Siegfried Wagner

Siegfried Wagner
Winifred und Siegfried Wagner im Jahre 1916
Siegfried Wagner um 1896

Siegfried Helferich Richard Wagner (* 6. Juni 1869 in Tribschen bei Luzern; † 4. August 1930 in Bayreuth) war ein deutscher Komponist, Librettist und Dirigent. Von 1908 bis zu seinem Tod leitete er die Bayreuther Festspiele.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Siegfried Wagner wurde 1869 als drittes Kind von Richard Wagner und Cosima von Bülow (Tochter von Franz Liszt) geboren. Im selben Jahr komponierte Richard Wagner anlässlich der Geburt seines Sohnes das Siegfried-Idyll, eine Zusammenstellung von Motiven aus seiner Oper Siegfried. Eine Heirat der Eltern war erst 1870 möglich, nachdem Cosimas Scheidung von Hans von Bülow rechtskräftig geworden war. Nach dem Tod des Vaters 1883 trug sich Siegfried Wagner zunächst mit dem Gedanken an ein Studium der Architektur, wandte sich aber dann doch der Musik zu. Seine musikalische Ausbildung erhielt er bei Engelbert Humperdinck und Julius Kniese. Seit 1886 trat er auch als Dirigent bei den Bayreuther Festspielen hervor.[1]

Siegfried Wagner ist angeblich der Vater von Walter Aign (1901–1977), dem jüngsten Kind einer Bayreuther Pastorengattin,[2] was jedoch nach Brigitte Hamann nicht zutrifft.[3]

Siegfried Wagners Homosexualität machte ihn zur Zielscheibe von Erpressungen, gegen die er sich auf juristischem Weg zu wehren suchte.[4]

Im Jahr 1908 übernahm Siegfried Wagner von seiner Mutter die Leitung der Bayreuther Festspiele. Mit unermüdlichem Arbeitseifer gelang es ihm, die mit Beginn des Ersten Weltkrieges unterbrochene Festspieltradition 1924 wieder aufzunehmen. Zur Finanzierung der kostspieligen Festspiele - der Kartenverkauf hatte damals noch keineswegs den heutigen Umfang - unternahm Siegfried Wagner regelmäßig Konzertreisen als Dirigent, so z.B. Anfang 1924 in die Vereinigten Staaten. Siegfried dirigierte dabei ständig wechselnde Orchester. Die Tournee hatte allerdings nur mäßigen Erfolg: Statt der erhofften 200 000 Dollar blieben nur weniger als 10 000 Dollar für den geplanten Zweck.[5]

1914 kündigte Wagner an, das gesamte Wagnererbe in eine Richard-Wagner-Stiftung des deutschen Volkes umzuwandeln.

Im Jahre 1915 heiratete er Winifred Williams, die Pflegetochter Klindworths, die nach Siegfrieds Tode die Festspielleitung übernahm. Der Ehe entstammen vier Kinder: Wieland, Friedelind, Wolfgang und Verena Wagner.

In den Jahren nach 1924 bemühte sich Siegfried Wagner um eine zeitgemäße Modernisierung der Festspielaufführungen, insbesondere auch durch die Verpflichtung des Bühnenbildners Kurt Söhnlein.

1925 übernahm er gemeinsam mit Winifred Wagner das Ehrenpräsidium des völkischen Bayreuther Bundes der deutschen Jugend.

Am 1. April 1930 starb seine Mutter Cosima Wagner, zu der er ein inniges Verhältnis hatte. 1930 war zudem eine Neuinszenierung des Tannhäuser geplant. Dafür verpflichtet Siegfried Wagner den bedeutenden Dirigenten Arturo Toscanini. Die Proben zu dieser Aufführung erwiesen sich in dem heißen Festspielsommer als äußerst anstrengend. Siegfried Wagner erlitt am 18. Juli 1930 bei einer der Proben einen Herzinfarkt,[1] von dem er sich nicht mehr erholte. Er starb am 4. August 1930 und wurde auf dem Friedhof in Bayreuth beigesetzt.

Politische Einstellung

Bedingt durch seine Einbindung in den antisemitischen Bayreuther Kreis um Cosima Wagner und Houston Stewart Chamberlain artikulierte sich Siegfried Wagner schon früh als Anhänger der deutschnationalen und völkischen Bewegung. Darin wurde er seit 1915 durch seine Frau Winifred bestärkt. Er war ein Abonnent des Völkischen Beobachters, der seit 1920 erschien.[1]

Nach dem von seiner Frau arrangierten Besuch Adolf Hitlers im Haus Wahnfried am 1. Oktober 1923 kurz nach dem Deutschen Tag in Bayreuth beurteilte ihn Siegfried Wagner folgendermaßen: „Hitler ist ein prachtvoller Mensch, die echte deutsche Volksseele.“[6] Siegfried Wagner wusste um den geplanten Hitler-Ludendorff-Putsch und wollte in der Annahme, dass der Putsch gelingen würde, anlässlich von Hitlers geplanter „Machtergreifung“ am 9. November 1923 ein festliches Konzert im Münchener Odeon geben, wobei er seine Hitler gewidmete Komposition „Glück“ uraufführen wollte. Nach dem Scheitern des Putsches und Hitlers Verhaftung korrespondierten Winifred und Siegfried Wagner während dessen Festungshaft in Landsberg mit Hitler.

Nach einem Empfang bei dem italienischen Faschistenführer Mussolini im März 1924 urteilte Siegfried Wagner: „Alles Wille, Kraft, fast Brutalität. Fanatisches Auge, aber keine Liebeskraft darin wie bei Hitler und Ludendorff.“[1] Im Juni desselben Jahres schrieb er in einem Brief an den Bayreuther Rabbiner Falk Salomon: „Was ich für ein Unglück für das Deutsche Volk halte, ist die Mischung der jüdischen mit der germanischen Rasse.“[1]

Siegfried Wagner wurde spätestens 1925 einer der wenigen Duzfreunde Hitlers. Goebbels urteilte in einer Tagebucheintragung vom 8. Mai 1926 über Siegfried und Winifred Wagner, die er als „rassiges Weib“ ansah: „… Sie klagt mir ihr Leid. Siegfried ist so schlapp. Pfui! Soll sich vor dem Meister schämen.“[7]

Kompositorisches Schaffen

Neben seinem Einsatz für die Bayreuther Festspiele war Siegfried Wagner auch kompositorisch tätig. Er schuf 17 Opern, zu denen er nach dem Vorbild seines Vaters selbst die Libretti schrieb. Einen durchschlagenden Erfolg auf deutschen Bühnen erzielte er nicht. Schon seine erste Oper Der Bärenhäuter wurde 1899 von der Kritik verrissen. Peter Raabe, der in der Zeit des Nationalsozialismus Präsident der Reichsmusikkammer wurde, nannte sie in der Allgemeinen Musikzeitung 1899 „stammelnde Kompositionsversuche“.[1] Siegfried Wagner selbst schob die Misserfolge auf „Jüdische Machenschaften“ („Dafür sorgt Judas Hass“).[1]

Erstaunlicherweise erleben seine Werke heutzutage eine Renaissance und liegen in CD-Einspielungen vor. Vor allem seine erste Oper Der Bärenhäuter wird gelegentlich auf Bühnen aufgeführt. Ebenso liegen Aufnahmen vor, die Siegfried Wagners Wirken als Dirigent dokumentieren.

Werke

Opern

  • Der Bärenhäuter, Uraufführung 22. Januar 1899, München
  • Herzog Wildfang, Uraufführung 23. März 1901, München
  • Der Kobold, Uraufführung 29. Januar 1904, Hamburg
  • Bruder Lustig, Uraufführung 13. Oktober 1905, Hamburg
  • Sternengebot, Uraufführung 21. Januar 1908, Hamburg
  • Banadietrich, Uraufführung 23. Januar 1910, Karlsruhe
  • Schwarzschwanenreich, Uraufführung 5. November 1918, Karlsruhe
  • Sonnenflammen, Uraufführung 30. Oktober 1918, Darmstadt
  • Der Heidenkönig, Uraufführung 16. Dezember 1933, Köln
  • Der Friedensengel, Uraufführung 4. März 1926, Karlsruhe
  • An allem ist Hütchen Schuld!, Uraufführung 6. Dezember 1917, Stuttgart
  • Der Schmied von Marienburg, Uraufführung 16. Dezember 1923, Rostock
  • Rainulf und Adelasia, 1922, Uraufführung (konzertant) 4. Oktober 2003, Metzingen (B.-W.)
  • Die heilige Linde, Uraufführung Vorspiel 27. November 1924, Rudolstadt, Uraufführung komplett 2001, Köln/WDR
  • Wahnopfer, 1928 (unvollendet, Uraufführung 10. Juni 1994, Rudolstadt)
  • Walamund (unvollendet), 1928
  • Das Flüchlein, das Jeder mitbekam, 1929 (unvollendet, Uraufführung nach posthumer Instrumentierung 4. August 1984, Kiel

Sonstige Werke

  • Konzertstück für Flöte und Kleines Orchester, 1913
  • Konzert für Violine mit Begleitung des Orchesters, 1915

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, S. 637.
  2. Pet P. Pachl: Siegfried Wagner – Genie im Schatten.
  3. Brigitte Hamann: Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth, Piper Taschenbuch, 5. Auflage 2009, S. 650, mit Verweis auf ein homosexuelles Verhältnis und ein Gerücht nach Aigns Tod.
  4. B.Z.:Das schwere Erbe der Wagner-Kinder
  5. Brigitte Hamann: Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth, S. 114
  6. Zitate, sofern nicht anders angegeben, bei Ernst Klee, Kulturlexikon, S. 637.
  7. Ernst Klee, Kulturlexikon, S. 638.

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