Peter Raabe

Peter Raabe

Peter Raabe (* 27. November 1872 in Frankfurt (Oder); † 12. April 1945 in Weimar) war ein deutscher Dirigent, Musikwissenschaftler und NS-Kulturpolitiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Der Kapellmeister

Raabe hatte bereits Kapellmeisterposten u.a. in Königsberg, Zwickau, Wuppertal-Elberfeld, Amsterdam und München bekleidet, bevor er 1907 die Leitung der Weimarer Hofkapelle übernahm. In dieser Position erwarb er sich bis zum Ende seiner Amtszeit 1920 zahlreiche Verdienste als Dirigent. Von 1922 bis 1933 war Raabe Generalmusikdirektor beim Sinfonieorchester Aachen, von 1924 bis 1934 auch Honorarprofessor der dortigen Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule. Er vermochte das Aachener Musikleben auf ein hohes Niveau zu heben.

Raabes Repertoire war sehr weit gespannt und umfasste neben klassischen und romantischen Werken auch viel damals zeitgenössische Musik. Er setzte sich gleichermaßen für moderne wie für konservative Komponisten ein, wobei ihm allerdings letztere deutlich näher standen. Besonders intensiv förderte er unter seinen Zeitgenossen Hugo Kaun und Richard Wetz.

Sein Sohn Felix Raabe, mit dem er eng zusammenarbeitete, war ebenfalls von 1946 bis 1953 Generalmusikdirektor in Aachen.

Musikwissenschaftliches Wirken

Peter Raabe betätigte sich auch auf dem Gebiet der Musikforschung. Seine Hauptbeschäftigung galt dem Werk von Franz Liszt, das er als Kustos des Weimarer Liszt-Museums seit 1910 systematisch untersuchte. 1931 erschien eine zweibändige Monografie über Liszts Leben und Schaffen, welche auch das erste umfassende Liszt-Werkeverzeichnis enthält und Raabes musikwissenschaftliches Hauptwerk darstellt.

Kulturpolitiker im Nationalsozialismus

Raabe war ein deutschnationaler Konservativer und begrüßte die nationalsozialistische Musikpolitik. Er war gegen die "Negermusik" und die moderne Musik eines Alban Berg und Arnold Schönberg. Außerdem gibt es antisemitische Äußerungen von ihm, wie in folgender Äußerung sichtbar wird.
Der Niedergang der Operette..... förderte die Neigung zur Schamlosigkeit so, dass es auch Menschen, die sonst in künstlerischen Dingen ein Gewissen hatten, unempfindlich dagegen machte, daß man sich an den Meisterwerken der Operettenkunst vergriff und sie durch Bearbeitungen, die nur den Zweck hatten, dem verotteten Zeitgeschmack Zugeständnisse zu machen, entstellte und damit Riesensummen verdiente. Der entscheidende Einfluss .... lag bei den Juden. [1]
Raabe war Mitglied der NSDAP .[2]Raabe hatte schon lange vor 1933 für eine neue Musikpolitik gestritten und auch eine Musikkammer einführen wollen. Daher griff er freudig zu, als ihm 1935 der Vorsitz der Reichsmusikkammer angeboten wurde, nachdem Richard Strauss 1935 als Präsident zurückgetreten war. Raabe führte die RMK bis 1945. Außerdem wurde er Mitglied des Kuratoriums der Goebbels-Stiftung für Kulturschaffende und Treuhänder der Stiftung Künstlerdank.[2]

Als Präsident der Reichsmusikkammer sorgte er dafür, dass Vertreter der modernen Musik und vor allem die „nichtarischen“ Musiker entweder erst gar nicht in die RMK aufgenommen oder entlassen wurden. Das bedeutete für die betroffenen Musiker ein existenzbedrohendes Berufsverbot, weil eine Mitgliedschaft in der RMK Voraussetzung für eine Tätigkeit als Künstler war. Insgesamt sind mehr als 3000 von Raabe persönlich unterzeichnete Berufsverbote bekannt, wie auch dasjenige, das am 15. April 1937 gegen Carl Stenzel (dessen Ehefrau Jüdin war) verhängt worden war:
Gemäß § 10 der Durchführungsverordnung zum Reichskulturkammergesetz vom 1. November 1933 lehne ich Ihren, mir zur endgültigen Entscheidung vorgelegten Aufnahmeantrag ab, da Sie die nach der Reichskulturkammergesetzgebung erforderliche Eignung im Sinne der nationalsozialistischen Staatsführung nicht besitzen. Durch diese Entscheidung verlieren Sie mit sofortiger Wirkung das Recht der weiteren Berufsausübung.[2]

Raabe war der wichtigste Repräsentant der nationalsozialistischen Musikpolitik. Bezeichnend war sein Einsatz auf Reichsparteitagen. So dirigierte er bei der Kulturtagung des Reichsparteitages 1935 (des Parteitages der Freiheit) in Anwesenheit von Hitler und allen NS-Oberen Beethovens Egmontouvertüre zur Einleitung der Reden von Rosenberg und Hitler. Hitler hielt dann eine Rede über Kunstpolitik, in der er die Kunst als die Verkünderin des Erhabenen und Schönen und Trägerin des natürlichen und Gesunden kennzeichnete. Dann folgte eine Abrechnung mit den Kulturverbrechern der demokratischen Zeit wie Dadaisten, Kubisten und den Vertretern der Neuen Sachlichkeit. Dabei hetzte Hitler auch gegen das durch und durch kapitalistisch verseuchte und dementsprechend handelnde Judentum, das niemals im Besitz einer eigenen Kunst war. Raabe unterstützte den Tenor dieser Rede dann durch die Aufführung von Beethovens Fünfter Symphonie. [3]
Vom 5. bis 7. Juni 1937 wurde die Aufstellung einer Brucknerbüste in der Walhalla als Anlass für die Abhaltung eines Brucknerfestes benutzt. Dieses wurde als Staatsakt zelebriert. Raabe enthüllte am 6. Juni die mit einer Hakenkreuzflagge umwickelte Büste des österreichischen Komponisten Anton Bruckner und Hitler legte einen Lorbeerkranz nieder. Es spielten die Münchner Symphoniker. Beim Festprogramm am nächsten Tag wurde eine Brucknermedaille an Goebbels, Raabe und die Münchner Philharmonie verliehen. Raabe hielt den Festvortrag. [4]. Sinn der Propagandaveranstaltung war nach Okrassa die Festigung der kulturellen Fassade des NS-Staates. Raabe trat sehr häufig als Redner auf und verkündete die Grundlinien der nationalsozialistischen Musikpolitik.
Raabe versuchte 1938, auf Distanz zu den Machthabern zu gehen. Er blieb demonstrativ den Eröffnungsfeierlichkeiten der Reichsmusiktage 1938 in Düsseldorf fern. Das blieb unbemerkt, da die Zeitungen des Dritten Reiches nicht darüber berichteten. So blieb er bis zu seinem Lebensende im Amt. In seinen letzten Jahren zog sich Peter Raabe häufiger nach Weimar zurück. Dort wurde er 1945 auf dem Historischen Friedhof begraben.

In der Sowjetischen Besatzungszone wurden Raabes Schriften Die Musik im Dritten Reich (1935) und Kulturwille im deutschen Musikleben (1936) auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[5]

Schriften

  • Die Entstehungsgeschichte der ersten Orchesterwerke Liszts, 1916
  • Franz Liszt, 2 Bände, 1931
  • Die Musik im dritten Reich. Kulturpolitische Reden und Aufsätze, 1936
  • Deutsche Meister. Reden von Peter Raabe, 1937
  • Wege zu Weber, 1942
  • Wege zu Liszt, 1943
  • Wege zu Bruckner, 1944
  • zahlreiche kleinere Aufsätze

Literatur

  • Okrassa, Nina: Peter Raabe. Dirigent, Musikschriftsteller und Präsident der Reichsmusikkammer (1872-1945), Böhlau Verlag, 2004.
  • Prieberg, Fred K.: CD-ROM Handbuch Deutsche Musiker 1933-1945

Weblinks

Einzelnachweise

  1. in: Joseph, Musik im Dritten Reich: Eine Dokumentation, Frankfurt 1989, S. 289
  2. a b c Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, S. 470.
  3. s. Okrassa, Nina: Peter Raabe. Dirigent, Musikschriftsteller und Präsident der Reichsmusikkammer (1872-1945), Böhlau Verlag, 2004. S. 273
  4. s. Okrassa, Nina: Peter Raabe. Dirigent, Musikschriftsteller und Präsident der Reichsmusikkammer (1872-1945), Böhlau Verlag, 2004. S. 375ff
  5. http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-r.html

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