Sigune von Osten

Sigune von Osten

Sigune von Osten (* um 1950 in Dresden) ist eine deutsche Sängerin, Komponistin und Musikkünstlerin. Sie wuchs in Hamburg auf, studierte in Hamburg und Karlsruhe, lebte in Konstanz, Bonn und seit 1994 auf dem historischen Trombacher Hof bei Bad Kreuznach.[1]

Der Schwerpunkt ihrer künstlerischen Tätigkeit liegt seit Beginn ihrer Karriere in der Interpretation von Werken des 20. und 21. Jahrhunderts. Sie arbeitete mit den Komponisten John Cage, Olivier Messiaen, Luigi Nono, Giacinto Scelsi, Franco Donatoni, Edison Denissow, Krzysztof Penderecki, Cristobal Halffter, Luis de Pablo, André Boucourechliev, und anderen. Ihre Realisation von John Cage’s Aria, 1973 bei den Tagen der Neuen Musik in Hannover, war der Start zur internationalen Karriere. 1976 wurde diese Realisation bei ihrem Aufenthalt in New York von John Cage autorisiert und danach von ihr durch Europa, die USA, Südamerika und Japan getragen und 1993 (ITM) und 2003 (WERGO) auf CD dokumentiert. Mit Giacinto Scelsi verband sie eine enge Freundschaft und Zusammenarbeit von 1977 bis zu seinem Tod 1988. Er widmete ihr die Kompositionen Olehö und Kövirügivogerü. Olivier Messiaen zählte sie zu seinen bevorzugten Interpretinnen. Mit ihm – und seiner Frau, der Pianistin Yvonne Loriod – arbeitete sie von 1987 bis zu seinem Tod 1992: „Der für die Interpretin höchst anspruchsvolle Gesangszyklus HARAWI hat dank Sigune von Osten neue Dimensionen des Ausdrucks erhalten … Es war ein Wunder. Ihre Metamorphose meines Werkes hat alle meine Erwartungen übertroffen und allen vorausgegangenen Interpretationen außergewöhnlich kreative Momente hinzugefügt“, sagte der Komponist nach ihrem ersten gemeinsamen Konzert in Bratislava vor der Presse. Mit Luigi Nono stand sie in Verbindung von ihrem Auftritt beim Warschauer Herbst 1976 bis kurz vor seinem Tod. Über fünfzig Mal sang sie sein Stück La fabbrica illuminata, zuletzt 2009 in Zusammenarbeit mit Peter Konwitschny an der Oper Leipzig. Sie gastierte auf den großen Festivals für zeitgenössische Musik im In- und Ausland, von Donaueschingen über Salzburg, Paris, Madrid, St. Petersburg bis Tokio, und sang bisher über 100 Ur- und Erstaufführungen in Konzert und Musiktheater, die meisten davon für sie geschrieben. [2]

Schon vor der Wende war sie im kommunistischen Osten die einzige Sängerin aus dem Westen, die sich für die verfemten Komponisten einsetzte: Das begann mit der Uraufführung des ihr gewidmeten Solostücks Black and white tears des tschechischen Komponisten Marek Kopelent (NDR 1975). Dafür schmuggelte sie 1976 auch schon einmal unter persönlicher Gefahr heimlich ein westliches Fernsehteam in die Wohnung des Komponisten in Prag. Er schrieb für sie alle seine Vokalwerke für Sopran. Auch mit dem DDR-Komponisten Paul-Heinz Dittrich verband sie von 1981 (UA Engführung, Donaueschinger Musiktage) bis 1992 eine enge Zusammenarbeit. In den späten 80er- und frühen 90er-Jahren war sie die Sängerin musikhistorischer Momente: 1987 die DDR-Erstaufführung in Berlin Ost und letzte VEB-Schallplatten-Produktion mit Paul-Heinz Dittrichs Engführung (Dresdner Philharmoniker, Leitung Herbert Kegel). 1989 die letzte Live-Übertragung von Radio DDR und dem Konzert am Tag der Wiedervereinigung in der Komischen Oper Berlin (UA Sarmatische Lieder von Siegfried Matthus). 1993 die Erstaufführung von Arnold Schönbergs Pierrot lunaire (Festival Soundways, St. Petersburg) und 1998 die Erstaufführung von Arnold Schönbergs Melodram Erwartung (Philharmonie St. Petersburg). Hierfür brachte sie – aus Sicherheitsgründen – eigenhändig das kiloschwere Leihmaterial mit nach St. Petersburg.[3]

Auch im 21. Jahrhundert vermittelte sie Kompositionsaufträge (Iris ter Schiphorst, Jocy de Oliveira, Friedrich Goldmann, Knut Müller, Michael Hirsch, Daniel Ott, Xiayong Chen, u. a.).

Von 1991 bis 2001 war Sigune von Osten Professorin für Gesang an der Musikhochschule Würzburg und gibt heute Workshops und Unterricht in Interpretation, zeitgenössischer Vokaltechnik, Improvisation und Stimmcoaching.[4]

Seit 1995 erweitert sie ihre künstlerische Arbeit über die Sängerin hinaus: Sie setzt sich für die Vermittlung Neuer Musik außerhalb der Insider-Festivals und für die Musik außereuropäischer Kulturen ein. 1995 rief sie das Festival Musica Temporale im MDR Musiksommer mit dem Ensemble Musica Temporale (1995–2005) in ihrer Geburtsstadt Dresden ins Leben[5]. 1996 entwickelte sie für die Atlantische Akademie Rheinland-Pfalz das ATLANTISCHE FESTIVAL Rheinland-Pfalz (1996, 1998, 2000) und gründete ART POINT Trombacher Hof und das interdisziplinäre und interkulturelle ART POINTensemble. Seit 1996 gestaltet sie das alljährlich stattfindende Festival PARKMUSIK Neue Ho(e)rizonte auf und rund um den Trombacher Hof, eine 1500 Jahre alte ehemalige Kultstätte. Seit 2000 entwickelt sie als MusikKünstlerin und Komponistin ihre KompoVisionen, interdisziplinäre, audiovisuelle Projekte, die in ganz eigener Weise für den jeweiligen Raum geschaffen werden. Dabei setzt sie oft Profis und Amateure zusammen ein. (Neue Ho(e)rizonte, EXPO 2000 Hannover, KlangWanderung, Dresdner Tage der zeitgenössischen Musik 2002, Carreau Sonore, Rendez-vous musique nouvelle / Forbach 2003, MusiCircus, Festspiele Ludwigshafen 2005, MenschMaschine-KlangMaschine, Luxemburg / Sibiu, Rumänien 2007, MenschMaschine-KlangMaschine II, Zementwerk Mainz-Weisenau 2008[6], Impressionen zur Stille, Festspiele Ludwigshafen 2009, musiBalance, Deutscher Pavillon EXPO Shanghai 2010.[7]

Seit 2009 schlägt sich die langjährige Beschäftigung mit Musik und Musikern außereuropäischer Kulturen nun auch in ihrer Arbeit als Interpretin nieder: Neben den Gesang ist das traditionelle chinesische Instrument Guzheng getreten, das sie in ihren KompoVisionen ebenso wie in solistischen Performances auf experimentelle Weise spielt.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. artpoint-th.com: Über ART POINT, abgerufen am 18. Juli 2010.
  2. artpoint-th.com: Biografie von Sigune von Osten, abgerufen am 18. Juli 2010.
  3. musikrat.de: Musik in Deutschland 1950–2000, abgerufen am 18. Juli 2010.
  4. artpoint-th.com: ART POINT Akademie, abgerufen am 18. Juli 2010.
  5. berlinerfestspiele.de Biografie Sigune von Osten, abgerufen am 18. Juli 2010.
  6. nmz.de Sigune von Osten „MenschMaschine-KlangMaschine“ – Eine audiovisuelle Performance, abgerufen am 18. Juli 2010.
  7. villamusica.de: Interview mit Sigune von Osten, abgerufen am 18. Juli 2010.

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