Seuso-Schatz

Seuso-Schatz

Der Seuso-Schatz ist ein Hortfund von Tafelsilber aus spätrömischer Zeit. Die Fundumstände sind ungeklärt, mehrere Staaten erhoben Anspruch auf den Fund. Derzeit sind die 14 bekannten Silbergefäße im Besitz eines Konsortiums unter der Führung von Spencer Compton, 7. Marquess of Northampton. Der Fund ist nicht öffentlich ausgestellt, sein Wert wurde auf 200 Millionen Dollar geschätzt.

Benannt ist der Schatz nach einer Widmung an Seuso (Sevso), einem historisch nicht näher fassbaren Familienoberhaupt, dem das reich verzierte Tafelgeschirr offenbar zum Geschenk gemacht worden war. Die Widmungsinschrift befindet sich auf einem Silberteller von 70 cm Durchmesser der nahezu 9 kg schwer ist. Sie lautet:

H(a)ec Sevso tibi durent per saecula multa, posteris ut prosint vascula digna tuis

Übersetzung: Möge dies dir, Seuso, für viele Zeitalter währen, auf dass die kleinen Gefäße noch deinen Nachkommen würdig dienen.

Inhaltsverzeichnis

Zusammensetzung des Schatzes

Der Fund besteht aus großen Tellern, Schalen, Kannen und Ziergefäßen aus massivem Silber, die in einem Kupferkessel versteckt und vergraben wurden. Das Tafelgeschirr wird aufgrund ikonographischer Untersuchungen der Darstellungen auf den Gefäßen in spätrömische Zeit datiert, von der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts bis zur ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts n. Chr. Ein Teller zeigt den mythologischen Jäger Meleagros und weist damit Parallelen zu anderen mythologischen Jagddarstellungen auf spätrömischem Repräsentationssilber auf. Auf einer anderen Schale ist der junge Achilles abgebildet, ähnlich der Darstellung auf der Achillesplatte aus dem Silberschatz von Kaiseraugst, der ebenfalls aus spätrömischer Zeit stammt. Die Silberwaren des Seuso könnten ebenso wie jene von Kaiseraugst in Griechenland gefertigt worden sein.

Zusammengehörigkeit der Gefäße

Auch Spuren des Silberabriebs im Kessel wurden untersucht, um sicherzustellen, dass die Gefäße sich wirklich für rund 1600 Jahre in dem Kupferbehälter befunden hatten. Ebenso wurde die Zusammensetzung von winzigen Erdspuren auf dem Silber mittels Röntgendiffraktometer analysiert.[1]

Alter des Schatzes

Spuren von Ruß auf dem Kupferkessel, in dem der Silberschatz aufbewahrt worden war, wurden mit Hilfe der Beschleuniger-Massenspektrometrie untersucht. Dabei können winzige Spuren des Kohlenstoff-Isotops 14C isoliert werden. Mit der C14-Methode wurde der Ruß auf die Mitte des 4. Jahrhunderts n. Chr datiert.[2] Die Datierung des Kessels ist für den Zeitpunkt der Deponierung des Schatzes ausschlaggebend. Alles deutet darauf hin, dass das Silber bereits Ende des 4. Jahrhunderts versteckt worden ist und nicht, wie ursprünglich angegeben, im 6. oder 7. Jahrhundert während der Kämpfe mit den Arabern im heutigen Libanon.

Ungeklärte Herkunft

Während einer Ausstellung des Schatzes im Jahr 1983 im kalifornischen Paul-Getty-Museum, das die Stücke ankaufen wollte, fiel dem ungarischen Archäologieprofessor János György Szilágyi die Aufschrift Pelso auf einem der Stücke auf. Pelso war der Name eines Sees in der römischen Provinz Pannonien, der heute meist mit dem Plattensee, manchmal aber auch mit dem Neusiedlersee identifiziert wird. Szilágyi machte das Museum darauf aufmerksam, dass der Schatz aus Ungarn stammen könnte. Später stellte sich heraus, dass die Papiere, die den Libanon als Herkunftsland auswiesen, gefälscht worden waren. Dennoch stellte auch der Libanon Ansprüche auf den Fund, der nach Ansicht der libanesischen Behörden aus dem Gebiet der historischen Städte Sidon und Tyros stammen sollte.

Ungarn als Fundort

Nach Ansicht ungarischer Behörden soll der Schatz im Raum Polgárdi-Szabadbattyán-Kőszárhegy im Komitat Fejér nordöstlich des Plattensees gefunden worden sein. Von offizieller ungarischer Seite wird ein Zusammenhang mit dem Tod des 24jährigen Steinbrucharbeiters József Sümegh nicht ausgeschlossen, der im Jahr 1980 unter mysteriösen Umständen starb. Viele sehen in ihm den Entdecker des Silberschatzes.[3] Bald danach tauchten die Silbergefäße im internationalen Kunsthandel auf.

In Szabadbattyán fanden auch Ausgrabungen des bisher größten römischen Einzelgebäudes in Ungarn statt. Die Archäologen sehen einen Zusammenhang mit dem Seuso-Schatz. Das palastartige Gebäude wurde Ende des 4. Jahrhunderts zerstört, wahrscheinlich bei einem Angriff der in dieser Zeit durch Pannonien ziehenden Völker. Das Gebäude muss vor dem Angriff vollständig geräumt worden sein, da keine Kunstgegenstände in den Trümmern gefunden wurden. Hingegen kamen bei den Ausgrabungen reiche Wandmalereien zum Vorschein.[4] In Ungarn wird vermutet, dass das Gebäude jener Palast ist, der auf einem der Stücke des Silberschatzes dargestellt ist.[5]

Einen Hinweis auf den ungarischen Ursprung scheint auch ein Tripus, ein dreifüßiger Untersatz für Gefäße, zu geben, der bereits 1874 in Polgárdi gefunden wurde. Zu diesem Tripus, der im Ungarischen Nationalmuseum aufbewahrt wird, passt eine Schale des Seuso-Schatzes genau in der Größe. Der Tripus ist ebenfalls aus reinem Silber, seine Inschrift und das Ziermotiv sind identisch mit denen des Seuso-Schatzes.[6]

Bereits 1990 hatten der Historiker und Archäologe Endre Tóth zusammen mit seinem Kollegen Mihály Nagy für die ungarische Herkunft des Schatzes plädiert.[7] 2007 trat der Archäologe Zsolt Mráv in einer Fernsehdokumentation des britischen Senders Channel 4 auf, um diesen Anspruch erneut darzulegen[8] und für das Online-Journal „The Antiquaries Journal“ beschrieb der international renommierte Archäologe Zsolt Visy 2010 nochmals die Historie und Haltung aus Sicht der Ungarn.[9]

Transfer

Erste Exemplare aus dem Schatz tauchten 1980 in Wien im Besitz des Münzhändlers Anton Tkalec auf. Der in Belgrad geborene österreichische Staatsbürger Tkalec zog den ebenfalls in Wien tätigen Antiquitätenhändler Halim Korban hinzu, um Kontakte zum internationalen Kunstmarkt zu bekommen. Über Zürich wurde am 24. November 1980 ein einzelnes Stück nach London geflogen und über den dort tätigen Kunsthändler Rainer Zietz[10] dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des Auktionshauses Sotheby’s, Peter Wilson, vorgelegt. Nach einer Untersuchung durch Experten des British Museum stellte sich heraus, dass es sich um spätrömisches Tafelsilber handelte. Zur Finanzierung des Ankaufs des Kunstschatzes kontaktierte Wilson den Marquess of Northampton, den er schon bei der Versteigerung einer Sammlung griechischer Amphoren aus dem Familienbesitz durch Sotheby’s beraten hatte. Einzelne Amphoren, darunter die Northampton-Amphore hatten dabei einen Preis von bis zu einer halben Million Dollar erzielt. Rechtlich wurde Lord Northampton von Peter Mimpriss von der Kanzlei Allen & Overy vertreten.

Ursprünglich hatte Anton Tkalec angegeben, den Schatz in seiner ehemaligen Heimat Jugoslawien erworben zu haben. Später wurde jedoch von Halim Korban der Libanon als Fundort angegeben. 1983 wurden zehn der Silbergefäße von Lord Northampton dem J. Paul Getty Museum in Kalifornien zum Kauf angeboten und dort ausgestellt. Nach Untersuchungen von Experten des Museums stellten sich jedoch die libanesischen Exportlizenzen als gefälscht heraus. Das Museum lehnte daraufhin den Ankauf ab.

1990 sollte der Schatz, mittlerweile 14 Stücke, von Sotheby’s in New York versteigert werden. Sotheby’s verständigte 29 Staaten, die auf dem ehemaligen Gebiet des Römischen Reichs liegen, von der Auktion.[11] Die Staaten Ungarn, Libanon und das ehemals jugoslawische Kroatien legten Protest gegen den Verkauf ein und behaupteten die Provenienz des Fundes aus ihrem Gebiet. Das Tafelsilber wurde auf Beschluss eines New Yorker Gerichts beschlagnahmt.

Einzelnachweise

  1. Powder X-Ray Defraction mit dem Siemens (Bruker AXS) D500 Röntgendiffraktometer
  2. American Physical Society Division of Nuclear Physics: Applications of Nuclear Physics
  3. Der Fall Seuso, Pester Lloyd, Nr. 01-03, 2008 vom 17. Januar 2008 (deutsch)
  4. terasz.hu Abbildungen von den Ausgrabungen in Szabadbattyán
  5. Seuso-Schatz. In: Neue Zeitung - Ungarndeutsches Wochenblatt, 35/2002 (PDF, deutsch)
  6. culture.hu No Comment by Bonhams on Reported Sevso Hoard Sale (13. März 2007)
  7. Mihály Nagy, Endre Tóth: The Seuso Treasure Mystery. The Pannonian Connection? In: Minerva. A Review of Science, Learning and Policy. 1, Nr. 7. Sept. 1990, Springer. S. 4–11. sowie Mihály Nagy, Endre Tóth: Is the Seuso Treasure from Hungary? In: Minerva. A Review of Science, Learning and Policy. 1, Nr. 10. Dez. 1990, Springer. S. 22–23.
  8. Time Team Special: The Mystery of the Roman Treasure. Britische archäologische Fernsehdokumentation auf Channel 4. Erstausstrahlung 2008 [1]
  9. Contributions to the Archaeology of the Seuso Treasure In: The Antiquaries Journal (Online-Journal in englischer Sprache) [2]. Abgerufen am 23. Juli 2011.
  10. Kratzer im Kessel. In: Der Spiegel. Nr. 9, 1990, S. 242 (26. Februar 1990, online).
  11. Kratzer im Kessel. In: Der Spiegel. Nr. 9, 1990, S. 242 (26. Februar 1990, online).

Literatur

  • Ruth E. Leader-Newby: Silver and Society in Late Antiquity: Functions and Meanings of Silver Plate in the Fourth to Seventh Centuries
  • Marlia Mundell Mango und Anna Bennett: The Sevso Treasure. Journal of Roman Archaeology, 12. Supplement, 1994.
  • Marlia Mundell Mango: Der Seuso-Schatzfund. Ein Ensemble westlichen und östlichen Kunstschaffens. Antike Welt, 21, 1990, S. 70-88.
  • Marlia Mundell Mango: The Sevso Treasure Hunting Plate. Apollo, London, Juli 1990, S. 2 ff.
  • Leo V. Gagion, Harvey Kurzweil und Ludovic de Walden: The Trial of the Sevso Treasure: What a Nation Will Do in the Name of Its Heritage. In: Kate FitzGibbon (Hrsg.): Who Owns the Past? Cultural Policy, Cultural Property and the Law. Rutgers University Press, 2005 ISBN 0-8135-3687-1

Weblinks


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