Signifikant

Signifikant

Ein Signifikant, auch Signans, französisch Signifiant, deutsch auch Bezeichnendes, Bezeichner, Formativ oder Zeichenkörper, ist in der strukturalistischen Linguistik und Semiotik die Ausdrucksseite eines sprachlichen Zeichens (frz. „signe linguistique“), also die materielle oder quasi-materielle Form, die auf eine Bedeutung (Signifikat, frz. „signifié“) verweist. Der Begriff spielt auch in der vom Strukturalismus beeinflussten Psychoanalyse Jacques Lacans eine tragende Rolle als Element des Symbolischen innerhalb der Psyche.

Inhaltsverzeichnis

Verwendung in der Linguistik

Der Schweizer Linguist Ferdinand de Saussure (1857-1913), der den Begriff Signifikant, wie auch die moderne Semiotik und Linguistik entscheidend geprägt hat, definiert in seinem Cours de linguistique générale; dt.: Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft) den Signifikanten als „Lautbild“ eines Signifikats. Das Signifikat ist dabei der „Inhalt“ des Signifikanten, auf den der Signifikant verweist. So ist etwa das Wort „Baum“ der Signifikant für das Vorstellungsbild Baum. Der Signifikant wird folglich als das „Bezeichnende“ (frz. „signifiant“) und das Signifikat als das „Bezeichnete“ („signifié“) verstanden.

Ein Zeichen setzt sich aus Signifikant und Signifikat sowie der Verknüpfung dieser beiden Pole (Referenz) zusammen. Zeichen bilden in diesem Sinne eine dreistellige Struktur, die sich in einem Semiotischen Dreieck darstellen lässt.

Entscheidend am Signifikanten für Saussure ist sein differentieller Charakter: Ein Signifikant ist in seiner Bedeutung nicht durch sein Signifikat bestimmt (außer bei einigen wenigen lautmalerischen Wörtern wie „Kuckuck“), sondern durch die Abgrenzung (Differenz) zu anderen Signifikanten. Die Verbindung von Signifikant und Signifikat, Wort und Bedeutung, die uns im Sprachalltag so selbstverständlich erscheint, ist im Grunde „arbiträr“, d.h. beliebig, nicht natürlich.

Der Begriff des Signifikanten ist insbesondere im Kontext des linguistic turn von großer Bedeutung für die modernen Geisteswissenschaften gewesen und taucht insbesondere im Strukturalismus und Poststrukturalismus als zentraler Begriff auf.

Hin und wieder wird der Begriff „Signifikant“ auch synonym zum Begriff des Referenten oder – ungenau – allgemein im Sinne von Zeichen oder Symbol gebraucht.

Verwendung in der Lacan’schen Psychoanalyse

Der stark vom Strukturalismus (insbesondere Roman Jakobsons) beeinflusste französische Psychoanalytiker Jacques Lacan, dessen besonders in Frankreich einflussreiche Konzeption der Psychoanalyse auch als Strukturale Psychoanalyse bekannt ist, verleiht dem Begriff des Signifikanten eine eigene Färbung, lehnt sich aber gleichwohl eng an Saussures Verwendung an. Sigmund Freud, der Saussures Werk nicht gekannt hat, verwendet den Begriff noch nicht (vgl. Dylan Evans, Wörterbuch der Lacanschen Psychoanalyse, S. 269).

Als Signifikanten können für Lacan nicht nur (wie noch für Saussure) Wörter, sondern auch Dinge wie Objekte, Beziehungen und Symptomhandlungen fungieren (vgl. Seminar IV. Die Objektbeziehung). Entscheidende Bedingung für einen Signifikanten ist, dass er in ein System eingeschrieben sein muss: die Ordnung des Symbolischen, in der er seine Bedeutung durch die Differenz zu anderen Signifikanten erhält.

Die sprachliche Struktur des Psychischen

Das Symbolische ist in diesem Sinne eine „Kette von Signifikanten“ („chaine du signifiante“), die in einer bestimmten Ordnung zueinander stehen, und die durch die Existenz eines „Herrensignifikanten“ aufrechterhalten wird, der sie garantiert und mit seiner Autorität stützt: den Namen des Vaters. Er ist der „fundamentale Signifikant“, der dem Subjekt Identität verleiht, und der es ihm ermöglicht, einen festen Platz in der symbolischen Ordnung (der Familie und der Gesellschaft) einzunehmen (siehe auch: Der große Andere). So ist das Subjekt letztlich selbst ein Signifikant: „Ein Signifikant ist, was ein Subjekt repräsentiert für einen anderen Signifikanten.“ (Lacan, Seminar XI. Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, S. 208)

Der Signifikant ist nach Lacan, anders als für Saussure, gegenüber dem Signifikat die primäre Instanz: Nicht das Signifikat ist die Ursache des Signifikanten, sondern der Signifikant ist in Form der allgegenwärtigen Sprache zuerst vorhanden. Signifikanten sind das erste, was dem Kind begegnet; jede Äußerung des Kindes ist immer schon in einem weitesten Sinne sprachlich. Auch das Unbewusste ist für Lacan strukturiert wie eine Sprache und besteht aus Signifikanten. Die „Signifikantenkette“ ist auch im Sinne einer Ahnenkette zu verstehen: eine Linie, in die jedes Subjekt schon vor seiner Geburt und auch nach seinem Tod eingeschrieben ist und die sein Schicksal unbewusst beeinflusst. (Dylan Evans, Wörterbuch der Lacanschen Psychoanalyse, S. 271).

Der reine Signifikant

Indem er die primäre Rolle des Signifikanten gegenüber dem Siginifikat betont, radikalisiert Lacan die Arbitrarität (Beliebigkeit) des Signifikanten, die bereits de Saussure betonte. „Der Signifikant ist zuallererst ein bedeutungsloses, materielles Element in einem geschlossenen differentiellen System.“ (Evans, Wörterbuch der Lacanschen Psychoanalyse, S. 269) Man soll, so Lacan, nicht glauben, „daß die Symbole wirklich aus dem Realen kommen.“ (Lacan, Das Seminar II, S. 279)

Den „Signifikanten ohne Signifikat“ nennt Lacan „reinen Signifikanten“. Er bildet eine Leerstelle innerhalb der Struktur des Symbolischen (mit anderen Worten: ist ein „leerer“ Signifikant), die von verschiedenen Signifikaten besetzt werden kann. (Vgl. hierzu auch Objekt klein a.) Das völlige „Gleiten der Signifikate“ wird durch sogenannte „Steppunkte“ (im Sinne von stabilisierenden Naht-Punkten) verhindert; fehlen diese Haltepunkte gegen das Gleiten, ent-gleitet dem Subjekt die Wirklichkeit, was zur Psychose führt.

Siehe auch

Literatur

  • Ferdinand de Saussure: Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft. 2. Auflage. De Gruyter, Berlin 1967, ISBN 3-11-000158-6
  • Jacques Lacan: Das Seminar IV. Die Objektbeziehung (1956-57), Wien: Turia + Kant 2003, ISBN 3-85132-300-9
  • Jacques Lacan: Das Seminar XI. Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse (1964), Weinheim/Berlin: Quadriga 1986, ISBN 3-88679-906-9
  • Dylan Evans: Wörterbuch der Lacanschen Psychoanalyse, Wien: Turia + Kant 2002
  • Wolfram Bergande: Lacans Psychoanalyse und die Dekonstruktion, Wien: Passagen Verlag 2002, ISBN 3-85165-520-6
  • Hermann Lang: Die Sprache und das Unbewusste: Jacques Lacans Grundlegung der Psychoanalyse. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1986 (= Heidelberg, Univ., Diss., 1972), ISBN 3-518-28226-3
  • Juan-David Nasio: 7 Hauptbegriffe der Psychoanalyse, Wien: Turia + Kant 1999 (2. Auflage), ISBN 3-85132-160-X

Weblinks


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