Sinti Allianz Deutschland

Sinti Allianz Deutschland

Die Sinti Allianz Deutschland (kurz SAD) ist ein gemeinnütziger eingetragener Verein mit Sitz in Köln. Er sieht sich als „Zusammenschluss deutscher Zigeuner (Sinti)“ und als einer der Vertreter einer „autochthone[n] Sinti-Volksgruppe im deutschen Volk". Zu seinen Mitgliedern gehören Roma aus den Untergruppen der Sinti und der Lowara.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der heutige Verein ging aus der Sinti Allianz Köln hervor. Über deren Entstehung, Geschichte und Programmatik liegen keine Angaben vor. In den bislang erarbeiteten Studien zur Geschichte der Selbstorganisation von Roma in Deutschland wird der Vorgängerverein nicht erwähnt. Aus der Bürgerrechtsbewegung der deutschen Roma und Sinti ist er oder sind Vereinsmitglieder nicht bekannt.[1]

Der heutige Verein wurde im Jahr 2000, das heißt mit Eintritt in die Hochphase der Diskussion um ein Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma, von "20 Stammesvertretern" zu einem Zusammenschluss mit nun deutschlandweitem Vertretungsanspruch umgegründet. Nach eigenen Angaben vertritt er als ein "Dachverband" neun Sinti-Organisationen und einen den ostmitteleuropäischen Roma-Gruppen zuzuordnenden "Lowara-Stamm". Die Vorsitzende ist Natascha Winter (Köln), die bereits die Vorsitzende des Vorgängervereins war. Andere Funktionsträger oder individuelle Mitglieder sind in der Öffentlichkeit ebenso wenig bekannt wie die behaupteten "Mitgliedsvereine".[2]

Öffentliche Aktivitäten der Sinti Allianz Deutschland, von Mitgliedervereinen oder des Vorgängervereins lassen sich nicht feststellen. Die Sinti Allianz erklärt dazu, daß sie "überwiegend ihre Arbeit seit vielen Jahren, entsprechend der Sinti-Tradition, heraus in aller Stille" verrichte.

Eine weithin beachtete Ausnahme bildete die Diskussion um den Widmungstext für ein Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma. Sie machte den Verein und ihre Vorsitzende, die die einzige erkennbare Vereinssprecherin in dieser langjährigen Auseinandersetzung blieb, auch bundesweit bekannt.

Im Widmungstextdiskurs forderte die Sinti Allianz,

  • als Gesamtbezeichnung der Roma die Kategorie "Zigeuner" zu verwenden, die der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma und andere Roma-Organisationen wie die Rom und Cinti Union oder die Roma-Union Frankfurt als abwertende Fremdbezeichnung und als nationalsozialistisch kontaminiert ablehnen und
  • Jenische als Opfergruppe in den Text für das Sinti- und Roma-Denkmal miteinzubeziehen.

Die Sinti Allianz griff mit zahlreichen öffentlichen Erklärungen den als Gegner betrachteten Zentralrat Deutscher Sinti und Roma vehement an. Als am 19. Dezember 2008, dem offiziellen Gedenktag des Bundesrates für die Opfer des Völkermordes an den Sinti und Roma, in Anwesenheit von 46 Gästen aus den Reihen des Zentralrats und seiner Mitgliedsverbände, von zwei Gästen der Sinti Allianz und drei Jenischen der Baubeginn symbolisch beschlossen wurde, kam es zu einem spektakulären Zwischenfall, der die Schärfe des Konflikts bloßlegte.[3]

Grundsätzlich wendet der Verein sich gegen eine von ihm behauptete Dominanz der Themen NS-Verfolgung und Genozid und wünscht, "das friedliche Zusammenleben der Sinti und der deutschen Mehrheitsbevölkerung" mehr gewürdigt zu sehen.

Zielsetzungen

Der Verein versteht sich ausweislich seiner Internetseite als Interessenvertretung jener „deutschen Zigeuner, die sich der traditionellen Lebensweise der Sinti mit ihren historisch gewachsenen Geboten und Verboten für die Lebensführung verpflichtet fühlen und diese soziale und kulturelle Ordnung der Sinti erhalten wollen.“ Andere Mitteilungsformen über die Internetseite hinaus, so z. B. gedruckte Medien, die über die Vereinsprogrammatik und -praxis informieren könnten, existieren nicht.

Besondere Aktivitäten im Sinne einer besseren Anerkennung minderheitspolitischer Forderungen widersprechen dem Selbstverständnis des Vereins. "Die Mehrheit der von der Sinti Allianz vertretenen Sinti" sehe "sich nicht als besonders anzuerkennende nationale Minderheit." Eine Minderheit von Sinti und Roma gebe es in Deutschland überhaupt nicht. Es handle sich hier nach ethnischer Herkunft, Sprache, Kultur und Rechtsordnung um zwei ganz verschiedene "Volkszugehörigkeiten".[4]

Als Ziele gibt der Verein die Durchsetzung politischer und sozialer Anliegen aus der Gruppe der Sinti an. Besonders aber weist er darauf hin, daß er sich vor „unberechtigte[n] Vertretungsansprüche[n] und Vereinnahmung anderer Organisationen schützen“ möchte, womit vor allem der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma gemeint ist, mit dem er als der anerkannteren und repräsentativeren Selbstorganisation der Minderheit in einem Dauerkonflikt steht. Die Sinti Allianz ist der Auffassung, daß der Konkurrent die Sinti deutscher Staatsbürgerschaft nicht hinreichend vertrete.

Staatliche Maßnahmen gegen die vom Zentralrat gesehene soziale, kulturelle, wirtschaftliche oder rechtliche Diskriminierung und Maßnahmen zur Förderung sozial benachteiligter Angehöriger der Minderheit lehnt die Sinti Allianz ab, da nicht nur rechtlich, sondern auch real „(Sinti) als deutsche Staatsangehörige … in allen Bereichen der Bildung, des wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Lebens unseres Landes gleichberechtigt“ seien. Insbesondere erhebt sie Einspruch gegen die Anerkennung des Romanes in Schulen und Hochschulen als Minderheitensprache, wie sie sich aus der Anerkennung der deutschen Sinti und Roma als nationale und sprachliche Minderheit ergibt. Sie wendet sich gegen die damit einhergehenden praktischen Konsequenzen wie die wissenschaftliche Bearbeitung der Sprache, deren Verschriftlichung und Standardisierung, gegen Lehrmaterialien und die Ausbildung von Sinti-Lehrern. Sie spricht sich gegen die vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma beantragte Aufnahme des Romanes in die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen aus, weil darin „staatliche Förderungsverpflichtungen … enthalten sind“. Die Sprache der Sinti sei nichtschriftlich und habe das zu bleiben. Sie unterliege einer Tabuisierung und das Sprachtabu dürfe auf keinen Fall verletzt werden. „Die Schutzmechanismen zur Wahrung unserer Kultur, wozu auch die Sprache gehört“, würden aber im Gefolge einer Anwendung der Sprachencharta „ausgehebelt werden.“ Auf dem Weg über das systematische Erlernen des Romanes der Sinti (das viele Sinti nicht mehr oder nur noch begrenzt beherrschen) in Förderkursen könne die Sprachencharta im übrigen von immigrierten Angehörigen anderer Romagruppen, die nicht über die deutsche Staatsbürgerschaft verfügen, „als Einbürgerungsartikel missbraucht werden“.

Besonders gehe es dem Verein auch um die Verständigung zwischen deutscher Mehrheitsgesellschaft und Sinti.

Die Situation der Lovara, wie sie in der Sinti-Allianz organisiert sind, oder anderer Roma abseits der Sinti thematisiert der Verein nicht und entwickelte dazu auch keine Zielvorstellungen.

Anmerkungen

  1. Siehe: Katrin Reemtsma, Sinti und Roma. Geschichte, Kultur, Gegenwart, München 1996, S. 136-144; Yaron Matras, The Development of the Romani Civil Rights Movement in Germany 1945-1996, in: Susan Tebbutt (Hrsg.), Sinti und Roma. Gypsies in German-Speaking Society and Literature, New York/Oxford 1998, S. 49-63. Alle Zitierungen der Sinti Allianz siehe deren website: Website der Sinti Allianz Deutschland.
  2. Website Sinti Allianz: [1].
  3. focus online, 2. Februar 2009: [2].
  4. Bundesministerium des Innern, Nationale Minderheiten in Deutschland, Berlin 2010, 3. Aufl., S. 25ff., siehe auch: [3].

Weblinks


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