Seggregation

Seggregation

Segregation bezeichnet den Vorgang der Entmischung von unterschiedlichen Elementen in einem Beobachtungsgebiet. Man spricht dann von Segregation, wenn sich die Tendenz zu einer Polarisierung und räumlichen Aufteilung der Elemente gemäß bestimmter Eigenschaften beobachten lässt. Das Beobachtungsgebiet ist entlang bestimmter Merkmale segregiert, wenn eine bestimmte Gruppe oder ein spezifisches Element in Teilen des Beobachtungsgebietes konzentriert auftritt, in anderen dagegen unterrepräsentiert ist. Der Begriff wird sowohl in der Werkstoffkunde als auch in der Soziologie, sowie bei Waldmessmodellen angewendet. In der chem. Verfahrenstechnik findet er im vollständig segregierten kontinuierlichen Rührkessel (SCTR) Anwendung.

Inhaltsverzeichnis

Stadt als Beispiel

Häufiges Beispiel bzw. Beobachtungsfeld in soziologischen, geographischen oder wirtschaftlichen Untersuchungen sind Segregationsprozesse innerhalb der Städte. Hier treten diese Prozesse deutlich zutage, da in der Stadt bezüglich bestimmter Merkmale (z. B. Einkommen, Ethnizität, Religion) sehr unterschiedliche Bevölkerungsgruppen zusammenleben. Auffällig ist nun, dass sich der städtische Raum entlang dieser Merkmale segregiert.

Die Erscheinung der Segregation in den Städten ist bereits sehr früh zu beobachten. Bereits in den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten Europas (vergleiche Stadtentwicklung) gab es die räumliche Trennung beispielsweise der Kaufleute und der Handwerker in jeweils eigenen Teilen der Stadt. Neben dieser Segregation entlang des Merkmals Beruf findet sich auch eine Segregation nach ethnischen und religiösen Merkmalen, so beim jüdischen Ghetto oder den noch kleinteiliger nach Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit getrennten Vierteln der klassischen orientalischen Stadt. Zur muslimischen Segregation siehe al-walā' wa-l-barā'a

Auch heute beobachten Soziologen und Stadtplaner weiterhin Segregationseffekte. In Nordamerikanischen Städten ist dies augenscheinlich in den Vierteln, die nahezu ausschließlich von einer bestimmten Einwanderergruppe bewohnt werden (China Town, Greek Town, der Stadtteil Harlem in New York). Aber auch in europäischen Städten finden sich mitunter einzelne Stadtteile mit hohen Anteilen eingewanderter (ehemaliger) Gastarbeiter aus dem Mittelmeerraum oder auch mit hochqualifizierten ausländischen Kräften. Verstärkt ist auch eine Segregation bezüglich Bildungs- und Einkommensniveau zu beobachten. So entsteht zunehmend ein privater, gegenüber Unbefugten abgeschlossener Bereich („Gated-Communities“).[1] Das Ausmaß der Segregation dient somit als ein Indiz für eine Polarisierung der Gesellschaft und kann bei zu deutlicher Trennung der einzelnen Merkmalsgruppen die Gefahr der Herausbildung von konfliktreichen Teilgesellschaften anzeigen. (Vgl. auch Parallelgesellschaft)

Untersuchungsmethodik

Modellhafte Darstellung der Segregation nach 3 Statusmerkmalen

Eigenschaftsträger können Bevölkerungsgruppen, Wohngebäude, Handelseinrichtungen, Einrichtungen der sozialen Infrastruktur und ähnliches sein. Residentielle Segregation bezeichnet die Segregation verschiedener Bevölkerungsgruppen nach ihrem Wohnort. In der Regel wird Segregation von Teilmengen einer Bevölkerungen nach folgenden Statusmerkmalen unterschieden:

  • Segregation nach dem demographischen Status
  • Segregation nach dem sozialen Status und/oder
  • Segregation nach ethnisch/religiöser Zugehörigkeit

der jeweiligen Bevölkerungsgruppe. Die Ausprägung der Segregation ist stark von den gewählten Teileinheiten des Untersuchungsraumes und den Merkmalen abhängig.

Drei Konzepte für die Messung von Segregation lassen sich unterscheiden:

  1. Ungleichverteilungsmaße wie Segregations-, Dissimilaritätsindex[2], Gini-Koeffizient[3] und der Theil-Index,
  2. Maße des Ausgesetztseins (Interaktion/Isolation zwischen Gruppen) und
  3. Ballungsmaße (Clustering).

Messung der Ungleichverteilung

Segregation, Musterstadt mit 5 Regionen

Beispielverteilung dreier Bevölkerungsgruppen

Berechnung von IS für Gelb
Quartier Anteil Gelb Anteil Andere Differenz (abs)
1 0 % 21,2 % 21,2
2 0 % 21,2 % 21,2
3 0 % 27,3 % 27,3
4 14,3 % 18,2 % 3,9
5 85,7 % 12,1 % 73,6
Die aufsummierten Differenzen im obigen Beispiel
ergeben den Zahlenwert 147,2. Der Segregationsindex für „Gelb“
ist 0,5 × 147,2 = 73,6.[4]

Bei der Beschreibung der Segregation verschiedener Bevölkerungsgruppen wird zugleich eine Zuweisung des Grades der Ungleichverteilung vorgenommen, d. h. eine Gruppe, die sich stark von anderen unterscheidet, wird auch einem besonders scharf abgegrenzten Raum zugeordnet.

Zur Darstellung räumlicher Ungleichheit gibt es verschiedene Maßzahlen. Verbreitet sind der Dissimilaritäts- und der Segregationsindex. Ersterer dient dem Vergleich der Verteilung von zwei Bevölkerungsgruppen zueinander, während der Segregationsindex die Verteilung einer Bevölkerungsgruppe im Bezug auf die Gesamtbevölkerung misst. Beide Indikatoren können Werte zwischen 0 (Gleichverteilung) und 100 (vollständige räumliche Segregation/Dissimilarität) annehmen.

Für die Berechnung des Dissimilaritätsindex der Bevölkerungsgruppen A und B wird für jede Raumeinheit die Differenz zwischen dem Anteil der Gruppe A an der Gesamtheit von A und dem Anteil von B an der Gesamtheit von B gebildet. Die Beträge dieser Differenzen ergeben über alle Raumeinheiten aufsummiert und dann halbiert den Dissimilaritätsindex (ID) zwischen A und B.

ID = \frac{1}{2}\cdot\sum_{i=1}^N  \left|\frac{a_i}{\sum_{i=1}^N a_i} - \frac{b_i}{\sum_{i=1}^N b_i}\right|

Analog erfolgt die Berechnung des Segregationsindex (IS) über die Summe der Anteilsdifferenzen zwischen der Gruppe A in der iten Raumeinheit und der Gesamtbevölkerung G abzüglich der betrachteten Gruppe A.

IS = \frac{1}{2}\cdot\sum_{i=1}^N  \left|\frac{a_i}{\sum_{i=1}^N a_i} - \frac{g_i}{\sum_{i=1}^N g_i}\right|

wobei: gi = Gesamtbevölkerung - betrachtete Gruppe A

Beide Indikatorwerte lassen sich als der Prozentwert an den betrachteten Gruppen interpretieren, der jeweils umziehen müsste, um eine Gleichverteilung zu erzielen.

Anwendungen

Die räumliche Verteilung der nach den einzelnen Statusmerkmalen segregierten Bevölkerungsgruppen überlagern sich. Untersuchungen von Murdie (1969) zeigten, dass sich in den Mustern der Segregation nach den drei Statusmerkmalen Grundtypen städtischer Strukturen erkennen lassen, die den unterschiedlichen Konzepten der Stadtstrukturmodelle der Chicagoer Schule entsprechen.

  1. Die Segregation nach dem Sozialstatus zeigt eine sektorale Struktur.
  2. Die Segregation nach dem Familienstatus zeigt eine ringförmige Struktur.
  3. Die ethnische Segregation weist eine mehrkernige Struktur auf.

Diese sozialräumlichen Grunddimensionen wurden für verschiedene Großstädte untersucht und die Aussagen Murdies bestätigt.

Angesichts der Tatsache, dass mit starker räumlicher Ungleichverteilung einzelner Gruppen häufig erhöhte Kriminalitätsraten und beschleunigter Stadtverfall (durch Desinvestition) einher gehen und mitunter das gesamtstädtische Image leidet, werden verschiedene Desegregationsstrategien entwickelt. Allerdings ist vor dem ‚ökologischen Fehlschluss‘ zu warnen: für höhere Kriminalitätsraten in einem Gebiet muss keineswegs die Segregation verantwortlich (so der Kontext), sondern es kann schlicht die Addition von kriminellen Taten von Menschen sein, die überall auffällig würden, d. h. die Verringerung der Segregation würde die Kriminalitätsrate nicht senken.

Am stärksten segregiert sind immer die Reichsten und die Ärmsten in einer Stadt – die einen freiwillig, die anderen erzwungenermaßen. Und zu den Ärmsten gehören oft auch die Zuwanderer, deren räumliche Segregation besonders oft kritisiert wird, ohne dass zugleich gesagt würde, wie sie verringert werden könnte.

Vereinfacht ausgedrückt, sollen hierbei stärkere soziale Kontrolle und eine ausgeprägtere Gebietsbindung einer vorhandenen Bewohnerstruktur dafür sorgen, dass die negativen Auswirkungen durch Entmischung begrenzt bleiben. Als Maßnahmen sind neben allgemeinen Wohnumfeldverbesserungen, eine die Belange des Wohnungsmieters schützende Gesetzgebung (Verhinderung oder Begrenzung von Gentrifizierung), Mietsubventionen (z. B. Wohngeld), Öffnungsklauseln im Sozialwohnungsbestand, verstärkte schulische Integration von fremdsprachlichen Minoritäten und verschiedene Antidiskriminierungsinitiativen verbunden. Neben dem Vorhandensein der erforderlichen Finanzmittel ist es für den Erfolg derartiger Strategien jedoch unerlässlich, dass ein komplementärer gesamtgesellschaftlicher Konsens zum Umgang mit Minderheiten vorhanden ist.

Verweise

  1. Die Privatisierung des öffentlichen Raumes in den USA. In: Raummuster - Planerstoff. Festschrift für Fritz Kastner zum 85. Geburtstag. Institut für Raumplanung und Ländliche Neuordnung der BOKU, Wien: 29-39. Wien. G. Weber G., 1999. Abgerufen am 5. April 2008. (PDF)
  2. Der Dissimilaritätsindex entspricht der Hoover-Ungleichverteilung.
  3. Der Gini-Koeffizient beruht auf der Lorenz-Kurve.
  4. http://www.umverteilung.de/rechner/?quantiles=7,0|7,0|9,0|6,1|4,6 – Der On-Line Ungleichverteilungs-Rechner ermittelt ebenfalls eine Hoover-Ungleichverteilung von 73,6 direkt, d. h. ohne dass Prozentwerte ermittelt werden mússen. (Einige andere Angaben des Rechners gelten für Einkommens- oder Vermögensverteilungen und sind für dieses Beispiel nicht relevant.)

Literatur

  • Rauf Ceylan: Ethnische Kolonien. Entstehung, Funktion und Wandel am Beispiel türkischer Moscheen und Cafés, Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2006
  • Hartmut Häußermann und Walter Siebel: Stadtsoziologie. Eine Einführung. Campus-Verlag, Frankfurt/M., 2004.
  • Braun, G. und Müller, H.(1980): Analyse innerstädtischer Wanderungen – Theorien und Methoden der Sozial- und Faktorökologie.
  • Thieme, G. (1993): Segregation, in: Börsch, D. (Hrsg.) Handbuch des Geographieunterrichts, Band II: Bevölkerung und Raum, S. 167–171, Köln.
  • Friedrichs, J. (1977): Stadtanalyse, Hamburg.
  • Friedrichs, J. (1995): Stadtsoziologie, Opladen.
  • Harrison, J. und Weinberg, D.H. (1992): Racial and Ethnic Residential Segregation. [1]
  • Harth, A., Scheller, G. und Tessin, W. (Hrsg, 2000.): Stadt und soziale Ungleichheit. Opladen. (Aufsätze von Friedrichs, Dangschat, Häußermann & Siebel)
  • Lichtenberger, E. (1986): Stadtgeographie, Stuttgart

Weblinks


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