Stadtentwicklung

Stadtentwicklung

Als Stadtentwicklung bezeichnet man die räumliche, historische sowie strukturelle Gesamtentwicklung einer Stadt. Hierunter kann zum einen die Planung und Entwicklung der gesamten Stadt sowie zum anderen die Entwicklung einzelner Stadtquartiere verstanden werden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Eine zielgerichtete Stadtentwicklung gab es bereits im Altertum. So zeigen die Städte der Indus-Kultur wie Harappa bereits im 3. Jahrtausend v. Chr. eine geordnete Struktur mit schachbrettartig angeordneten Straßen. Auch die Städte des alten Ägypten wiesen eine geplante Struktur auf. Sie kann ungeordnet verlaufen, meistens wird sie durch Stadtentwicklung, Stadtplanung und Bauleitplanung in eine bestimmte Richtung gelenkt.

Mit dem Machtzuwachs des Imperium Romanum nach der Zeitenwende, kam es vermehrt in Europa zur Stadtbildung. Überwiegend an Heerstraßen und Verkehrswegen anliegend, war ihre primäre Aufgabe die Sicherung von Handelsknoten.
Nach dem Einfall der Hunnen 375 n. Chr., zerfiel das weströmische Reich durch die von Etzels Truppen ausgelösten Völkerwanderungen. Erst mit der Christianisierung Europas erlebte die Stadtbildung eine Wiedergeburt. Geistliche und weltliche Herrscher verliehen ihrer Macht mit Bischofs- und Gauburgen Ausdruck.

Durch die Entwicklung in der Landwirtschaft (Dreifelderwirtschaft), dem Ausbau des Fernhandels und der Entstehung handwerklicher Gewerbe entstanden frühmittelalterliche Markt- und Kaufmannssiedlungen nahe den Machtzentren.
Im Laufe des Mittelalters entstand ein regelrechter Städteboom (siehe auch Stadt im Mittelalter), der den jeweiligen einflussreichen Kräften zur territorialen Sicherung diente.

In der Regel waren diese Städte von ihrem agrarischen Umfeld abgegrenzt.

Stadtentwicklung als Gesamtentwicklung

Der Begriff Stadtentwicklung wird hier - im Gegensatz zu einer zufällig verlaufenden Entwicklung - als aktiver Planungs- und Veränderungsprozess verstanden. Im Unterschied zum Städtebau, der sich stärker auf die baulich-räumliche Entwicklung von Teilbereichen bezieht, geht es bei der Stadtentwicklung im Sinne einer Stadtentwicklungsplanung um die Steuerung der Gesamtentwicklung der Stadt, die auch die gesellschaftliche, wirtschaftliche, kulturelle und ökologische Entwicklung beinhaltet. Stadtentwicklung verlangt somit eine interdisziplinäre, integrierte und zukunftsgerichtete Herangehensweise. Die Stadtentwicklung steht durch gesellschaftliche Tendenzen wie z. B. dem demographischen Wandel, die Globalisierung, der Verankerung der Nachhaltigkeit auf der lokalen Ebene (Lokale Agenda/ Lokale Nachhaltigkeitsstrategie) sowie durch neue Beteiligungskultur (Bürgerbeteiligung) vor neuen Herausforderungen. Aktuelle Themen der Stadtentwicklung sind z. B. die Integration bestimmter Bevölkerungsgruppen, Stadtumbau Ost und West, Quartiersmanagement oder die Gestaltung menschengerechter Städte.

Stadtentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland nach 1945

1945 bis etwa 1960

Da im Nachkriegsdeutschland in den Städten wegen des Wirtschaftswunders bessere Lebensqualität (Versorgung, Arbeitsplätze, Infrastruktur, usw.) zu erwarten war, setzte eine Urbanisierung ein.

Von 1960 an bis etwa 1970

Die Abwanderung (Suburbanisierung) ins Umland beginnt. Bedingt durch die höhere Mobilität aufgrund der steigenden Anzahl der Autos, einer besseren Infrastruktur sowie durch den größeren Platzanspruch des Mittelstandes, entstanden langsam die sogenannten "Speckgürtel"

Von 1970 an bis heute

Verdichtungsräume (Speckgürtel) mit engen Verflechtungen mit der Kernstadt sind entstanden. Die nun gewachsenen Umlandgemeinden prägen ein hoher Anteil an Pendlern sowie fehlende Infrastruktur (Schlafstädte). Die Probleme der Kernstädte sind hauptsächlich fehlende Steuereinnahmen trotz hoher Nutzung des Verkehrsnetzes durch die Pendler. Die Umlandgemeinden hingegen profitieren von der hohen Wohnbevölkerung, die ihr Einkommen dort versteuert. Lösungen sind hierfür ein Finanzausgleich sowie die Eingemeindung (Angliederung) der Umlandgemeinden an die Kernstadt.

Siehe auch: Stadtbaugeschichte

Stadtentwicklung in der DDR

Stadtentwicklung in der DDR war weniger als im Westen Reaktion auf Trends in Gesellschaft und Wirtschaft. Sie folgte aber auch nicht einfach nur staatlichen Standort- und Strukturvorgaben. Die universal wirkenden Leitbilder des Städtebaus waren auch in der DDR nicht ohne Wirkung und viele Städte gingen eigene Wege der Entwicklung.
Ein weiteres Merkmal war wie im Westen die Konzentration der Bevölkerung auf Groß- und Mittelstädte, aber bei gleichzeitiger Bevölkerungsabnahme in der DDR, sowie eine insgesamt dynamischere Entwicklung der südlichen Städte, sofern in ihnen wichtige Industrien entwickelt wurden und sie nach dem Krieg zu Aufbaustädten erklärt wurden. Aber auch einzelne Städte im Norden entwickelten sich aus diesen Gründen teils rasant wie z.B. Rostock und Neubrandenburg. Weitere Charakteristika sind die großen Plätze im Stadtkern sowie die überdurchschnittlich vielen und auch großen Großwohnsiedlungen (Plattenbausiedlungen) am Stadtrand sowie die Plattenbauensembles in zahlreichen Innenstädten. Das wichtigste überregionale Wanderungsziel war Ost-Berlin.

Siehe auch: Stadtbaugeschichte

Nachhaltige Stadtentwicklung

Derzeit richtet sich Stadtentwicklung vor allem nach dem Leitbild der "Nachhaltigen Stadtentwicklung", das u. a. in der Charta von Aalborg (Dänemark, Juni 1994) festgeschrieben ist:

„Wir haben die Vision integrativer, prosperierender, kreativer und zukunftsfähiger Städte und Gemeinden, die allen Einwohnerinnen und Einwohnern hohe Lebensqualität bieten und ihnen die Möglichkeit verschaffen, aktiv an allen Aspekten urbanen Lebens mitzuwirken“

Auszug aus: Aalborg Commitments 2004

Im Vordergrund steht heute eine Orientierung der Stadtentwicklung auf die Quartiersebene, die vor allem durch das Förderprogramm "Soziale Stadt" vorangetrieben wird. Beispiele für die nachhaltiger Stadtentwicklung wurden durch die Stadt Ingolstadt (Modellprojekt: "Visionen für Ingolstadt"), die Stadt Münster ("Integrierte Stadtentwicklungs- und Stadtmarketingkonzept) oder durch die Stadt Heidelberg (Nachhaltiger Stadtentwicklungsplan mit Lokale Agenda 21) realisiert. In Ingolstadt wurde durch die Verzahnung von Stadtentwicklungsplanung, aller Fachplanungen, der Stadtentwicklungsprojekte und Lokaler Agenda 21 ein Prototyp für das neue integrative Instrument der Lokale Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt.

Die Stadt Neumarkt in der Oberpfalz hat als erste Stadt Deutschlands im Rahmen des vom Freistaat Bayern geförderten Modellprojekts "Lokale Nachhaltigkeitsstrategie Stadt Neumarkt" eine Lokale Nachhaltigkeitsstrategie mit dem "Ingolstädter Verfahren" entwickelt. Diese wurde am 20. Juli 2004 vom Stadtrat beschlossen. Im Zentrum stehen 6 Leitbilder, 24 Leitsätze für die Zukunftsfähigkeit bis 2025, 17 Leitprojekte und 164 Maßnahmen und Einzelprojekte für eine nachhaltige Stadtentwicklung (vgl. Literatur).

Ein wichtiges Leitdokument auf Ebene der EU ist die Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt[1]

Nationale Stadtentwicklungspolitik

Die Nationale Stadtentwicklungspolitik möchte im Sinne der Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt die Städte und Regionen in Deutschland stärken, damit sie die aktuellen ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen erfolgreich bewältigen können und lebenswerte Orte für alle Bevölkerungsgruppen bleiben. Dies betrifft Klein-, Mittel- und Großstädte gleichermaßen.

Stadtentwicklung der Zukunft

Im Rahmen der Globalisierung hat sich der internationale Standortwettbewerb der Städte und Regionen stark verschärft. Neben den klassisch ökonomischen Standortfaktoren gewinnen immer mehr Faktoren wie Wissen, Innovationsfähigkeit, kulturelle Attraktivität und die Größe des städtisch kreativen Potentials an Bedeutung. Eine zentrale Aufgabe der Stadtentwicklung wird deshalb in der Zukunft die Förderung des urbanen Talent-Pools sein. Das Ziel: Einen möglichst ausgeglichenen Mix in sozialer, wirtschaftlicher, kultureller und physischer Hinsicht zu erlangen. Da die Leistungsfähigkeit der Städte politisch und finanziell an Grenzen stößt, hat die Suche nach neuen strategischen Kooperationen begonnen.

Eine tragende Rolle wird im so genannten Dritten Sektor und in Netzwerken des sozialen und kulturellen Bereichs gesehen. Ökonomen und Städteforscher wie Richard Florida und Charles Landry, weisen den „weichen Standortfaktoren“ die zentrale Bedeutung für wirtschaftliche Prosperität und erhöhte Chancen im globalen Wettbewerb der Zukunft zu. So gibt es in Deutschland z. B. für die Hauptstadt das "Stadtentwicklungskonzept Berlin 2020" und für Leipzig das "Integrierte Stadtentwicklungskonzept Leipzig 2020" (SEKo).

Instrumente der Stadtentwicklung

Instrumente der Stadtentwicklung sind insbesondere:

  • der Stadtentwicklungsplan (bzw. ähnliche Instrumente wie Stadtleitbilder), der die ganze Stadt umfasst und das Stadtentwicklungsprogramme (Programm bestehend aus Stadtentwicklungsprojekten für einen mittelfristigen Zeitraum)
  • der Stadtteilentwicklungsplan oder das Integrierte Stadtteilkonzepte (ISEK) beim Programm Soziale Stadt umfasst einzelne Stadtteile
  • einzelne Fachpläne z. B. Verkehrsplan und Lärmminderungsplan, Pläne zur Wirtschaftsentwicklung, Pläne zur Wohnungsentwicklung, Jugendhilfeplan, Klimaschutzprogramme, Kulturentwicklungsplan usw.
  • Lokale Nachhaltigkeitsstrategie (Good Governance Ansatz)

und in Verbindung mit der Stadtplanung

Methoden zur Stadtentwicklung (Auswahl)

Siehe auch

Literatur

  • G. Curdes: Stadtstruktur und Stadtgestaltung. Kohlhammer. Stuttgart 1993. 2. Auflage 1996
  • G. Curdes (Hrsg).: Reihe Stadt - Raum - Innovation:
    • G. Curdes, M. Ulrich: Die Entwicklung des Kölner Stadtraumes. Der Einfluss von Leitbildern und Innovationen auf die Form der Stadt. Dortmund 1997
    • A. Haase: Die Entwicklung des Duisburger Stadtraumes. Der Einfluss von Innovationen auf Räume und Funktionen. Dortmund 1999
    • G. Curdes: Die Entwicklung des Aachener Stadtraumes. Der Einfluss von Leitbildern und Innovationen auf die Form der Stadt. Dortmund 1999
  • Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.): Kommunen auf dem Weg zur Nachhaltigkeit. Köln 2004.
  • D. Dörner: Die Logik des Misslingens. Hamburg 1989.
  • Tammo Grabbert: Schrumpfende Städte und Segregation. Eine vergleichende Studie über Leipzig und Essen. Wissenschaftlicher Verlag Berlin, Berlin 2008, ISBN 978-3-86573-338-2.
  • Sabine Gruber: Intermediäre Organisationen in der Stadtentwicklung. Möglichkeitsräume für kollektives Lernen und Demokratieentwicklung. München 2007, ISBN 978-3-930830-86-2.
  • P. Hall, U.Pfeiffer: Urban 21. Der Expertenbericht zur Zukunft der Städte. Stuttgart-München 2000.
  • A. Montanari, G. Curdes; L. Forsyth (Edit.): Urban Landscape Dynamics. A Multi-Level Innovation Process. Aldershot (UK) 1993
  • Klaus Ronneberger: Die neoliberale Stadt. Von der Daseinsfürsorge zum Urban Management. In: Fantomas (Nr. 7 vom Sommer 2005), S. 20-24.
  • Jürg Sulzer, Anne Pfeil (Hg.): Stadtentwicklung und Denkmalpflege, Band 10: Stadt Raum Zeit. JOVIS Verlag 2008, ISBN 978-3-939633-72-3.
  • Sigrid Brandt, Hans.Rudolf Meier (Hg.): Stadtentwicklung und Denkmalpflege, Band 11: Stadtbild und Denkmalpflege - Konstruktion und Rezeption von Bildern der Stadt. JOVIS Verlag Berlin 2008, ISBN 978-3-939633-73-0.
  • Jürg Sulzer (Hg.): Stadtentwicklung und Denkmalpflege, Band 12: Stadtgestalten - Visionen Allianzen Wege. JOVIS Verlag Berlin 2009, ISBN 978-3-939633-74-7.
  • Karl P. Schörghuber: Stadterneuerung: Sex in die City statt tote Hose. Schörghuber & Partner, 2007, ISBN 978-3-9500392-2-1.
  • Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung/E. Lütge Daltrup, P. Zlonicky (Hg.): "Große Projekte in Deutschland - Stadtentwicklung 1990-2010", JOVIS Verlag Berlin 2009, ISBN 978-3-86859-041-8
  • G. Witzany (Hg) Zukunftsfähige Stadt- und Verkehrsplanung. Wieviel Kohr braucht die City? Bod; Norderstedt, 2010, ISBN 978-3-8391-7593-4.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt. Abgerufen am 27. Dezember 2009.

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