Semantisches Priming

Semantisches Priming

Als semantisches Priming wird in der Psychologie der Priming-Effekt bezeichnet, dass die Verarbeitung eines Wortes die Verarbeitung eines zweiten nachfolgenden Wortes beeinflusst, falls zwischen beiden Wörtern eine semantische, zB. kategorielle, Beziehung besteht. Individuen reagieren beispielsweise auf das Wort "Krankenschwester" schneller, wenn sie vorher das Wort "Arzt" verarbeitet (beispielsweise gelesen) haben. Die vorherige Darbietung eines Reizes (der Prime, zB. "Arzt") beeinflusst somit die Verarbeitungszeit eines Zielreizes (das Target, zB. "Krankenschwester"). Semantische Primingeffekte lassen sich unter anderem mittels sog. lexikalischer Entscheidungsaufgaben zeigen. Als Erklärung dient in der Regel ein assoziatives Netzwerk, in dem Wörter in Form von mentalen Repräsentationen gespeichert und organisiert sind.

Inhaltsverzeichnis

Theoretisches Modell: Aktivierungsausbreitung im assoziativen Netzwerk

Aktivierungsausbreitung

Das Modell von Collins und Loftus zur Aktivierungsausbreitung (Spreading Activation Network) findet unter anderem in der Sprachpsychologie und beim semantischen Priming seine Anwendung und dient als theoretisches Modell zur Veranschaulichung der Prozesse, welche bei der Auswahl eines Wortes im Gedächtnis ablaufen. Dem Modell zugrunde liegt ein Mentales Lexikon, welches als neuronales Netzwerk aufgebaut ist. In diesem Netzwerk breitet sich die Aktivierung eines Wortes über die jeweils mit abgespeicherten Zusammenhänge (die sog. assoziativen Verbindungen) mit anderen Worten aus.[1]

Aktivationsausbreitung nach Collins und Loftus

Die einzelnen Worte stellt man sich als Knoten (zB. "Rot, Hitze, Feuer", siehe Abbildung) innerhalb eines assoziativen Netzwerkes vor, sie bilden die sog. Konzepte. Nach Aktivierung eines Konzeptes breitet sich die Aktivierung auf weitere, mit dem Konzept assoziierte Konzepte aus. Die Ausbreitung erfolgt dabei gleichzeitig in alle verfügbaren Richtungen, die Stärke der Aktivierung wird durch die Stärke der Assoziation beeinflusst. Beim semantischen Priming ist zudem zu beobachten, dass bereits aktivierte Konzepte ab dem zweiten Zugriff schneller gefunden werden (mentaler Cache).

Beispiel

Man stelle sich ein assoziatives Netzwerk als eine Art vernetzer Stromkreis, die einzelnen Knoten (Worte) des Netzwerks als Lämpchen, die assoziativen Verbindungen als "Stromkabel" und die Assoziationsstärke als Menge der angeschlossenen Stromkabel vor. Knipst man ein Lämpchen an erhält dieses Strom, und dieser Strom wird mittels der Stromkabel, die am Lämpchen angeschlossen sind, zu anderen Lämpchen (andere Konzepte) weitergeleitet, die dann ebenfalls aufleuchten. Je mehr Kabel von unserem aktivierten Lämpchen zu einem anderen Lämpchen gehen, desto stärker leuchtet dieses zweite Lämpchen ebenfalls auf. Falls nun beispielsweise das Lämpchen Arzt (aus welchen Gründen auch immer) Strom erhält, leuchtet das Lämpchen Krankenschwester heller als das Lämpchen, zB., "Hund" auf. Ein unabhängiger Beobachter würde somit, falls das Lämpchen "Arzt" leuchtet, relativ schnell auch das Lämpchen "Krankenschwester" erkennen.

Die lexikalische Entscheidungsaufgabe

Versuchsaufbau

Die lexikalische Entscheidungsaufgabe[2] folgt in der Regel dem folgenden Schema: Der Versuchsperson wird eine Kategorisierungsaufgabe gestellt, zB.: eine lexikalische Entscheidung zu treffen, d. h. sie muss entscheiden, ob das dargebotene Wort ein reales Wort (zB. Krankenschwester) oder ein Pseudowort (zB. Knakenschwester) ist. Vor dem Wort, auf das die Person reagieren soll, wird der sog. Prime gezeigt. Der Prime wird idR. automatisch verarbeitet, dh. die mentale Repräsentation des Wortes wird im Gedächtnis automatisch aktiviert. Das zweite Wort, auf welches die Person reagieren soll (zB. mittels einer Kategorisierung), wird als Target bezeichnet. Dieses Target wird, aufgrund der Assoziation mit dem Prime, ebenfalls aktiviert. Als Maß der semantischen Assoziation im Gedächtnis wird die Reaktionszeit der Person auf das Target herangezogen.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Collins, A. M. & Loftus, E. F. (1975). A spreading-activation theory of semantic processing. Psychological Review, 82, 407-428.
  2. Meyer, D. E. & Schvaneveldt, R. W. (1971). Facilitation in recognizing pairs of words: Evidence of a dependence between retrieval operations. Journal of Experimental Psychology, 90, 227-234.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Semantisches Feedback — Das mentale Lexikon (lateinisch mens, „Denken“, „Verstand“, „Geist“ und altgriechisches Neutrum λεξικόν, lexikón, „das Wort betreffend“, von λέξις, léxis, „Rede“, „Wort“ und dem zugehörigen Verb λέγειν, légein, „sammeln“, „sprechen“, „[auf… …   Deutsch Wikipedia

  • Priming (Psychologie) — Das Priming als Fachbegriff der Psychologie ist die Beeinflussung der Verarbeitung (Kognition) eines Reizes dadurch, dass ein vorangegangener Reiz implizite Gedächtnisinhalte aktiviert hat. Der primende Reiz aktiviert Kontextinformationen, die… …   Deutsch Wikipedia

  • Hemmung (Priming) — Als semantisches Priming wird in der Psychologie der Effekt bezeichnet, dass die Verarbeitung eines Wortes die Verarbeitung eines zweiten nachfolgenden Wortes beeinflusst, falls zwischen beiden Wörtern eine semantische oder kategorielle Beziehung …   Deutsch Wikipedia

  • Repetition priming — Als semantisches Priming wird in der Psychologie der Effekt bezeichnet, dass die Verarbeitung eines Wortes die Verarbeitung eines zweiten nachfolgenden Wortes beeinflusst, falls zwischen beiden Wörtern eine semantische oder kategorielle Beziehung …   Deutsch Wikipedia

  • Repräsentation (Priming) — Als semantisches Priming wird in der Psychologie der Effekt bezeichnet, dass die Verarbeitung eines Wortes die Verarbeitung eines zweiten nachfolgenden Wortes beeinflusst, falls zwischen beiden Wörtern eine semantische oder kategorielle Beziehung …   Deutsch Wikipedia

  • Artikulatorische Ebene — Das mentale Lexikon (lateinisch mens, „Denken“, „Verstand“, „Geist“ und altgriechisches Neutrum λεξικόν, lexikón, „das Wort betreffend“, von λέξις, léxis, „Rede“, „Wort“ und dem zugehörigen Verb λέγειν, légein, „sammeln“, „sprechen“, „[auf… …   Deutsch Wikipedia

  • Einsetzungsregel — Das mentale Lexikon (lateinisch mens, „Denken“, „Verstand“, „Geist“ und altgriechisches Neutrum λεξικόν, lexikón, „das Wort betreffend“, von λέξις, léxis, „Rede“, „Wort“ und dem zugehörigen Verb λέγειν, légein, „sammeln“, „sprechen“, „[auf… …   Deutsch Wikipedia

  • Inneres Lexikon — Das mentale Lexikon (lateinisch mens, „Denken“, „Verstand“, „Geist“ und altgriechisches Neutrum λεξικόν, lexikón, „das Wort betreffend“, von λέξις, léxis, „Rede“, „Wort“ und dem zugehörigen Verb λέγειν, légein, „sammeln“, „sprechen“, „[auf… …   Deutsch Wikipedia

  • Insertion rule — Das mentale Lexikon (lateinisch mens, „Denken“, „Verstand“, „Geist“ und altgriechisches Neutrum λεξικόν, lexikón, „das Wort betreffend“, von λέξις, léxis, „Rede“, „Wort“ und dem zugehörigen Verb λέγειν, légein, „sammeln“, „sprechen“, „[auf… …   Deutsch Wikipedia

  • Interactive activation model — Das mentale Lexikon (lateinisch mens, „Denken“, „Verstand“, „Geist“ und altgriechisches Neutrum λεξικόν, lexikón, „das Wort betreffend“, von λέξις, léxis, „Rede“, „Wort“ und dem zugehörigen Verb λέγειν, légein, „sammeln“, „sprechen“, „[auf… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
https://de-academic.com/dic.nsf/dewiki/1272720 Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”