- Selbstkontrahieren
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Selbstkontrahierung ist ein Begriff aus dem schweizerischen Privatrecht. Dabei schliesst ein Vertreter (Art. 32 ff. OR) einen Vertrag mit sich selbst.
Das Bundesgericht hat in ständiger Rechtsprechung das Selbstkontrahieren als grundsätzlich unzulässig erklärt, weil es „regelmässig zu Interessenkollisionen führt und somit vom Gesellschaftszweck nicht erfasst wird“ [1]. Nur ausnahmsweise soll das Kontrahieren des Vertreters mit sich selbst Rechtswirkungen entfalten können, namentlich wenn entweder die Gefahr einer Benachteiligung des Vertretenen nach der Natur des Rechtsgeschäfts ausgeschlossen ist (z.B. „Kauf von Waren mit klar definierten Markt oder Börsenkursen“[2]), oder wenn der Vertretene den Vertreter „zum Vertragsschluss mit sich selbst besonders ermächtigt [3], E. 6a unter Umständen auch stillschweigend sein kann) oder das Geschäft nachträglich genehmigt“[4].
Dieselben Voraussetzungen will das Bundesgericht auch für die gesetzliche Vertretung juristischer Personen durch deren Organe angewandt sehen (wobei der Begriff „Vertretung“ irreführend ist, da die Organe nach der Realitätstheorie Teil der juristischen Personen selbst gelten).[5] Hierbei stellt das Bundesgericht fest, dass es für das Zustandekommen des Vertrages der „Genehmigung durch ein über- oder nebengeordnetes Organ“[6] bedarf, sofern die Gefahr einer Benachteiligung für die juristische Person besteht.[7]
Die Gefahr der Benachteiligung (und damit auch die Pflicht zur Genehmigung durch ein über- oder nebengeordnetes Organ) entfällt allerdings, wenn in der AG neben dem Organ, welches durch Selbstkontrahieren ein Insichgeschäft abgeschlossen hat, keine weiteren Aktionäre vorhanden sind.[8] Das zusätzliche Erfordernis, wonach neben dem Fehlen weiterer Aktionäre auch keine Gesellschaftsgläubiger vorhanden sein dürfen, hat das Bundesgericht verworfen.[9] Alleinaktionären steht es also frei, Insichgeschäfte abzuschliessen.
Auch bei Eigengeschäften sollen die Regeln des Selbstkontrahierens analog angewandt werden, und zwar in all jenen Fällen, wo der Dritte den Interessenkonflikt erkannt hat bzw. hätte erkennen sollen.[10] In diesen Fällen spielt es keine Rolle, ob sich der Interessenkonflikt im konkreten Fall auch wirklich zum Nachteil der vertretenen Person ausgewirkt hat.[11] Die analoge Anwendung bezieht sich also nur auf bestimmte Fälle; eine generelle analoge Anwendung wird also klar abgelehnt.[12]
Im Rahmen der GmbH-Reform[13] wurde im Aktien-[14] und GmbH-Recht[15] das Schriftlichkeitserfordernis für Verträge, die der Vertreter der Gesellschaft mit sich selbst schliesst, ausgenommen Verträge des laufenden Geschäfts, bei denen die Leistung der Gesellschaft den Wert von 1000 Franken nicht übersteigt, eingeführt.
Einzelnachweise
- ↑ BGE 126 III 361, E. 3a.
- ↑ Honsell Heinrich/Vogt Nedim Peter/Wiegand Wolfgang/Watter Rolf (Hrsg.), Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I, Art. 1-529 OR, 3. Auflage, Basel 2004, N. 19 zu Art. 33 OR.
- ↑ BGE 93 II 461.
- ↑ BGE 126 III 361, E. 3a.
- ↑ BGE 126 III 361, E. 3a; Art. 718 ff. OR.
- ↑ BGE 126 III 361, E. 3a.
- ↑ BGE 126 III 361, E. 3a.
- ↑ BGE 126 III 361, E. 5a. Vgl. zur Ein- Mann- AG anstatt vieler: Meier-Hayoz Arthur/Forstmoser Peter, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 9.Aufl., Bern 2004, N. 25 zu § 16.
- ↑ BGE 126 III 361, E. 5a; BGE 50 II 168, E. 5.
- ↑ BGE 126 III 361, E. 3a.
- ↑ BGE 126 III 361, E. 3a; Schott Ansgar, Insichgeschäft und Interessenkonflikt, Diss., Zürich 2002 , S. 92.
- ↑ Schott (a.a.O), S. 92.
- ↑ BG vom 16. Dez. 2005 (GmbH-Recht sowie Anpassungen im Aktien-, Genossenschafts-, Handelsregister- und Firmenrecht) (AS 2007 4797).
- ↑ Art. 718b OR.
- ↑ Art. 899a OR.
Siehe auch
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