Als eine Telegrafenleitung durchs Gebirge gezogen werden soll, übernimmt Brede Olsen den Inspektorenposten.

Geissler kehrt einige Jahre nach seiner Flucht zurück. Er hatte bei seinem ersten Besuch bei Isak metallhaltige Steine bei Isaks Kindern gesehen, die sich nun als Kupfer herausstellen. Geissler kauft von Isak das Land, auf dem die Steine gefunden wurden, für 200 Taler und gibt ihm zehn Prozent Gewinnbeteiligung – er errichtet dort eine Kupferhütte. Sein Hof wird von Aksel Strøm geführt.

Bei ihrer Entlassung holt Isak Inger und die gemeinsame Tochter Leopoldine ab. Die Gegend hat sich mittlerweile entwickelt, es gibt sechs neue Anwesen. Ihre Söhne Eleseus und Sivert sind erwachsen. Isaks Nachbar Aksel Strøm hat ein Auge auf Brede Olsens Tochter Barbro geworfen. Beim Tanz am Samstag kommen sie zusammen, sie zieht zu ihm.

Als die Kupfergruben nicht mehr genügend Gewinn abwerfen, macht sich Arbeitslosigkeit breit. Geissler verkauft das Land und Isak bekommt seinen Anteil in Höhe von 4000 Talern. Aksel übernimmt den Telegrafenposten, den Brede Olsen verliert. Barbro ist unehelich schwanger von Aksel und gebärt das Kind heimlich im Wasser. Oline wird erneut Zeuge der Tat und verbreitet die offenbare Kindstötung im Ort. Barbro wird jedoch vor Gericht freigesprochen. Sie kehrt zu Aksel zurück. Sivert hat sich in Jensine, das neue Dienstmädchen auf „Sellanraa“, verliebt. Im folgenden Frühjahr wird eine Doppelhochzeit gefeiert.

Wirkung

Das Nobelpreiskomitee wertete das Werk in der Verleihungsrede von Harald Hjärne am 10. Dezember 1920 als „klassisches Werk“ im Sinne von „bedeutungsvoll“ in einer „selbst für kommende Zeiten noch gültigen Form“, womit es das „Abbild eines Daseins, das überall wo Menschen leben und bauen, die Existenz der und der Entwicklung der Gesellschaft kennzeichnet“ darstelle. Es sei ein „Heldenlied auf die Arbeit“, die in Rodung, Feldbestellung und bäuerlichem Kampf der „widerspenstigen Wildnis“ die Erträge abringe. Obwohl das Komitee die im Gegensatz zu schwedischen Naturvorstellungen einer „üppigen und überreichen Natur“ typisch norwegische Form der Naturbeschreibung als „rauh und widerspenstig“ hervorhebt, erkennt es in der Tatsache der weltweiten Aufnahme von Hamsuns Werk bei „Völkern verschiedenster Sprache, Wesensart und Sitte“ doch einen übergreifenden „allgemein Menschlichen“ Gehalt des Werkes. [3]

Im deutschsprachigen Raum faszinierte der Roman laut Walther Killys Literaturlexikon eine Schriftstellergeneration, „die dem Zerfallsdenken der Moderne in konservativem Beharren auf Naturwerten eine Alternative entgegenzustellen suchte“. [4] Das Werk wurde nach Erscheinen von der Völkischen Bewegung und besonders im Nationalsozialismus - obwohl Hamsun von Personen wie Thomas Mann, Arnold Schönberg, Albert Einstein, Maxim Gorki, Gerhart Hauptmann und Andre Gide als „einer der größten Epiker des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet wurde [5] - begeistert im Sinne der Blut-und-Boden-Ideologie im Sinne einer Beschreibung eines „gesunden Bauerntums“ ausgedeutet und angenommen. [6]

Walter Baumgartner stellte später allerdings eine großteils andere Interpretation des Werkes seitens der modernen Literaturwissenschaft fest:

Neuere Hamsun-Forscher lesen Segen der Erde allerdings anders als das Nobelkomitee und Rosenberg. Der Modernist und Ironiker Hamsun verleugnet sich trotz des gefährlichen Sujets - vielleicht auch trotz ›bester‹ Vorsätze, diesmal ein erbauliches Buch zu schreiben - auch in diesem Text nicht. Sein notorisch unsolidarischer fiktiver Erzähler unterminiert ständig die scheinbar erbauliche gegengeschichtliche und damals so verführerisch wirkende Botschaft. Die Siedler auf Sellanrå reproduzieren die inhumanen Verhältnisse der Welt, deren Gegenbild sie realisieren wollten; die Voraussetzungen, unter denen ihr Neuanfang hätte stattfinden sollen, sind, wenn sie nicht von Anfang an unrealistisch waren, am Ende des Romans in sich zusammengefallen, auch wenn Isak auf der letzten Seite noch einmal als barhäuptiger archaischer Sämann über seinen Acker schreitet. Es ist nicht zu übersehen, daß seine Aura empfindlich verletzt wird durch das tierische, haarige Aussehen, das ihm Hamsun - nicht nur an dieser Stelle - gibt. Segen der Erde ist keine Darstellung der Welt vor dem Sündenfall, auch wenn der Romantitel dies zu verheißen scheint [...] [7]

und er konstatierte nach einer Auseinandersetzung mit den Begründungen des Komitees für die Verleihung des Nobelpreises:

Hamsun verdankte den Nobelpreis einem grotesken Mißverständnis, was die Einschätzung der erbaulichen Qualitäten von Segen der Erde und die Hoffnung auf seine weitere literarische und ethische Entwicklung betrifft.[8]

Film und Theater

  • 1921 drehte der dänische Regisseur Gunnar Sommerfeldt in Norwegen den Stummfilm Markens Grøde.[9] Die Musik dazu komponierte Leif Halvorsen.[10]
  • Sebastian Hartmann inszenierte 2007 am Nationaltheater in Oslo eine Theateradaption von Segen der Erde.[11]

Weblinks

Einzelbelege

  1. Sachlexikon: Skandinavisch-deutsche Literaturbeziehungen, S. 10. Digitale Bibliothek Band 9: Killy Literaturlexikon, S. 26420 (vgl. Killy Bd. 14, S. 372)
  2. Einzelnachweis fehlt hier
  3. Aus der Verleihungsrede von Harald Hjärne anlässlich der feierlichen Überreichung des Nobelpreises für Literatur an Knut Hamsun am 10. Dezember 1920; in Kreis der Nobelpreisfreunde, Bd. 20, Coron-Verlag, Zürich, S. 17-20
  4. Einzelbeleg fehlt
  5. Baumgartner: Knut Hamsun, Bd. 543 der Rowohlt Monographien, Rowohlt, 1997, S. 112
  6. Josef Rattner und Gerhard Danzer: Dänemark und Norwegen in Europa - Geistesgeschichtliche und literarische Essays, Königshausen & Neumann, 2004, S. 283
  7. http://www.uni-siegen.de/lili/ausgaben/1997/liliheft107/lili107baumgartner.html?lang=de
  8. http://www.uni-siegen.de/lili/ausgaben/1997/liliheft107/lili107baumgartner.html?lang=de
  9. zur Fernsehausstrahlung bei ARTE
  10. http://www.frankstrobel.de/deutsche_Version/Saison/saison.html
  11. http://www.oslo.diplo.de/Vertretung/oslo/de/06/Kultur__Arch/Segen__der__Erde__Seite.html

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